News 18.06.2015, 08:49 Uhr

Mehr und bessere Überwachung in der Schweiz

Der Nationalrat winkte das BÜPF durch und der Ständerat will die Schlapphüte besser überwachen
Gestern war ein guter Tag für Sicherheitspolitiker in der Schweiz. Sowohl das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernemeldeverkehrs (BÜPF) sowie das Nachrichtendienstgesetz wurden angenommen. Ersteres vom Nationalrat mit 110 zu 65 Stimmen, letzteres vom Ständerat mit 32 zu 5 Stimmen.

Staatstrojaner und erweiterte Randdatenspeicherung

Dass sich beim BÜPF die Bedenken von Netzaktivisten, Grundrechtler und vornehmlich linken Politiker nicht werden durchsetzen können, zeichnete sich schon im Vorfeld der Debatte ab. Zu geschlossen war der bürgerliche Block und auch Politiker aus dem Lager der SP zogen die Sicherheit der Freiheit vor. Die Auffassung, dass die Strafverfolger nicht vor der Technik kapitulieren müssen, obsiegte. In Zukunft dürfen die Ermittler Staatstrojaner (Gov-Ware) einsetzen und auf Randdaten der Telekomanbieter zurückgreifen. Diese werden neu verpflichtet, die Aufbewahrungspflicht von 6 auf neu 12 Monate zu erweitern. Die Anträge der Minderheit, die Randdatenspeicherung zu beschränken, waren chancenlos. Immerhin zwei kleine Siege konnte Jean Christoph Schwaab (SP) als Sprecher der Minderheit für sich verbuchen: So müssen diese Randdaten auf Servern in der Schweiz gespeichert werden und bei Problemen mit der EDV muss der Eidgenössische Datenschützer informiert werden.
In der Schlussabstimmung waren die Kräfteverhältnisse ziemlich eindeutig: Das bürgerliche Lager stimmte mehr oder weniger geschlossen für das BÜPF. Immerhin gab es bei der SVP ein paar Abweichler sowie IT-Unternehmer Ruedi Noser von der FDP. Bis das neue Gesetz in Kraft tritt, muss jedoch zuerst die Referendumsfrist abgewartet werden. Und diese wird wohl nicht ungenutzt verstreichen. Diverse Organisationen haben schon im Vorfeld angekündigt, das Referendum ergreifen zu wollen. So die Digitale Gesellschaft, die sich seit Jahren gegen das BÜPF stellt, die Swico, Jungparteien sowie der Luzerner SVP-Grossrat und Green.ch-CEO Franz Grüter.

Kabelaufklärung und Geheimdienstaufsicht

Zur gleichen Zeit debattierte der Ständerat über die Revision des Nachrichtendienstgesetz. Dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in Zukunft auch Internetleitungen anzapfen darf, wurde schon letzte Woche entschieden. Nachdem der Nationalrat das Gesetz gutgeheissen und sich dem NDB gegenüber sehr grosszügig gezeigt hatte, baute die Ständeratskomission nachträglich eine unabhängige Aufsichtsbehörde für den NDB ein. Anscheinend war es den Damen und Herren im «Chambre de réflexion» doch nicht so ganz wohl dabei, den NDB im Nachgang zur Snowden-Affäre an der ganz langen Leine zu führen. Hier kommt es noch zu einem Differenzbereinigungsverfahren mit dem Nationalrat, doch es ist davon auszugehen, dass diese unabhängige NDB-Aufsicht im Gesetz drin bleibt.

