Tests 13.05.2014, 06:00 Uhr

Fitnessarmband Jawbone Up 24 im Test

«Verbinde dein Band und starte in dein gesünderes Leben.» Mit solchen Versprechungen nimmt Jawbone den Mund ziemlich voll. Der Bewegungsmesser im Test.
Statistiken sollen zu mehr Leistung anspornen
Das Jawbone Up 24 ist ein Armband, das Bewegungen misst. Dadurch, dass man seine Aktivität protokolliert, soll man sich im Klaren darüber werden, ob man genug Bewegung hat. Auch Schlaf und Ernährung lassen sich kontrollieren. Nichts weniger als ein besseres Leben verspricht der Hersteller. Wer wäre nicht bereit, dafür läppische 170 Franken zu zahlen?
Der Unterschied zwischen Jawbone Up und dem hier getesteten Up 24 besteht darin, dass Letzteres drahtlos mit dem Smartphone synchronisiert. In der App, die es dafür verwendet, werden die gemessenen Bewegungen als «Schritte» bezeichnet, aber natürlich sind es keine Schritte, sondern eben Armbewegungen. Wenn ich zum Beispiel Velo fahre, wird dies nicht berücksichtigt, weil ich die Arme dabei kaum bewege. Schwimmen kann ich nicht messen, weil das Armband zwar spritzwassergeschützt, aber nicht wasserdicht ist. Es gibt eine Menge Aktivitäten, die falsch oder gar nicht gemessen werden. In der App kann man diese zwar von Hand eintragen, aber dafür braucht man kein Jawbone-Gadget – ein Notizbuch oder ein Excel-File täten es auch.
Sportnachmittag: Spielpausen sind deutlich zu erkennen
Immerhin: Beim normalen Spaziergang stimmt die Schrittzahl recht genau, wie ich durch Mitzählen überprüft habe. Bestimmt wäre das Band auch zum Joggen bestens geeignet, ich selbst jogge aber nie.
Die einzige sportliche Aktivität, die ich regelmässig betreibe und die Jawbone Up 24 messen kann, ist Fussball. Es ist durchaus witzig, in der Grafik zu sehen, wann Pause war oder wann ich im Goal stand. Doch, was bringt es mir, zu wissen, dass ich an einem Fussballnachmittag (angeblich) 14'314 Schritte gerannt bin? Interessant wäre ein langfristiger Vergleich, um zu sehen, wie stark man über die Jahre hinweg abbaut. Aber wer hat schon die Geduld, das so lange durchzuziehen?
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Schlafuntersuchungen
Das Schlafdiagramm ist interessant - aber kann man ihm trauen?
Letztlich weiss man ja auch ohne Messgerät, ob man sich an einem Tag eher viel oder wenig bewegt hat. Interessanter scheint, dass man seine Bewegungen auch in der Nacht messen kann, denn das bleibt einem ohne Messung völlig unklar. In einer Grafik stellt die App dar, wann und wie viel man tief geschlafen hat, wie gross die unruhigen Phasen oder gar Wachzeiten sind.
Gleich in der ersten Nacht legte ich angeblich 411 Schritte oder 320 Meter zurück. Ich fand mich jedoch nicht an der nächsten Tankstelle wieder, sondern im Bett – ich bin kein Schlafwandler. Skepsis gegenüber der Messmethode machte sich breit. Jawbone Up 24 attestierte mir generell einen leichten und unruhigen Schlaf, unabhängig davon, ob ich Sport getrieben hatte oder nicht. Aber bedeutet die Tatsache, dass ich mich im Schlaf häufig bewege, dass ich zwingend ungesünder schlafe? Das wage ich zu bezweifeln. Umgekehrt gibt es Leute, die stundenlang wach im Bett liegen, ohne sich zu bewegen. Hier würde Jawbone Up 24 wahrscheinlich kerngesunden Tiefschlaf diagnostizieren.
Das Jawbone Up 24 lässt sich auch als Schlafphasenwecker verwenden. Das Band vibriert in einem wählbaren Zeitraum vor der eigentlichen Weckzeit, sobald es anhand der Bewegungen zum Schluss kommt, dass man sich in einer Leichtschlafphase befindet. Das erleichtert das Aufstehen, auch wenn man ein paar Minuten weniger schläft – so zumindest die Theorie.
Da ich mich nach Meinung von Jawbone am frühen Morgen fast immer in einer Leichtschlafphase befand, funktionierte das aber nicht richtig. Ich wurde jeweils einfach eine halbe Stunde zu früh geweckt. Das Band versuchte mich obendrein auch noch zu wecken, wenn ich schon längst aufgestanden war und dies auch durch den Wechsel in den Tagesmodus deklariert habe.
Ein weiterer Vibrationsalarm geht los, wenn man sich tagsüber eine Zeitlang nicht bewegt. Diese Funktion ist standardmässig ausgeschaltet. Im Test vibrierte das Band aber trotzdem. Erst einschalten und wieder ausschalten stellte den Alarm ab.
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Für wen eignet sich das Gerät?
Gegenfrage: Würdest du neue Knochen aus Salat herstellen?
