Kommentar 03.07.2009, 08:54 Uhr

Erlebnisorientiert

Früher gab es das Suchergebnis. Heute gibt es das Sucherlebnis. Die dafür Verantwortlichen können was erleben.
«Das Erlebnis ist ein Ereignis im individuellen Leben eines Menschen, das sich vom Alltag des Erlebenden so sehr unterscheidet, dass es ihm lange im Gedächtnis bleibt», sagt Wikipedia. PR-Texter sehen das natürlich etwas anders, sind sie doch dazu verdammt, auch die banalste Selbstverständlichkeit als absolut aussergewöhnlich darzustellen. So wird zum Beispiel eine Suchtaste auf einem Handy zu einem Erlebnis. Und zwar nicht zu einem gewöhnlichen, sondern zu einem «natürlichen, kontextbasierten Sucherlebnis». So der Pressetext zum neuen Touch-Handy HTC Hero. Wir eröffnen also einen Edit-war im Wikipedia-Eintrag, indem wir ihn wie folgt ändern:
Das kontextbasierte Sucherlebnis ist ein natürliches Ereignis im natürlichen Leben eines Menschen, das sich vom Alltag des Erlebenden so sehr unterscheidet, dass es ihm lange im RAM-Speicher haften bleibt.
Im Vergleich direkt bodenständig ist Konkurrent LG in der Pressemeldung zum Viewty Smart, mit «dem Fokus, Fotografieren zu erleichtern und zu einem noch schöneren Erlebnis für den Benutzer zu machen». Sunrise bietet seit Kurzem ein neues «Surf Erlebnis» (sic!) an. Dieses bietet aber nicht die perfekte Welle, sondern einen neuen Preisplan. Samsung verkündet zum Star S5230: «Der einfache Zugriff auf Social-Communities sowie die Shazam-Musikerkennung bereichern das Multimediaerlebnis.» Sony Ericsson lässt verlauten, dass das W395 «für das ultimative Unterhaltungserlebnis sorgt». Nokia-CEO Olli-Pekka Kallasvuo sagt zum N97: «Wir geben Ihnen als Nutzer die Möglichkeit, die Welt um einen herum richtig zu erleben.» Danke! Was würde ich bloss ohne Nokia machen? Vermutlich die Welt um mich herum falsch oder gar nicht erleben.
«Herbert stand und erlebte noch immer», ist ein Satz aus Max Frischs Homo faber, der mir im Gedächtnis haften geblieben ist. Herbert, das war einer, der schon in den 1950er-Jahren immer alles filmte. Das war schon damals nötig – denn wer kann schon ohne technische Hilfsmittel dauernd so ultimativ erleben?

Autor(in) David Lee



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