News 18.12.2002, 13:45 Uhr

Sperrverfügung gegen Provider: Was hat sich getan?

Letzte Woche sorgte eine Sperrverfügung an über 30 Provider für Aufregung in der Schweizer Internetszene. Die Frist zur Ausführung der Verordnung ist gestern abgelaufen – folgend eine Übersicht über den momentanen Stand der Dinge.
Die Waadtländer Untersuchungsrichterin Françoise Dessaux verordnete vor einigen Tagen verschiedenen Schweizer Providern die drei Webseiten www.appel-au-peuple.org, de.geocities.com/justicecontrol und www.swiss-corruption.com zu sperren sowie die Domain "appel-au-peuple.org" so zu modifizieren, dass diese auf "eine leere Seite leite" [1]. Auf den betreffenden Homepages finden sich reihenweise Verschwörungstheorien zur Schweizer Politik. Gemäss Dessaux enthalten aber auch alle drei Sites Inhalte, gegen die verschiedene Klagen wegen Ehrverletzung bestehen. Gemäss Artikel 177 des waadtländischen Strafgesetzbuches müsse deshalb der Zugang zu solchen Dokumenten verboten werden. Sollten die Provider der Aufforderung nicht Folge leisten, würden sie mit Busse oder Gefängnis bestraft.
Die Verfügung der Waadtländer Richterin hat sofort zu heftigen Reaktionen unter den betroffenen Providern, aber auch in Anwendergruppen, Internetforen und Mailing-Listen wie SIUG [2] und Swinog [3] geführt. Die SIUG kritisiert die Massnahme in einer Pressemitteilung als "unverhältnismässig", sowohl in technischer als auch als in juristischer Hinsicht. Alle drei Seiten liegen auf Servern im Ausland. Eine Sperrung ist dadurch besonders aufwändig und kann nur lückenhaft sein. Für den Website-Betreiber ist es ein Leichtes, nach erfolgter Sperrung die Site einfach unter einer anderen Adresse wieder aufzuschalten. Dies wird unter www.swiss-corruption.com auch bereits gemacht. Ausserdem hat die Untersuchungsrichterin nur eine begrenzte Zahl von Providern zur Sperrung der Site verpflichtet, was die Sinnlosigkeit der Verordnung noch unterstreicht. Rechtlich ist die Entscheidung von Dessaux ebenfalls umstritten. Bezieht sich doch die Richterin auf kantonales Recht. Dieses kann jedoch nicht eins zu eins auf die ganze Schweiz umgemünzt werden. Wie die SIUG in ihrer Pressemitteilung ganz richtig bemerkt, ist zudem fraglich, ob Zugangsanbieter wirklich dazu veranlasst werden dürfen, ausländische Webseiten zu sperren. Technisch sinnvoller und juristisch korrekter wäre es, die Verfügung an die zuständigen Provider im Ausland zu richten, welche die Seiten direkt auf ihrem Server betreiben.
Der Schweizer Verband Inside Telecom [4] hat sich der Sache angenommen und liess die Situation rechtlich abklären. Wie der VIT in der Mailing-Liste Swinog ausführt, hat er ein Musterschreiben für eine Einsprache gegen die Verordnung erstellt. Dieses werde den betroffenen Providern zugestellt. Es bleibe aber trotz Abklärung unklar, ob die Einsprache auch aufschiebende Wirkung habe. Wer daher kein Risiko eingehen möchte, sich eine Busse oder Freiheitsstrafe einzuhandeln, solle die entsprechenden Sites bzw. Domain trotzdem sperren. Es empfehle sich aber dennoch, die Einsprache einzureichen, da ansonsten mit einer "Vielzahl" von Sperrverfügungen zu rechnen sei, solange nicht endgültig juristische Klarheit herrsche.
Wie der VIT heute informierte, sind die meisten Schweizer Provider seinem Vorschlag nachgekommen und haben gestern Beschwerde gegen die Sperrverfügung eingereicht. Sie alle empfänden die Waadtländer Anordnung als untauglich und ungerecht. Eine Nachfrage bei verschiedenen grossen Schweizer Providern hat ergeben, dass zwar alle Einsprache erhoben haben, jedoch nicht gleicher Meinung sind, was das Sperren der Sites anbelangt. So teilte uns etwa eine Bluewin-Pressesprecherin mit, dass sie die betreffenden Homepages nicht blockieren werden. Verucht man die Sites hingegen über Sunrise abzurufen, erscheint eine Mitteilung, dass diese aufgrund der Verfügung nicht mehr zugänglich seien.



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