News 17.05.2019, 08:29 Uhr

So wollen Staaten Onlineterror bekämpfen

Zum ersten Mal kommen Regierungen und Technikunternehmen zusammen, um konkrete Massnahmen im Kampf gegen Terrorinhalte im Netz zu beschliessen. Ohne die USA.
Im Kampf gegen Terrorvideos im Netz haben Internetgiganten wie Amazon, Facebook oder Google und 17 Staaten ein internationales Bündnis geschmiedet. Anlass für den Christchurch-Gipfel in Paris war der Terroranschlag in Neuseeland Mitte März mit 51 Toten. Der Täter übertrug seinen Angriff mit einer Helmkamera über Facebook zu grossen Teilen live ins Internet. Davon gibt es auch ein insgesamt 17-minütiges Video, das millionenfach angeklickt wurde.
«Es ist das erste Mal, dass Regierungen und Technikunternehmen zusammenkommen», sagte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. Sie hatte gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Initiative angestossen. «Wir haben konkrete Massnahmen beschlossen, damit sich ein Drama wie in Christchurch nicht wiederholen kann», sagte Ardern. In dem Aufruf wird versichert, dass die Grundsätze eines freien und offenen Internets sowie die Meinungsfreiheit respektiert werden.

Investitionen zum Kampf gegen Terrorinhalte im Netz

Die Internetunternehmen Microsoft, Twitter, Facebook, Google sowie Amazon begrüssten die Initiative und stellten mehr konkrete Schritte sowie Investitionen zum Kampf gegen Terrorinhalte im Netz in Aussicht. Sie betonten zugleich, dass es hier um komplexe Probleme gehe, bei denen die gesamte Gesellschaft gefordert sei.
Deutschland gehört nach Angaben des französischen Präsidialamts zu den insgesamt 17 Ländern, die den Aufruf mittragen. Weitere Staaten sind Kanada, Grossbritannien, Australien und Japan. Die riesige Wirtschaftsmacht USA ist hingegen nicht dabei.
Facebook kündigte pünktlich zum Christchurch-Gipfel neue Einschränkungen für die Plattform an. So sollen Nutzer schon nach einer schwerwiegenden Regelverletzung «eine bestimmte Zeit lang» keine Livevideos übertragen dürfen. Als ein Beispielzeitraum für eine Sperrung wurden 30 Tage angegeben. Als Beispiel für einen schwerwiegenden Regelverstoss nannte Facebook die Weiterleitung eines Links zu einer Mitteilung einer Terrorgruppe ohne Einordnung.

Deutschland als Beobachter eingebunden

Mehrere Staats- und Regierungschefs waren nach Paris gekommen, unter ihnen Jordans König Abdullah II. oder Kanadas Premier Justin Trudeau. Deutschland war laut Élysée-Kreisen als Beobachter eingebunden. Macron hatte bereits in der vergangenen Woche mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg über den Kampf gegen Hass im Netz beraten.
Frankreich führt im laufenden Jahr die Runde der grossen Industriestaaten (G7). Zudem wurde das Land in den vergangenen Jahren schwer vom islamistischen Terrorismus getroffen – rund 250 Menschen wurden getötet.
Ardern sagte, der sogenannte Christchurch-Appell sei nur ein Ausgangspunkt: «Wir werden das nicht mit einer Erklärung regeln.» Es gehe nicht um die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen. «Wir müssen jedoch wissen, wie Algorithmen unsere Gesellschaften beeinflussen können.»

Mit Strafen zum raschen Löschen zwingen

Mit dem Wort Algorithmus wird eine Reihe von Anweisungen bezeichnet, die in Computersystemen ausgeführt werden, um ein Problem oder eine Aufgabe zu bewältigen. Die Algorithmen von Facebook hatten zum Teil Probleme, von Nutzern neu hochgeladene Kopien des Christchurch-Videos zu entdecken, wenn sie etwas verändert worden waren. Facebook will nun in einem 7,5 Millionen US-Dollar teuren Forschungsprojekt gemeinsam mit Wissenschaftlern die Bilderkennung in Videoaufnahmen verbessern.
Neuseeland hatte nach dem Anschlag des australischen Rechtsextremisten rasch gehandelt und Sturmgewehre sowie halbautomatische Waffen verboten. Auch Europa war bisher im Kampf gegen Terrorpropaganda im Netz nicht tatenlos. Die EU-Kommission schlug 2018 vor, Internetfirmen unter Androhung empfindlicher Strafen zum raschen Löschen zu zwingen. Bei mehrmaligen Verstössen drohen dem Vorschlag zufolge Geldbussen. Dies ist allerdings noch nicht gültiges Recht, da die EU-Staaten und das Europäische Parlament sich noch auf eine gemeinsame Position einigen müssen.



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