Tipps & Tricks 19.03.2012, 10:35 Uhr

Strassenfotografie: Darf man das?

Manche sehen in der Strassenfotografie eine hohe Kunst; für andere ist es vor allem eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Was darf man überhaupt?
Leute auf der Strasse fotografieren – diese Disziplin der Fotografie bringt auch in Zeiten der digitalen Fotoflut immer noch neue, einzigartige und oft packende Bilder hervor. Allerdings gibt es bei der Street-Fotografie ein Problem, und das ist die Privatsphäre der fotografierten Menschen. Fremde Leute ohne deren Wissen oder Zustimmung zu fotografieren und anschliessend zu veröffentlichen, kann sowohl ethisch als auch rechtlich problematisch sein.Das ist aber vielen Leuten, die fotografieren, gar nicht bewusst. Kein Wunder: Die Rechtslage in komplex und jedem Land leicht anders. Der allergrösste Teil der vertieften Informationen, die man auf Deutsch im Netz findet, bezieht sich auf Deutschland (zum Beispiel bei Wikipedia, photoscala.de), und man kann daraus nicht automatisch Regeln für die Schweiz ableiten. Die Anwaltskanzlei Altenburger hat ein detailliertes PDF zum Recht am eigenen Bild veröffentlicht, das sich auf die Schweiz bezieht. Wer oft im Ausland fotografiert, sollte sich die iPhone-App Photographer's Rights anschauen – sie liefert Informationen zur Rechtslage in den USA, Australien, Kanada, UK, Japan, Spanien, Italien und Frankreich.
Liest man das PDF der Kanzlei Altenburger sowie die Texte, die sich auf Deutschland beziehen, kommt man zum Schluss, dass Street-Fotografie generell widerrechtlich ist und es die meisten der spannenden Bilder gar nicht geben dürfte. Offensichtlich besteht eine grosse Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Obwohl die Gesetzgebung zumindest in der Schweiz und in Deutschland die Personenfotografie ohne Einverständnis grundsätzlich verbietet, wird im Alltag trotzdem dauernd fotografiert, auch identifizierbare Einzelpersonen. So kommen Fotoneulinge gar nicht auf die Idee, dass dies ein juristisches Problem sein könnte. Die neusten technischen Errungenschaften mit miniaturisierten Digitalkameras (v.a. in Handys) verstärken dieses Phänomen natürlich. Es wird sowieso dauernd herumgeknipst, wer sich dagegen wehrt, kämpft gegen Windmühlen. Gleiches gilt auch für das Veröffentlichen: Vor 20 Jahren waren die Möglichkeiten zur Veröffentlichung überschaubar und standen nicht jedem offen. Heute ist es sogar einfacher, ein Foto zu veröffentlichen als ein Dokument auszudrucken. Diesen neuen Umständen hat die Gesetzgebung bis jetzt keine Rechnung getragen. Das deutsche Gesetz zum Recht am eigenen Bild stammt laut Wikipedia aus dem Jahr 1907.
Interessant für die Rechtslage in der Schweiz ist dieser Passus aus dem oben erwähnten PDF: «Eine stillschweigende Einwilligung kann sich jedoch aus der Art ergeben, wie sich jemand in der Öffentlichkeit verhält. Wer sich an die Öffentlichkeit wendet, willigt damit ein, dass sich diese im entsprechenden Umfang mit ihm befasst.» Daraus ergibt sich zum Beispiel, dass das Fotografieren an der Street Parade unproblematisch ist. Wer sich auffällig kleidet und für die Kamera posiert, gibt eben diese «stillschweigende Einwilligung».
Unproblematisch: Menschenmenge, aus der niemand heraussticht (aus dem Fotowettbewerb EM 08, Urs Kenzelmann)
Ausserdem ist es unproblematisch, Personen zu fotografieren, die nicht identifizierbar sind. Trotzdem sind gerade die spannendsten Fotos, die Street-Fotografen produzieren, zu einem grossen Teil juristisch nicht ganz sauber. Im Alltag ergeben sich daraus aber meist keine Probleme, besonders dann nicht, wenn man keine unvorteilhaften Fotos veröffentlicht. Eine unerkannt fotografierte Person müsste sich auf einer Internetseite zufällig entdecken und sich am Bild von sich selbst dermassen stören, dass sie Klage einreicht. Der Schweizer Thomas Leuthard hat eine «Waschanleitung» zur Street-Fotografie geschrieben und meint zum Thema:
«Wenn du vorher fragst, wird es kein gutes Fotos geben. Wenn du nachher fragst, musst du ein gutes Foto löschen. Also frage ich erst gar nicht. Klar darf man nicht einfach Leute fotografieren, aber das ist genau das Problem der Street-Fotografie. Ich denke, diese ginge zu weit, wenn ich nun noch alle Gesetze und Rechte der Leute aufzählen würde. Informiert euch, was in eurem Land gilt und erlaubt ist. Schätzt selber ab, wie weit ihr gehen wollt. Ich gehe meinen Weg solange, bis einmal einer kommt und ich Probleme bekomme. Dann muss ich wohl über die Bücher gehen.»
Für Interessierte noch die Links zu zwei längeren lesenswerten Beiträgen:
Martin Gommel von kwerfeldein.de handelt die rechtliche Situation in Deutschland ab und ergänzt diese mit seinen Alltagserfahrungen.
Michael Mahlke zeigt Beispiele, die seiner Meinung nach trotz Recht am eigenen Bild drin liegen und warum. Man sieht hier aber deutlich, dass es eine grosse Grauzone gibt. In den Kommentaren meldet sich denn auch ein Rechtsanwalt zu Wort, der teilweise widerspricht. (Update Februar 2013: Der Artikel ist inzwischen an einem anderen Ort und kostenpflichtig.)

Autor(in) David Lee



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