News 21.02.2000, 11:30 Uhr

Viel Lärm um MP3

Neue Dienstleistung von MP3.com macht Nutzern das Hören der eigenen CD-Sammlung von überallher möglich. Die US-Plattenindustrie hält von solchen Innovationen nichs und klagt an.
Wann immer ich meinen Nachbarn im Treppenhaus treffe, trägt er einen Stapel CDs unterm Arm. Ohne seinen Sound hält es der Musikfreak keine Minute aus. So bugsiert er ihn täglich zwischen Büro und Wohnung hin- und her. (Als ehrliche Haut brennt er ihn nicht auf Rohlinge und kopiert ihn auch nicht auf Kassette oder Minidisc). Doch jetzt ist Schluss! Eine clevere Idee hat ihn entlastet:
"My.MP3.com"[1] heisst der innovative Service, der es Musikfans ermöglicht, ihre liebsten Hits im MP3-Format von überall auf der Welt online abzurufen. Gespeichert sind die Musikstücke bei Erfinderin MP3.com[2], die Auswahl kann sich sehen lassen. Einzige Voraussetzung: Anwender oder Nutzerin müssen im Besitz der CD mit dem betreffenden Titel sein. Geprüft wird dieser Sachverhalt mittels einer Software, die kostenlos bei MP3.com heruntergeladen werden kann. Selbst bei MP3 gerade erst online bestellte und per Kreditkarte bezahlte CDs kann man geniessen, sobald die Kaufbestätigung per Mail eingetroffen ist. Vorbei ist das lange Warten aufs erste Mal, kaufen und lauschen, lautet die berückend simple Devise. Soweit so gut.
Wer nicht mit blauen Augen durch die WWWelten schreitet, weiss: Das kann nicht lange gut gehen. Und tatsächlich: schon stehen sie vor der MP3.com-Tür und klagen an. Sie, das ist der Zusammenschluss amerikanischer Plattenfirmen RIAA[3] und geklagt wird wegen Copyright-Verletzungen. Angeblich verstösst dieser Service gegen urheberrechtliche Bestimmungen, weil ein unzulässiges digitales Archiv geschützter Musik zu Verfügung gestellt wird, deren Rechte aber nicht bei MP3 liegen. Angesichts der Tatsache aber, dass 1. nur Scheiben zugänglich sind, die der User besitzt, 2. für eine vernünftige Hörqualität ein sehr schneller Internetanschluss nötig ist und 3. die Musikdaten vom MP3.com-Server nicht auf die Festplatten heruntergeladen werden können, mutet das Tamtam lächerlich an. MP3.com hat auch prompt zurückgebellt: Verklagt wird die US-Plattenbranche, weil sie Anbieter wie MP3.com in unfairerweise zu untergraben suchte. Sie weisen daraufhin, dass die RIAA sich in die private CD-Nutzung der Hörerschaft einmische. Verliert MP3.com den Prozess, geht das gehörig ins Geld. Mit dem Verschwinden der Website muss gerechnet werden.
Bis dahin aber fliesst noch manches MB durch die Datenleitungen, mein Nachbar lädt sich die neue Version 2.6 des MP3-Players WinAmp von der PCtip-Website[4] und erfreut sich des innovativen Features.



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