Tipps & Tricks 08.08.2016, 06:00 Uhr

Rechtstipp – Urheberrecht: Was geht, was nicht?

Darf man im Netz gefundene Bilder alle einfach mit Quellenangabe verwenden? Ist das Filmen im Kino wirklich verboten? Und was will eigentlich das Urheberrecht?
Kürzlich wurde ich gefragt, ob ein Unternehmen für Offerten zur Dekoration Fotos aus dem Internet verwenden könne. Eine Mitarbeiterin hatte sich an der schon seit Jahren geübten Praxis gestört. Vom Chef hatte sie auf ihre Bemerkung hin die Antwort erhalten, sie solle bitte pragmatisch sein, und überhaupt sei das gar keine urheberrechtlich verbotene Verwendung der Fotos, denn man gebe ja die Quelle an.
Als Jurist finde ich, dass es für Unternehmen selbstverständlich sein sollte, sich über die rechtliche Situation bei der Verwendung von Bildern und anderen Werken Gedanken zu machen. Die «Schnauze tief!»-Reaktion des Chefs passt nicht ganz in dieses Bild. Und obendrein ist seine Meinung, die Verwendung der Fotos sei bei Angabe der Quelle erlaubt, schlicht falsch. 

Aber fangen wir vorne an: Wozu gibt es überhaupt das Urheberrecht? Und wie funktioniert es?

Es gibt zwei wesentliche Gründe für das Urheberrecht: Zum einen geht es um sogenannte Urheberpersönlichkeitsrechte, und zum anderen um wirtschaftliche Aspekte.
Die Idee der Persönlichkeitsrechte ist recht naheliegend: Wenn Sie Autor eines Buchs sind, möchten Sie über wichtige Dinge bestimmen können. So etwa über den Zeitpunkt, zu dem Ihr Werk veröffentlicht wird. Denn die Veröffentlichung eines unfertigen Entwurfs kann unangenehm sein. Das Recht zur Erstveröffentlichung ist, neben dem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, eines der zentralen Urheberpersönlichkeitsrechte. 
Aus wirtschaftlicher Sicht geht es beim Urheberrecht zudem darum, Anreize zu schaffen, kreativ zu sein: Wenn wir kein Urheberrecht hätten, könnte jedermann Werke verwerten, die von Dritten geschaffen wurden. Damit hätten diese Dritten weniger Anreiz, kreativ zu sein, was wiederum gesamtwirtschaftliche Nachteile hätte. Um dies zu verhindern, hat man den Urhebern wirtschaftliche Verwertungsrechte in die Hand gegeben: Hier geht es zum Beispiel um das Recht, Kopien eines Werks herzustellen (der Jurist spricht von Werkexemplaren), um das Recht, das Werk zu verbreiten, aufzuführen (etwa im Theater), zu senden oder zugänglich zu machen. 
Wichtig im Kontext des Internets ist vor allem das Zugänglichmachen: Wer ein Werk, etwa ein Bild, ins Internet stellt, macht dieses für Dritte zugänglich. Auch das Recht, Werkexemplare herzustellen, spielt in der digitalen Welt eine grosse Rolle: Wenn ich mir beispielsweise ein Musikstück aus dem Netz herunterlade, erstelle ich damit ein Werkexemplar auf meiner Festplatte. 
Die Konstruktion des Urheberrechts scheint auf den ersten Blick etwas fremdartig. Der Laie würde vielleicht erwarten, dass im Gesetz steht, was verboten ist. Das ist aber nicht so: Das Gesetz regelt, dass die genannten Urheber- und Verwertungsrechte allein dem Urheber zustehen, und dass man ohne die Einwilligung des Urhebers diese Rechte nicht ausüben darf. 
Natürlich soll der Urheber seine Rechte nicht nur höchstpersönlich ausüben können; das wäre nicht praktikabel. Er kann seine Rechte daher an Dritte übertragen, wie zum Beispiel verkaufen. Danach kann der neue Rechteinhaber die Rechte geltend machen, wie wenn er selber Urheber wäre. Im Weiteren kann der Urheber die Rechte auch Dritten lizenzieren: Eine Lizenz ist – einfach gesagt – ein Vertrag, in dem der Rechteinhaber darauf verzichtet, sich gegen die Nutzung durch den Dritten zu wehren. 

Eine weitere Frage ist, wann und unter welchen Umständen die Urheberrechte überhaupt entstehen. 

