News 14.02.2005, 13:45 Uhr

Grossbetrug auf eBay?

Ein deutscher eBay-Verkaufsprofi zog hunderte über den Tisch und verursachte einen Schaden weit über 100'000 Franken. Gleichzeitig kursieren wieder Phishing-Mails im Netz, die an Kredikartennummern und eBay-Passwörter wollen.
"Als Käufer können Sie sicher sein, dass eine Transaktion mit einem PowerSeller besonders kundenfreundlich, schnell und problemlos abläuft". Sagt eBay. Baris Sener war PowerSeller - und zog hunderte über den Tisch. Er verhökerte über eBay massenhaft elektronische Neugeräte. 1 GB MDT-RAM für schlappe 100 Euro, 200 GB-Festplatten für 70 Euro. Die Schnäppchenjäger jubelten und langten zu. Per Vorkasse zahlten sie bedenkenlos ein. Denn eBay-Mitglied "sener4ever", mit richtigem Name Baris Sener, war ja PowerSeller. Eine eBay-Auszeichnung, die für Seriosität bürgt. Zu Beginn lieferte er auch. Bis er Anfangs Februar untertauchte.PowerSeller "sener4ever" Baris Sener
Nur wenige eBay-Nutzer waren schon zu Beginn misstrauisch. So wie Fabian Hoppe vom Hardware-Shop www.overclocking-ram.de [1] . Er sprach im Forum HardwareLuxx [2] früh Klartext. "Seners Preise lagen massiv unter dem Einkaufspreis", wusste Hoppe. "Allein mit den vier Auktionen zu den MDT-Speichern hätte Sener auf eBay einen Realverlust von 40'000 Euro erwirtschaftet" führt Hoppe weiter aus.
Stolperten die Geschädigten einfach über ihren "Geiz ist geil"-Wahn? "Eigentlich müsste man stutzig werden, wenn über eBay Neuware für Preise verkauft wird, die bis zu 40 Prozent billiger sind, als in irgend einem Webshop in Deutschland", findet Hoppe. Doch er nimmt die Geschädigten auch in Schutz: "Sener hatte ein sehr gutes Bewertungsprofil. Und ein PowerSeller-Status wurde ihm von eBay ebenfalls verliehen."
Geschädigte formieren sich
Als Sener plötzlich keine Ware mehr lieferte, aber immer noch einkassierte, formierte sich Widerstand. In einem eBay-Forum [3] tauschen sich die geprellten Käufer aus. Über 1000 Mitglieder sind dort versammelt, nicht alle gehören jedoch zu den Geschädigten. Viele erstatteten Anzeige bei den zuständigen Behörden. Die geben sich zugeknöpft. Die Polizeistelle Gütersloh [4] verweist auf die Staatsanwaltschaft in Bielefeld. Der dort zuständige Beamte will zum Fall Sener keine Auskunft geben. Immerhin sagt er: "Die Staatsanwaltschaft gibt immer dann keinen Kommentar ab, wenn sie befürchtet, dass durch Pressemeldungen Ermittlungserfolge gefährdet werden." Gemäss mehreren Berichten von Leuten, die Anzeige erstatteten, ist Sener untergetaucht. Bei der Polizei sei er bereits aktenkundig und werde von den Behörden gesucht. An der Adresse, die er als eBay-PowerSeller angab, war er offenbar nie gemeldet.
Das sagt eBay
Am 6. Februar sperrte eBay Deutschland Verkäufer sener4ever und versandte an alle Mitbieter eine E-Mail, in der vor Baris Sener gewarnt wurde. Joachim Guentert, Presseverantwortlicher für eBay Schweiz, gibt zu bedenken, dass nicht unbedingt ein Betrugsfall vorliegen muss. "Der Fall folgt keinem klassischen Betrugsmuster. Dieser User hat sich offensichtlich nicht zuerst mit billigen Waren sehr viele positive Bewertungen geholt, um danach sehr teure Waren anzubieten und abzukassieren. Das wäre der klassische Weg - und würde von uns auch schnell bemerkt." Laut Guentert könnte es sich auch um ein klassisches "Broking" handeln, das immer mal wieder vorkomme. Unter "Broking" versteht Guentert, dass ein eBay-Nutzer plötzlich Lieferprobleme bekomme, auf eBay aber die Waren bereits zum Verkauf anbiete. Dies ergebe dann innert kurzer Zeit eine Kettenreaktion: schlechte Bewertungen, verunsicherte Käufer, Anzeigen gegen den eBay-Benutzer. Kurz: Anbieter Sener könnte sich laut Guentert auch schlicht übernommen haben. "eBay nimmt die Sicherheit nicht auf die leichte Schulter", sagt Guentert. In Deutschland arbeite eBay eng mit dem Verfassungsschutz zusammen. "Wenn man bedenkt, dass in Deutschland ca. 53% der Internet-Nutzer auch eBay-Benutzer sind, ist die Betrugsquote klein". Und weiter sagt Guentert: "Allein im deutschsprachigen Raum beschäftigt eBay deutlich über 100 sogenannte Marktplatz-Polizisten". Diese Mitarbeiter sind virtuell unterweges, nehmen Meldungen auf und verfolgen Verstösse.
Wieder aufgetaucht: Phishing-Mails
[5][6]Marktplatz-Polizisten sind auch bitter nötig. Denn eBay ist immer wieder das Ziel von Betrügern. Zur gleichen Zeit, als der Fall Sener bekannt wurde, flatterten in der Schweiz wieder täuschende E-Mails in die Mailboxen. Mit den beiden Domains ebay-securelogin.com und ebaysecurelogin.com versuchen Betrüger an die Daten von eBay-Nutzern zu gelangen. Falls jemand auf diesen Trick hereinfällt, erhalten die Gauner das eBay-Login, PayPal-Konto und die Kreditkaren-Informationen:Alles auf einen Streich: Kreditkarte, eBay-Login, PayPal-Daten
Offenbar funktionierte hier der Verbraucherschutz: einen Tag nach Eintreffen der E-Mail waren beide Webseiten schon nicht mehr erreichbar.



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