News 23.10.2014, 10:09 Uhr

Netzneutralität: Das sollten Sie wissen

Was heisst eigentlich Netzneutralität? PCtipp versucht, das komplizierte Thema einfach darzustellen. Ein Einstieg in eine wichtige Diskussion der Zukunft.
Es ist kompliziert. Wie so oft, wenn es um Internet und Technik geht. Aber die Kompliziertheit des Internets betrifft rund 90% der Schweizer Bevölkerung zwischen 16 und 70 Jahren. Das ist nämlich der Anteil der Personen in der Schweiz, die täglich im Internet surfen. Und diese Konsumenten - Sie bestimmt auch - wollen möglichst schnell, günstig und jederzeit Inhalte via «Internet» konsumieren - also Datenpakete empfangen oder versenden. Das sind Videos, Telefongespräche, Chats, News, Musik, Bilder, Dateien, die möglichst schnell und unterbrechungsfrei von A nach B transportiert werden sollen.
Dafür bezahlen Sie als Konsument einen Preis in Form eines Internetabos (zu Hause oder für unterwegs). Im Gegenzug erwarten Sie eine möglichst schnelle Internetverbindung, die all Ihre Bedürfnisse abdeckt. Doch auf der anderen Seite sind die Infrastrukturbetreiber, die dafür verantwortlich sind, dass die Datenpakete auch tatsächlich möglichst schnell von A nach B transportiert werden. Und hier fängt die Kompliziertheit an.

Diverse Anbieter buhlen um Kunden

Diverse Akteure tummeln sich in und um dieses Internet. Im virtuellen Boxring stehen - vereinfacht gesagt - quasi vier Parteien. In der einen Ecke sind die Netzbetreiber, denen die Glasfaser-, Kupfer- oder TV-Kabelleitungen gehören. In der benachbarten Ecke stehen die Internet-Zugangs-Anbieter, sprich Internet Service Provider (ISP). Dritte im Boxring sind die Datenverkehrsverursacher (Content Access Provider, CAP) oder Hosting Provider. Diese bieten Dienste an, die der Konsument (das sind Sie, in der vierten Ecke, ohne Boxhandschuhe) nutzen will. Die drei kommerziellen Teilnehmer im Boxring können eigenständig oder als Kombination aus diesen verschiedenen Kategorien auftreten. Swisscom und UPC Cablecom zum Beispiel sind Netzbetreiber, ISP und CAP in einem, Sunrise zum Beispiel ist nur ISP und CAP und muss sich bei Swisscom im Kupfernetz einmieten.
Datenverkehrverursacher sind zum Beispiel Netflix oder YouTube; sie leiten ihre Inhalte durch die Netze von Swisscom und UPC Cablecom und verdienen Geld damit. Zur selben Sparte gehören auch kleine Hosting-Provider, bei denen Firmen oder Privatpersonen einen Blog oder eine Webseite unterhalten. Oder da wäre ein innovatives Start-up, das via Browser ein Produkt anbietet, das Datenverkehr produziert (zum Beispiel ein webbasiertes Projekt-Management-Tool).
Aus diesem Spannungsfeld hat sich die Diskussion um die Netzneutralität in letzter Zeit stärker akzentuiert, vor allem in den USA. Denn gerade die datenintensiven Dienste wie Video on Demand, sind auf eine möglichst breite Internetleitung angewiesen, damit die HD-Filme auch ruckel- und störungsfrei bei den Konsumenten auf den Bildschirmen ankommen.
Aber der Ausbau der Netzinfrastruktur ist teuer. Es geht um Milliarden. Geld, das von Swisscom und UPC Cablecom investiert werden muss, um den Konsumenten ein optimales Erlebnis zu garantieren. Die Swisscoms und Cablecoms haben natürlich ein Interesse daran, ihre eigenen Kunden möglichst gut zu behandeln. Swisscom-TV soll möglichst unterbrechungsfrei in die Stube oder auf das mobile Gerät gelangen. Ob da noch Platz für Netflix in der Leitung ist, ist je länger je mehr eine Frage des Preises.

Die heissen Fragen rund um Netzneutralität

Im Prinzip ist jedes Datenpaket gleich. Nur einige sind gleicher, je nachdem, wer wem wie viel für eine bevorzugte Behandlung der eigenen Datenpakete bezahlt. Vereinfacht gesagt, dreht sich die Diskussion der Netzneutralität um den Themenkomplex: Wer bestimmt, welche Inhalte Sie als Konsument zu welchem Preis, zu welcher Geschwindigkeit und bei welchem Anbieter sehen können?
Weitere Fragen wären:
  • Wer bestimmt, welcher Cloud-Dienst optimale Down- und Upload-Raten bietet?
  • Wer bestimmt, ob man VoiceOverIP benutzen darf?
  • Oder ganz grundsätzlich: Wer bestimmt, welches Datenpaket priorisiert von A nach B transportiert wird?

Lesenswerter Bericht der Arbeitsgruppe

Auf diese wichtigen Fragen hat das Bakom einen Bericht der Arbeitsgruppe Netzneutralität veröffentlicht, in dem Gegner und Befürworter der Netzneutralität ausführlich zu Wort kommen und die Pro- und Kontra-Argumente dargelegt werden. Der Bericht weist auch darauf hin, dass es im Moment in der Schweiz keine Möglichkeit gibt, gegen Verletzungen von Netzneutralität juristisch vorzugehen. Der Bericht dient als Grundlage für die Meinungsbildung und nimmt bewusst keine qualitative Bewertung der Argumente vor.
Die Befürworter der Netzneutralität, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben - unter anderem die Digitale Gesellschaft Schweiz, Asut, Switch und die Schweizerische Konsumentenstiftung - argumentieren zum Teil für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität (Digitale Gesellschaft) oder mindestens für eine Art Co-Regulierung der Netzneutralität (Asut). Die Gegnerschaft, bestehend aus den grossen Telekommunikationsanbietern sehen durch ein spezielles Netzneutralitätsgesetz den freien Wettbewerb in Gefahr. Sie monieren, dass der Gesetzgeber der technischen Entwicklung immer hinterherhinkt.
Der Bericht nimmt jedoch keine Beurteilung der Argumente vor. Denn das ist Gegenstand einer politischen Diskussion, die im Moment jedoch nur sehr halbherzig geführt wird. Der Bundesrat wird in einem Bericht zum Fernmeldemarkt seine Sicht zur Netzneutralität darlegen.

Autor(in) Marcel Hauri



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.