Der Nutzen des Jawbone Up 24 ist individuell sehr verschieden. Es kommt auf die Sportarten an, die man betreibt, aber auch, was für ein Charaktertyp man ist und welche persönliche Einstellung man zur Selbstvermessung hat. Wer kein Problem damit hat, sein eigenes Leben als Spiel zu sehen, bei dem es gilt, möglichst viele Punkte zu sammeln, ist sozusagen voll kompatibel. Ausschlaggebend ist auch, wie stark sich jemand durch Punkte, Grafiken und Prozentwerte motivieren lässt, sich mehr zu bewegen. Falls das nichts hilft, kann man sich dem Gruppendruck aussetzen: Freunde, die ebenfalls ein Jawbone-Band benützen, können sich zu einer kleinen Community zusammenschliessen. Innerhalb dieser sind die Aktivitäten von anderen sichtbar, lassen sich vergleichen und kommentieren. Es ist möglich, gewisse Informationen für diese Freunde unsichtbar zu machen. Vielleicht möchte man ja nicht anderen zeigen, was man in der Nacht so treibt.
Lebenshilfe auf Kindergartenniveau
Das Band kann, wie gesagt, nichts weiter, als Armbewegungen aufzeichnen, aber trotzdem tut es so, als könnte es unser Leben verbessern. Eine grosse Diskrepanz, die auch durch die Zusatzfunktionen in der App nicht aufgehoben werden kann. Beispielsweise soll ich dort mein Essen und Trinken protokollieren. Das ist sehr aufwendig und am Schluss doch sehr ungenau. Es stellt sich die Frage, wozu man das tun soll. Die meisten Leute wissen ja eh ungefähr, was gesund ist und was nicht. Und so ganz genau weiss es auch die Wissenschaft nicht.
Eher dümmlich sind die Tipps für ein besseres Leben
Jeden Tag werden neue «Tipps» eingeblendet, wie man gesünder leben könnte. Diese sind aber eher lächerlich als nützlich. Man wird belehrt, dass genug Schlaf gesund ist, wenig Schlaf jedoch – wer hätte das gedacht – eher schlecht. Mir wurde empfohlen, jetzt, gleich sofort mit Küssen zu beginnen, und zwar einzig und allein deswegen, weil es gesund sei. Interessant auch der Hinweis, dass mehr Schlafen zu weniger Stress führt. Da hat wohl jemand Ursache und Wirkung verwechselt. Apropos Stress: Das ist wohl die Hauptursache für ein ungesundes Leben in der westlichen Welt, und dagegen hilft dieses Armband nicht. Im ungünstigsten Fall erhöht es sogar den Leistungsdruck und führt zu einem Protokollierwahn, der einen daran hindert, einfach mal abzuschalten.
Pausen sind im Jawbone-Konzept nämlich nicht vorgesehen. Es ist nicht möglich, das Armband auszuschalten. Hat man einmal genug von der Selbstvermessung, gibts in der App leere Einträge.
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Die Hardware
Das Band ist sehr leicht, reizt die Haut nicht und stört auch bei ständigem Tragen kaum. Es ist in drei Grössen erhältlich und zudem flexibel genug, um nicht ganz genau passen zu müssen. Es scheint auch recht robust zu sein, jedenfalls hat es eine mehrwöchige, eher ruppige Testzeit unbeschadet überstanden. Der Akku hält locker eine Woche – diesbezüglich ist es sicher von Vorteil, dass das Gerät kein GPS eingebaut hat. Das Einzige, was stört: Das Band ist sehr dick. Mit einem Stift schreiben geht schlecht, Pulli ausziehen wird zur unfreiwilligen Slapstick-Nummer.
Unterstützt wenig Geräte
Um das Jawbone Up 24 nutzen zu können, braucht man eine App, die nur auf Apple iOS 6.0 oder höher sowie Android 4.3 oder höher läuft. Zusätzlich wird Bluetooth 4.0 benötigt, wodurch z.B. das iPad 2 ausscheidet. Für Android werden überhaupt keine Tablets unterstützt und die Zahl der Smartphones ist recht gering. Hier kann man schauen, ob das eigene Gerät dazu gehört: https://jawbone.com/up/devices.
Datenverwendung
Die App gleicht alle Messdaten sofort über das Internet ab, selbst dann, wenn man nicht mit anderen Leuten interagiert. Das lässt sich nicht ausschalten. Die Daten lassen sich in zahlreichen anderen Anwendungen weiterverwenden und mit anderen persönlichen Daten verknüpfen. So kann man irgendwelche Abnehm-, Wellness- oder Fitnessprogramme starten, die teilweise kostenpflichtig sind, immer aber eine Registrierung erfordern. Darauf muss man sich aber nicht einlassen, wenn man kein gutes Gefühl dabei hat.
Fazit
Jawbone Up 24 kann eine Hilfe sein für Menschen, die ihren Lebensstil hinterfragen, untersuchen oder gerne ändern möchten. Entscheidend für den Nutzen ist die Frage, wie stark man sich durch Selbstvermessung zu mehr Bewegung motivieren kann. Dass man durch den simplen Kauf eines Gadgets automatisch in ein gesünderes, besseres Leben startet, ist aber natürlich Quatsch.
Das Testgerät wurde uns freundlicherweise von digitec zur Verfügung gestellt.

Testergebnis

Akkulaufzeit, Tragkomfort, Schlafstatistiken
Für viele Sportarten ungeeignet, fehlerhafte Vibrationsalarme, merkwürdige Lebensberatung, unterstützt wenige Geräte

Details:  Bewegungsmesser, Bluetooth 4.0, für bestimmte iOS- und Android-Geräte

Preis:  Fr. 169.-

Infos: 
www.jawbone.com

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Autor(in) David Lee



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