News 30.10.2013, 10:11 Uhr

Geplante Obsoleszenz: SKS stellt Forderungen

Die Stiftung für Konsumentenschutz deckt auf und klagt an: Hersteller lassen ihre Produkte bewusst altern. Und sie fordert eine 5-jährige Gewährleistungspflicht von den Herstellern
Wer kennt es nicht: Der Drucker gibt plötzlich den Geist auf, der Fernseher bleibt schwarz oder die Tastatur des Laptops zerlegt sich in Einzelteile. Oft treten solche Schäden kurz nach Ablauf der Garantiefrist von 2 Jahren auf. Zufall oder nicht? Die Stiftung für Konsumentenschutz SKS meint klar: Kein Zufall. Und sie ist nicht alleine. Die geplante Veralterung oder Obsoleszenz hat System. Als Erfinder figuriert der GM-Präsident und Autobauer Alfred P. Sloan, der seinen Autos aus den 20er-Jahren alle drei Jahren neue Konfigurationen verpasste. Ein anderes Beispiel ist das Phoebuskartell, welches die Glühbirne nur noch 1000 Stunden brennen liess (dass es auch anders geht sieht man hier). Theoretisch aufgearbeitet wurde das Konzept in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts von Bernard London. Für ihn war die geplante Veralterung ein Heilmittel zur Überwindung der grossen Depression. Ein interessanter Film zur geplanten Obsoleszenz finden Sie hier.

Über 400 Fälle dokumentiert

Die Stiftung für Konsumentenschutz SKS hat seit Mai über 400 Fälle dokumentiert (PDF), die klar in die Kategorie geplante Obsoleszenz gehören. Über die Hälfte der eingegangenen Meldungen betreffen Computer, Drucker, Kopierer, Audio, TV, Video und Telekommunikationsmittel. Nach der Begutachtung der Fälle durch unabhängige Experten lässt sich folgendes festhalten:
Der Verschleiss oder die Veralterung ist in den einen Fällen geplant und in den anderen Fällen bewusst in Kauf genommen.
Auch verfügt der Konsument beim Kauf oft nicht über wichtige Informationen. Anina Hanimann, Co-Projektleiterin der Studie sagt dazu: «Konsumenten müssen am Verkaufspunkt kritische Fragen stellen, wie etwa zur Reparierbarkeit oder geplanten Lebensdauer eines Produkts. So kann ein gewisser Druck auf Hersteller und Anbieter ausgeübt werden.»
Denn oft sind es Kleinigkeiten, die zu einem Ausfall führen, zum Beispiel:
  • Verwendung von unterdimensionierten Bauteile, speziell bei Netzteilen
  • Kondensatoren werden bewusst in der Nähe von Hitzequellen platziert, was die Lebensdauer verkürzt
  • nicht leerbare Resttintenbehälter bei Druckern
  • zu schwach ausgelegte Bauteile, zum Beispiel bei Laptop-Tastaturen.
Die defekten Teile kosten meistens nicht mehr wie ein paar Franken. Doch das Problem ist ein anderes, nämlich sehr oft die Nicht-Reparierbarkeit der Produkte. Dies wird durch folgende Massnahmen gefördert:
  • Gerät wird absichtlich nicht reparaturfreundlich gebaut
  • Geräte werden verklebt oder mit Einwegmechanismen zusammengesteckt
  • Ersatzteile werden nicht mehr hergestellt
Am meisten Meldungen sind zu Produkten von HP, Apple und Samsung eingegangen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass diese Hersteller in der Schweiz eine dominante Rolle innehaben. Doch die Liste der weiteren Hersteller im Consumer-Electronics-Bereich ist lang und zeigt, wie systematisch die geplante Alterung betrieben wird. Es sind dies: Acer, Brother, Dell, De Longhi Epson, Garmin, HTC, Lenovo, LG, Nokia, Philips, Sony und Toshiba (keine abschliessende Liste). PCtipp wird die Hersteller mit den Vorwürfen konfrontieren.

Experten sind sich einig

Die SKS hat Experten nach einer Einschätzung gefragt. Edbil Grote, Geschäftsführer der deutschen HTV GmbH und Anbieter eines Gütesiegels gegen geplante Obsoleszenz wird vom SKS mit folgenden Worten zitiert «Wir sind davon überzeugt, dass Hersteller absichtlich Schwachstellen in ihr Produkt einbauen. Wir haben in den letzten 24 Monaten sehr viele unterschiedliche Geräte untersucht und diese Schwachstellen häufig festgestellt. Wir haben zahlreiche Beweise hierfür.» Auch die Materialprüfer der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt EMPA finden klare Worte, wie das Video unten zeigt.
Ein beliebtes Gegenargument der Hersteller ist, dass Konsumenten billige Produkte wollen und dass der Wettbewerbsdruck keine langlebigeren Produkte erlaube. Wir wollen es gleich selber wissen: Was ist ihre Haltung? Nehmen sie gleich an der Umfrage teil!

SKS will höhere Mindestgarantiedauer

Für Anina Hanimann ist auf Grund der Resultate klar, dass die Politik aktiv werden muss. «Wir fordern eine Erhöhung der gesetzlichen Mindestgarantiedauer auf fünf Jahre.» Auch die Umkehrung der Beweislast ist der SKS ein grosses anliegen. «Es kann doch nicht sein, dass der Konsument beweisen muss, dass ein Produkt fehlerhaft ist. Der Hersteller muss beweisen können, dass ein Produkt-Fehler durch falsche Anwendung des Konsumenten zustande kam» sagt sie gegenüber PCtipp. Für den Konsumenten sei es heutzutage beinahe unmöglich, nach Ablauf der Garantie den Hersteller zur Rechenschaft zu ziehen.
Zusätzlich fordert die SKS eine Angabe der Mindest-Lebensdauer, für die ein Produkt ausgelegt ist sowie eine Kennzeichnung für die Reparierbarkeit.
Weitere Informationen zur geplanten Obsoleszenz von der SKS finden Sie hier. PCtipp bleibt am Thema dran. Diskutieren Sie auch in unserem Forum. Was halten Sie davon? Sind Sie bereit, mehr für ein qualitativ besseres Produkt zu bezahlen?

Autor(in) Marcel Hauri



Kommentare
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POGO 1104
31.10.2013
Der Film ist im Redaktionsbeitrag schon verlinkt! Trotzdem: SEHR sehenswert ! (Die ganzen 75 Minuten)