Nach der Regel des Gesetzes muss dazu eine individuelle geistige Schöpfung vorliegen, die wahrnehmbar gemacht wurde. Aber was heisst das? 
Schöpfung bedeutet, dass etwas geschaffen werden muss. Ein blosses Finden reicht also nicht: Wer eine schöne Baumwurzel findet, erhält daran also keine Urheberrechte. 
«Geistig» heisst «menschlich»: Eine tierische Schöpfung ist nach dem Gesetz nicht urheberrechtlich geschützt. 
Das Werk muss zudem irgendwie physisch umgesetzt (wahrnehmbar gemacht) werden; die blosse Idee eines Werks ist nicht geschützt, nur die konkrete äussere Form ihrer Umsetzung. Das kann ein Ausdruck auf Papier sein, aber auch eine Aufführung eines Musikstücks oder ein Vortrag.
Das Werk muss zudem eine gewisse Individualität aufweisen. Man muss «etwas Hirnschmalz» in ein Werk gesteckt haben. Oder andersherum: Was jeder ähnlich machen würde, ist nicht geschützt. Die genaue Grenze, was als individuell zu gelten hat, ist allerdings naturgemäss schwierig zu ziehen, sodass sich das Bundesgericht schon mehrfach mit der Frage auseinanderzusetzen hatte. So hielt es beispielsweise eine Fotografie von Bob Marley mit verwirbelten Haaren aus einen Konzert für individuell genug, weil der Fotograf genau den richtigen Moment habe abwarten müssen. Anders urteilte das Gericht bei einer gestellten Fotografie, die den Banken-Whistleblower Meili mit zwei Aktenordnern unter dem Arm neben einem Kopierapparat zeigte; dies war offenbar zu wenig fantasievoll.
Welcher Natur ein Werk ist, spielt für seinen Schutz keine Rolle: Das Gesetz spricht zwar nur von «Werken der Literatur und Kunst». Dies ist allerdings zu eng: Selbst Computerprogramme sind Werke, aber auch technische Pläne, Musikstücke, Fotos, Skulpturen und auch wissenschaftliche Texte, nicht nur Belletristik. Wichtig ist aber: Wann immer eine individuelle geistige Schöpfung wahrnehmbar gemacht wird, liegt automatisch ein urheberrechtlich geschütztes Werk vor. Anders als etwa im Markenrecht muss man das Urheberrecht also nicht in einem Register anmelden. Auch die Verwendung des ©-Zeichens oder ein expliziter Hinweis auf das Urheberrecht sind nicht nötig.
Ist das Urheberrecht einmal entstanden, gilt es bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Danach fällt das Werk in die «Public Domain», kann also von jedermann frei genutzt werden, ohne die Erben zu fragen. 
Neben dieser zeitlichen Befristung kennt das Urheberrecht noch weitere Grenzen. Der Jurist spricht von «Schranken». Im Bereich dieser Schranken kann der Urheber eine Verwendung nicht verbieten. Teilweise hat er aber Anspruch auf eine Vergütung.
Interessant aus Nutzersicht ist zunächst die Schranke des Eigengebrauchs. Als solcher gilt zunächst jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde.
Sie dürfen also Musik mit ihren guten Freunden tauschen, und für eine kleine Geburtstagsparty ist es zulässig, Bilder aus dem Netz zu nehmen. Anders als im Kino öfters vor der Vorführung mit drohendem Unterton verkündet, wäre es aus urheberrechtlicher Sicht auch problemlos, den gezeigten Film für sich mit dem Handy aufzuzeichnen. Denn so lange man ihn in der Folge nicht weiterverbreitet, bleibt es bei der – erlaubten – Privatkopie. 
Der Grund, warum man den Film dennoch nicht aufzeichnen sollte, liegt woanders: Das Kino kann in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen das Filmen verbieten, und es kann Leuten, die sich nicht an dieses Verbot halten, ein Hausverbot auferlegen. Strafbar, also etwa mit Busse oder gar Gefängnis, ist das Abfilmen für sich allein allerdings nicht.
Die Schranke des Eigengebrauchs ist der Grund, warum Downloads aus dem Internet in der Schweiz grundsätzlich als legal gelten. Aufpassen muss man allerdings, wenn die verwendete Software, etwa bei Tauschbörsen, die Musik zugleich wieder Dritten im Internet zugänglich macht. Der Kreis dieser Dritten ist regelmässig grösser als der enge Freundeskreis, und der Upload ins Netz daher nicht mehr von der Schranke des Eigengebrauchs erfasst.