Autor(in) Marcel Hauri



Kommentare
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Gaby Salvisberg
18.06.2015
@beat9o9 Das Meinungsspektrum in der Redaktion ist breiter, als Du denkst. Hier von mir nur so viel: Für Journalisten ist die Vorratsdatenspeicherung eine üble Sache (Stichwort: Quellenschutz). Es haben aber genügend Parteien und Gruppen bereits Referenden (zwei: BÜPF und NDG) angekündigt; und ich gehe davon aus, dass die ohne Probleme zustande kommen. Wer möchte, dass wir an der Urne entscheiden dürfen, darf halt einfach zu gegebener Zeit nicht zu unterschreiben vergessen. Herzliche Grüsse Gaby

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beat9o9
18.06.2015
Angst, Brot und Spiele.... ja die Petition ist ja längst unterschrieben.... Nur bringt es ja leider nix, wenn die Bürger aufgrund einseitiger Pressemitteilungen durch Geheimdienste, immer wieder zur Überzeugung gebracht werden, dass sie nichts zu verbergen haben.....oder noch besser, sogar Angst haben, in der Schweiz würde Terrorgefahr bestehen... Mit Angstschüren kann man seine Schäfchen natürlich toll unter Kontrolle bringen. Dazu noch ein bisschen Brot und Spiele, und man hat ein einig Volk von Robotern.. Das wusste man ja bereits im römischen Reich und anderen Diktaturen erfolgreich anzuwenden... Na dann Prost!!

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Gaby Salvisberg
18.06.2015
ja die Petition ist ja längst unterschrieben.... Die Referenden gegen die neuen Gesetze (BÜPF und NDG) sind aber sicher noch nicht unterschrieben. Denn die können ja erst ergriffen werden, wenn die beiden Räte die Gesetze durchgewunken haben. Also quasi jetzt bzw. demnächst. Herzliche Grüsse Gaby

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beat9o9
18.06.2015
ja ich weiss... aber die Petition auf buepf.ch wurde nur von 14632 Personen unterschrieben... ob das beim Referendum anders sein wird... man wird es sehen... lg

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karnickel
20.06.2015
Danke für den Artikel und die Diskussion hier. Aus meiner Sicht zum Text von Gaby: Ich denke, dass ist die Kurzsichtigkeit mancher Politiker, dass Überwachung Sicherheit bringe. Überwachung ist eine Apparatur, keine Lösung zur Erhöhung der Sicherheit. Wie man Überwachung nutzt, also was man wozu sammeln möchte muss erst definiert werden. Ich würde dies machen, noch bevor ich mit Sammeln von Daten beginnen würde. So wäre viel einfacher, anschliessende Überraschungen zu vermeiden. Und siehe da, genau dies will sogar bestehendes Gesetz (Auszug): [CODE]235.1 Bundesgesetz über den Datenschutz ... 2. Abschnitt: Allgemeine Datenschutzbestimmungen Art. 4 Grundsätze ... 3 Personendaten dürfen nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. ...[/CODE] Quelle: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920153/index.html

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Nebuk
22.06.2015
Auch ein schöner Tweet zum Thema Sicherheit, Freiheit und Vorratsdatenspeicherung. Ist zwar ein deutscher Politiker (SPD) aber vermutlich denken auch hier in der Schweiz sehr viele Mensche in ähnlicher Position wie Herr Reinhold Gall. Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen. https://twitter.com/reinholdgall/status/612349394688585728 Im Falle von Deutschland heisst das, potenziell sind über 80 Millionen Menschen Kinderschänder (also alle) und müssen überwacht werden. Wenn dabei einer geschnappt wird, ist das ein riesen Erfolg. Der Zweck heiligt alle Mittel. Natürlich ist das tragisch, die KS gehören bestraft - keine Frage. Jedes Opfer ist eines zuviel. Dass bei eben den etwa 80 Millionen einige Treffer dabei sind ist klar. Aber einfach mal alle Bürger unter Generalverdacht stellen ist mehr als falsch. Man könnte gleich alle Einwohner ins Gefängnis stecken (sowas wie Nordkorea 2.0), dann hätte man ebenfalls viele Treffer bei den fehlbaren Bürgern: Räuber, Vergewaltiger, Betrüger, Mörder, Kinderschänder... Somit würde man sich auch den ganzen Aufwand der Überwachung sparen. :rolleyes: