News 15.01.2016, 08:00 Uhr

ETH-Applikation kartiert Gebäude in 3D

Computerwissenschaftler aus der Gruppe von ETH-Professor Marc Pollefeys entwickelten ein Programm, mit dem das Erstellen von 3D-Modellen ganzer Gebäude zum Kinderspiel wird. Es berechnet die 3D-Karten in Echtzeit und läuft auf einem neuartigen Tablet.
Wenn Thomas Schöps ein dreidimensionales Modell des ETH-Hauptgebäudes erstellen will, zückt er sein Tablet. Gemächlich umrundet er das Bauwerk. Die kleine Kamera auf der Rückseite seines Geräts richtet er ständig auf die Gebäudefassade. Nach und nach entsteht so auf dem Bildschirm ein eindrückliches 3D-Modell des Gebäudes. Gerade einmal 10 Minuten braucht der Doktorand am Institut für visuelles Computing für die Digitalisierung eines historischen Bauwerks wie des Hauptgebäudes.
Die Software auf dem Gerät haben Schöps und seine Kollegen aus der Gruppe von Marc Pollefeys, Professor für Informatik, entwickelt. Dies im Rahmen des «Project Tango» von Google, bei dem 40 Hochschulen und Firmen mit dem Internetunternehmen zusammenarbeiten. Die ETH Zürich gehört dazu.

Vergleich von Bildpunkten

Die Methode der ETH-Wissenschaftler funktioniert rein optisch. Sie basiert auf dem Vergleich mehrerer Bilder, die eine Fischaugenkamera am Tablet aufgenommen hat, und verwendet das Prinzip der Triangulation, wie sie auch in der Vermessungstechnik angewandt wird. Vereinfacht gesagt, geht es so: Die Software analysiert zwei Bilder einer Hausfassade, die von verschiedenen Standorten aus aufgenommen wurden. Für jede Bildinformation, jeden Pixel auf einem Bild sucht sie die Entsprechung auf dem anderen. Aus diesen Punkten sowie aus der bekannten Position und der Blickrichtung der Kamera kann die Software die Distanz eines jeden Bildpunkts zum Gerät bestimmen und daraus ein 3D-Modell des Objekts berechnen. Das Modell beschränkt sich längst nicht nur auf die Umrisse des Gebäudes und grobe Merkmale wie Fenster- und Türöffnungen. Vielmehr sind darauf auch architektonische Details zu sehen wie die Anordnung der Mauersteine einer Sichtsteinfassade.
Das Entwicklergerät des Project Tango, das die Wissenschaftler verwendet haben
Quelle: ETH Zürich
Die neue Software hat einige wesentliche Vorteile gegenüber bestehenden Methoden. Dass sie sich bei Sonnenlicht anwenden lässt, ist eine davon. «Andere Systeme arbeiten mit einem Infrarotlichtmessnetz», erklärt Torsten Sattler, Postdoc in Pollefeys' Gruppe und ebenfalls am Projekt beteiligt. Bei der Infrarotmethode projiziert das Gerät ein für das menschliche Auge unsichtbares Gitternetz aus Infrarotlicht auf ein Objekt. Eine Infrarotkamera nimmt die Projektion davon auf und berechnet daraus eine dreidimensionale Karte des Objekts. «Diese Technik funktioniert in Innenräumen gut», sagt Sattler. Doch sie eigne sich schlecht für Aussenaufnahmen bei Sonnenschein. Denn Sonnenlicht enthalte auch Infrarotanteile, was die Messung empfindlich störe. «Unsere Methode ist draussen klar im Vorteil. Umgekehrt eignet sich die Infrarottechnik in Innenräumen mit schwach strukturieren Räumen besser, etwa in solchen mit gleichförmigen, leeren Wänden.»
Die ETH-Wissenschaftler programmierten die Software für die neuste Version des Project-Tango-Mobilgeräts. «Diese Tablets sind noch in Entwicklung und noch nicht für Endnutzer gedacht. Seit wenigen Monaten können es interessierte Software-Entwickler auch in der Schweiz kaufen, und es gibt bereits erste Apps dafür. Im jetzigen Moment ist das Gerät allerdings nicht lieferbar», so ETH-Doktorand Schöps.
Nächste Seite: Fischauge und rigorose Qualitätskontrolle



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.