Wichtig ist noch, dass die Schranke des Eigengebrauchs bei Software nicht gilt. Computerspiele zwischen Freunden zu kopieren bleibt also illegal. Auch wenn man sich im Ausland aufhält, sollte man vorsichtig sein: In Deutschland etwa gilt die Schranke des Eigengebrauchs nicht bei illegalen Quellen, etwa Tauschbörsen.
Der Grund für die Schranke des Eigengebrauchs ist übrigens, dass eine Kontrolle dieser Verwendung kaum möglich ist. Es geht also weniger um ein schützenswertes Interesse des Nutzers an Eigengebrauch. Die Einschränkung der Urheberrechte beim Eigengebrauch wird finanziell kompensiert, und zwar mit der Leerdatenträgerabgabe, die via Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet wird. Diese fand ihren Anfang bei leeren Musikkassetten und CD-Rohlingen, ist heute aber als Teil des Kaufpreises beispielsweise auch auf Smartphones zu bezahlen, weil man auf diesen Musik speichern kann.
Aus Sicht des eingangs genannten Unternehmens, das ein Foto aus dem Netz für eine Offerte verwenden möchte, könnte eine weitere Schranke von Bedeutung sein: Das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Unternehmen für die interne Information oder Dokumentation ist nämlich zulässig. Vorliegend wollte man allerdings einfach ein schönes Foto auf der Titelseite des Dossiers anbringen, und dies ist keine «interne Information oder Dokumentation», wie es das Gesetz verlangt, sondern verfolgt einen rein schmückenden Zweck. Deshalb kann sich das Unternehmen nicht auf die Schranke stützen. 
Dasselbe gilt auch für das Zitatrecht: Das Interesse der Öffentlichkeit an der Freiheit der Information verbietet dem Urheber, sich gegen eine Verwendung zu wehren, wenn sich jemand mit seinem Werk inhaltlich auseinandersetzt. Es muss daher auch möglich sein, das Werk in diesem Rahmen wiederzugeben. Der Umfang der zulässigen Wiedergabe bestimmt sich danach, was für die konkrete Auseinandersetzung mit dem Werk nötig ist; im Extremfall kann man ein Werk auch ganz wiedergeben. Rein schmückende Zitate, wie das eingangs erwähnte, dienen nicht der Informationsfreiheit; entsprechend sind sie auch als Zitate ohne Einwilligung des Rechteinhabers nicht erlaubt, selbst wenn die Quelle angegeben wird, wie dies das Gesetz fordert.
Information
Über den Autor: Simon Schlauri
Prof. Dr. Simon Schlauri ist Partner von Ronzani Schlauri Anwälte, einer Zürcher Anwaltskanzlei, spezialisiert auf Informations-, Telekommunikations- und Technologierecht. Er lehrt als Titularprofessor an der Universität Zürich. Als Mitglied der Digitalen Gesellschaft und der Grünliberalen setzt er sich für ein freiheitliches Internetrecht ein. Simon Schlauri ist Mitglied des Team CC Schweiz und beantwortet Fragen zu CC unter info@creativecommons.ch.



Kommentare
Avatar
Hoover
29.03.2018
Ist nicht so einfach dagegen vorzugehen. Ein Webseiten-Text ist keine künstlerische Tätigkeit und somit nicht so einfach schützen zu lassen. Des weiteren ist es auch etwas, das so oder so ähnlich auf tausenden Seiten geschrieben wird. Oftmals nutzen auch solche Textbroker sehr ähnliche, zum Teil gleiche Textpassagen bei vielen Kunden. Sehr wahrscheinlich hat auch der Kopierer eigene, wenn auch sehr kleine Änderungen gemacht, um es an seine Webseite anzupassen und kann im Notfall darauf verweisen. Selbst wenn ihr Erfolg mit einer Beschwerde haben solltet, wird der Kopierer wohl nur zu Änderungen aufgefordert und es liegt in deinem Ermessen, ob dir der Stress das Wert ist. Sicherlich ist es ärgerlich, aber am besten korrigiert ihr die Fehler, macht ein paar Verbesserungen und lebt damit.

Avatar
malamba
13.04.2020
Für Fehler die von Textbroker stammen und diese auch noch zu bezahlen, finde ich eher fragwürdig.