News 16.05.2012, 14:09 Uhr

Wenn der Richter auch Programmierer ist

Google vs. Oracle geht in die dritte Runde. Momentan sieht der Suchmaschinist wie der sichere Sieger aus. Auch, weil sich der zuständige Richter als Programmierer outet.
Der Gerichts-Streit zwischen Google und Oracle wogt hin und her. Nach Abschluss von Phase eins, in welcher Copyright-Fragen geklärt wurden, sah es für Oracle sehr gut aus (PCtipp.ch berichtete). Als es dann um Patentverletzungen ging, kam Google besser weg. Und nun, vor der entscheidenden dritten Runde, in welcher die Schadensersatzansprüche geklärt werden, hat das Pendel eindeutig zu Gunsten des Suchmaschinisten ausgeschlagen. Und das, obwohl sich beide Unternehmen zum ersten Mal einig waren.
Denn sowohl Google (in einem ausführlichen Antrag) als auch Oracle (lediglich mit einer Skizze) verlangten, dass Richter William Alsup selbst über die Patentverstösse entscheiden soll. Davon sind für Oracle lediglich zwei übriggeblieben, beide nicht wirklich substantiell: Neun Zeilen rangeCheck-Code und acht Testfiles, die so klein sind, dass Richter Alsup die ursprünglichen Forderungen von Oracle in Millionenhöhe als «Auswuchs der Lächerlichkeit» bezeichnete.
«rangeCheck ist total einfach»
Oracles Anwalt David Boies sagte daraufhin, dass die Schadenssumme vielleicht kleiner als gefordert ausfallen sollte, aber Anspruch hätten sie durchaus. Schliesslich sei da immer noch diese rangeCheck-Sache. Dieses Argument konterte Asulp auf eine Weise, die sich wohl keiner der Anwesenden ausmalen konnte: «Auch wenn ich nie Java programmiert habe, so doch eine grosse Menge Programme in anderen Sprachen», so der Richter. «Ich habe Codezeilen wie rangeCheck zuvor hundertmal geschrieben. Ich könnte diese Zeilen schreiben, sie könnten es. Die Idee, dass jemand etwas kopieren würde, das er selber gleich schnell schreiben kann, halte ich darum für einen Unfall.» Damit meint er, dass es nicht sein kann, dass der Verteidiger sagt, Google habe durch die Range-Check-Zeilen einen Wettbewerbsvorteil herausgeholt. «Sie sind einer der besten Anwälte in Amerika. Wie konnten sie überhaupt daran denken, so ein Argument vorzubringen?»
Und dann wurde es erst richtig peinlich für Oracle.
Boies: «Ich möchte auf rangeCheck zurückkommen…»
Richter: «rangeCheck! Alles was es tut, ist, sicherzustellen, dass die eingegeben Nummern innerhalb eines bestimmten Bereichs liegen und behandelt diese irgendwie speziell.» Anschliessend führte Alsup noch aus, dass auch ein High-School-Student so etwas programmieren könnte.
Es bleibt interessant
Nein, der Prozess verläuft mittlerweile wirklich nicht mehr so, wie Oracle ihn sich vorgestellt hat. Mit dieser offensichtlichen Sympathiebekundung für Google hat die Hoffnung von Larry Ellison, viel Geld aus dem Prozess zu schlagen, mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Ende gefunden. Darum muss sich der Softwarehersteller fragen, ob es sich noch lohnt, den Prozess fortzuführen. Tut er dies aber nicht, wird es schwer werden, vor anderen Jurys oder Berufungsgerichten glaubwürdig zu vertreten, dass man wirklich glaubt, von Google beklaut worden zu sein.
Nun stehen erstmal Schadensersatzforderungen an. Dazu hat Oracle Larry Page und Eric Schmidt auf seine gewünschte Zeugenliste gesetzt. Es bleibt abzuwarten, was die beiden für neue Android-Enthüllungen zu bieten haben. Aber sicher ist bereits jetzt: Auch wenn am Ende kein Geld zwischen den Firmen fliesst, die Ereignisse werden sich auch weiterhin überschlagen.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



Kommentare
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coceira
16.05.2012
«Sie sind einer der besten Anwälte in Amerika. Wie konnten sie überhaupt daran denken, so ein Argument vorzubringen?» wie kann ein scheinbar durchaus "schlauer" richter eine so "dumme" frage stellen. Ihm sollte doch bekannt sein, dass 95% aller us schadenersatzklagen von anwaelten nur und ausschliesslich wegen des honoraranteils von 35-49,9%* der genugtuungssumme ueberhaupt gefuehrt werden. :D * ein anderer richter hat mal festgestellt, dass ein "honoraranteil" von 50% und mehr sittenwidrig waere.