News 06.11.2001, 10:45 Uhr

Das Sterben der Internet-Anarchie

Das Forschungsprojekt «Internet», ursprünglich ein militärisches Erzeugnis, entwickelte sich in den letzten zehn Jahren vom anarchischen Spielplatz einiger Freaks zum kommerziellen Massenmedium. Ein Rückblick auf das Ende der «guten alten Zeit».
Letzten Donnerstag hat ein kalifornisches Gericht entschieden, dass ein Quellcode auch eine Form von Sprache sei, und somit auf Grund der Redefreiheit im Netz bleiben darf - auch wenn der Code einen teuren Kopierschutz aushebelt. [1]
Damit hat die anarchische Bewegung im Netz wieder ein wenig Boden im aussichtslosen Kampf gegen Konzerne gewonnen. In den Anfängen des Internet musste man sich aber gar nicht erst Gedanken darüber machen, was man ins Netz der Netze stellte: Es interessierte niemanden, was die paar Freaks in der fremden Datenwelt trieben.
Geben und Nehmen ohne finanzielle Absichten war oberstes Gebot. Chaotisch lief es deswegen aber nicht ab: Gewisse Verhaltensregeln mussten beachtet werden. Unwissende wurden bei einem Verstoss gegen die damals noch ungeschriebene "Netiquette" [2] unverzüglich und hart bestraft, beispielsweise mit einer E-Mail-Bombe oder einem Virus. Ein perfekt funktionierendes System in einer heilen Welt.
Dann kam Geld ins Spiel.
Die oberste Internet-Instanz, die National Science Foundation (NSF) [3] schrieb 1986 ausdrücklich vor, dass das Internet nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden dürfe.
Später zog sich die NSF immer mehr zurück und gab die Verwaltung der Teilnetze schrittweise an die Privatwirtschaft ab, bis 1993 schliesslich die grosse Internethysterie die Welt erfasste.
New Economy, B2B, E-Commerce, und weitere "Services" drängten ins Web, Firmen verklagten jeden, der mögliche Verdienstquellen bedrohte. Vom ursprünglich kommerzfreien Internet war keine Rede mehr, der Gedanke des freien Gebens und Nehmens wurde zumal von abmahnenden Anwälten beschnitten.
Also zogen sich die Freaks von damals zurück und lassen ihre Kreativität heute anderen Projekten zugute kommen. Der "No Copyright"-Gedanke wird beispielsweise von der "Open-Source" [4]-Gemeinde mit Erfolg weitergeführt. Auch die Unis haben vom kommerzialisierten Datenstau die Nase voll und basteln sich ein unabhängiges Internet-2, erneut auf der alten Grundidee basierend: ein schnelles Netz für Forschung und freien Informationsaustausch. [5]
Man darf gespannt sein, ob sich die Entwicklung beim Internet-Nachfolger wiederholen wird.



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