Tipps & Tricks 26.06.2012, 12:54 Uhr

Ein Auge fürs richtige Bild

In einem Experiment verglich Nikon die Arbeitsweise von Profifotografen mit derjenigen eines Amateurs. Aus den Ergebnissen können Hobbyknipser einiges lernen.
Nikon führte laut eigenen Angaben mit einem Eyetracking-Forschungsunternehmen ein Experiment durch, bei dem die Augenbewegungen von Profifotografen verschiedener Sujets beim Komponieren und Aufnehmen eines Bildes analysiert wurden. Diese Daten wurden mit der Herangehensweise eines Amateurfotografen bei den gleichen Motiven verglichen.
Die Reisefotografie-Aufnahmen fanden an einer belebten Touristenattraktion, die Naturaufnahmen in einem Waldgebiet und die Event-Aufnahmen in einer beliebten Bar statt. Die Profifotografen und der Hobbyfotograf nahmen ihre Fotos unter den gleichen Testbedingungen und mit der gleichen Kamera auf.
Natürlich ist das, was wir sehen, auch davon abhängig, was sich im Gehirn abspielt. Eyetracking kann nur die äusserlich sichtbaren Blicke untersuchen. Trotzdem hat das Experiment offenbar einige sehr klare Unterschiede zwischen Profis und Amateur gezeigt. Und daraus ergeben sich auch Hinweise, wie man es besser machen kann.
Profis lassen sich mehr Zeit
Die Profifotografen benötigten zwischen 10 und 10:45 Minuten, um durch Herumlaufen den besten Aufnahmestandort zu finden und ein Bild zu erzielen, das ihrer Ansicht nach das Motiv am besten einfängt. Im Durchschnitt benötigten sie bei den drei Aufnahmeszenarien 10:22 Minuten Zeit. Das ist dreimal länger als beim Amateurfotografen: Er benötigte bei den drei Szenarien durchschnittlich 2:43 Minuten, um das beste Bild zu erzielen. Maximal liess er sich 3:30 Minuten Zeit.
Auch für die Aufnahme selbst nahm sich der Profifotograf durchschnittlich 15 Sekunden mehr Zeit bis zur finalen Aufnahme. Dies war bei der Event-Fotografie besonders wichtig.
Eventfotografie - Amateur
Profis probieren mehr aus
Es passiert leicht, dass man sich in einer Aufnahmesituation nur auf einen Bereich konzentriert, von dem man denkt, dass er das beste Bild ermöglicht, und andere erstklassige Aufnahmemöglichkeiten übersieht. Laut des Berichts von Nikon prüften die Profis bei allen drei Szenarien beständig eine grössere Zahl unterschiedlicher Aufnahmemöglichkeiten als der Amateurfotograf. Während Letzterer acht potenzielle Aufnahmen in Erwägung zog, waren es beim Profifotografen 29. Das sind mehr als 3,5-mal mehr Optionen, um aus einem Motiv die beste Aufnahme zu machen.
Am auffälligsten war dieser Aspekt bei der Reisefotografie. Der Amateur erwog nur zwei verschiedene Szenarien, der Profi dagegen zwölf. Die Profis gingen ausserdem sehr überlegt vor und schenkten allen Elementen der Szenerie die erforderliche Aufmerksamkeit. Bevor der Amateurfotograf sich für die beste Aufnahme entschied, huschte sein Blick in der Aufnahmeszenerie umher, ohne dass er sorgfältig verschiedene Optionen in Betracht zog oder sich genügend Zeit nahm, um andere Blickwinkel auszuprobieren.
Reisefotografie - Amateur
Reisefotografie - Profi
Verschiedene Blickwinkel
Einer der Punkte, in denen sich Amateur- und Profifotograf am deutlichsten unterschieden, war die Art und Weise, wie sie den Bildausschnitt wählten. Die Profifotografen prüften jede nur denkbare Aufnahmeposition – der Reisefotograf ging bei dem Motiv zum Beispiel hinter einige Strandhütten, um nachzusehen, ob dort etwas Interessantes einzufangen ist, während der Naturfotograf vom normalen Weg ins Gebüsch abbog, um die Umgebung auf eine ungewöhnlichere Weise zu betrachten. Der Event-Fotograf betrachtete sogar eine Zeit lang die Decke des Veranstaltungsorts, weil sie geschwungen war und er dachte, dass sie einen guten Rahmen für die Aufnahme bilden könnte.
Der Amateurfotograf dagegen sah einfach in die Richtung, in die er ging, oder direkt auf das, was gemäss seiner Entscheidung sein nächstes Motiv sein würde.
Naturfotografie - Amateur
Weniger ist mehr
Bei ihren endgültigen Bildern konzentrierten sich die Profis allesamt auf einen bestimmten Teil der Szenerie, die sie aufnahmen. Der Amateur hingegen war damit beschäftigt zu versuchen, alles ins Bild zu bekommen, um die gesamte Szenerie einzufangen. Die Profis verbrachten mehr Zeit damit, den interessantesten Aspekt zu ermitteln und zu prüfen, welches der beste Blickwinkel ist, um diesen zu fotografieren.
Profis machen das Beste aus den Umständen
Die Profifotografen stellten sich schnell auf die Bedingungen jedes Szenarios ein und nutzten diese zu ihrem Vorteil. Der Reisefotograf kontrastierte die hellen Strandhütten mit den tristen Wetterbedingungen und lotete die Gegenüberstellung natürlicher und menschengemachter Strukturen aus. Er zog ausserdem verschiedene Kompositionen in Betracht, einschliesslich solchen mit Schirmen, weil sie ein ansonsten einfaches Bild um eine interessante Form ergänzten.
Die Fotografen
Andreas Schmidt ist ein deutscher Fotograf, der auf Architektur- und Reisefotografie spezialisiert ist. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: eines über Las Vegas und eines über das Londoner Finanzviertel The City. Laurent Baheux ist ein französischer Natur- und Tierfotograf. Er hat acht Jahre lang Wildtiere in Afrika fotografiert. Duncan Soar schliesslich ist ein englischer Event-Fotograf, der regelmässig auf Preisverleihungen, Unternehmensveranstaltungen und privaten Festen fotografiert. Will Painter, der Amateur, ist begeisterter Hobbyfotograf, hat jedoch nie formale Kurse oder Schulungen zur Fotografie besucht.

Autor(in) David Lee



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