Kommentar 30.07.2010, 06:00 Uhr

Schwamm drüber

Muss wirklich jede unbedachte Facebook-Statusmeldung, jeder pubertäre Blog-Kommentar, jedes peinliche Video bis in alle Ewigkeit im Web gespeichert bleiben? Lieber nicht. Bessere Lösungen als manuelles Löschen sind gefragt.
Das Internet vergisst nichts. Was einmal im Web veröffentlicht wird, bleibt dort im Normalfall einfach stehen. Das hat gewiss Vorteile. Einer davon ist zum Beispiel, dass es viel leichter ist, Informationen über ein Thema zu bekommen. Ein anderer ist, dass es schwieriger wird, Dinge zu leugnen. Die Glaubwürdigkeit von Medien, Firmen und Einzelpersonen wird besser überprüfbar.
Andererseits ist ein gelegentliches «Schwamm drüber» im Leben absolut notwendig. Hat man eine Äusserung gemacht, die unüberlegt war, so ist dies mündlich in aller Regel am nächsten Tag oder zumindest ein paar Wochen später vergessen. Nicht aber im Web: Da hat man das Vergnügen, bis in an sein unseliges Ende daran erinnert zu werden. Altes hinter sich zu lassen, ist aber eine wichtige Bedingung, um weiterzukommen.
Das Löschen eigener Beiträge im Web ist eine mühselige Angelegenheit. Nicht selten ist man auf die Unterstützung von Dritten angewiesen, muss sie freundlich bitten, doch nun endlich diesen Kommentar, den man als 17-Jähriger betrunken in einem Blog hinterlassen hat, zu entfernen.
Und nicht zuletzt gibt es bei der unendlichen Haltbarkeit früher oder später auch ein Speicherproblem. YouTube beispielsweise ist ein gigantisches Verlustgeschäft, weil der Platzbedarf all der Videos jegliches Vorstellungsvermögen sprengt.
Die Idee, dass Publikationen jeder Art im Web ein Verfalldatum mit angegeben werden sollte, ist nicht neu. Doch die Umsetzung ist schwierig. Digitale Daten verfallen nicht einfach auf natürliche Weise wie ein Frischkäse, eine Musikkassette oder eine gedruckte Zeitung. Wenn die Daten mal öffentlich sind, können sie beliebig kopiert und vervielfältigt werden. Die Erfahrung mit Kopierschutz, Tauschbörsen etc. zeigt, dass es kaum möglich ist, dagegen anzukommen.
Zudem müsste man ganz grundsätzlich umdenken. Wir haben verinnerlicht, dass digitale Ware prinzipiell unbegrenzt haltbar ist.
Aber man muss ja nicht gleich alles auf den Kopf stellen. Ich wäre schon froh um kleine Verbesserungen. Beispielsweise diese: dass in Facebook Statusmeldungen nach 30 Tagen automatisch gelöscht werden. Ja, ich weiss, das ist ein naiver Wunsch.

Autor(in) David Lee



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