News 03.07.2014, 08:49 Uhr

Beschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung gescheitert

Die Digitale Gesellschaft wollte mit einer Beschwerde das Gesetz der Vorratsdatenspeicherung eliminieren. Ihr ging es allerdings nach Aussagen gegenüber PCtipp nur um eine Grundlage für eine weiterführende Beschwerde.
Die Digitale Gesellschaft ist mit ihrer Forderung nach einer Streichung der Vorratsdatenspeicherung aus dem Gesetz abgeblitzt. Mit dem Gesuch an den Dienst für Post- und Fernmeldeverkehr (Üpf) kritisierten die sechs Mitglieder der Digitalen Gesellschaft das geltende Recht, nach dem Fernmeldedienstanbieter ihre Kundendaten über sechs Monate hinweg speichern müssen. Nach Auffassung der netzpolitisch aktiven Gruppe kollidiert das Recht auf Speicherung von Kundendaten mit verschiedenen Grundrechten wie dem Schutz der Privatsphäre. Das sieht nun der Bund anders und beruft sich auf die Verhältnismässigkeit der stattfindenden Eingriffe in die Grundrechte.
Ein solcher Eingriff käme laut Communiqué des Bundes bei etwa einem Prozent aller Delikte zur Anwendung. Gleichwohl sähe die geltende Gesetzgebung nur die Speicherung von Randdaten vor, die besagen, wer mit wem, wann, wo und womit kommuniziert habe. Staatsanwaltschaften und Polizei könnten laut Bund nur Zugriff auf Gesprächsinhalte erwirken, wenn ein dringender Tatverdacht und die Schwere einer Straftat, etwa bei Gefährdung von Gesundheit oder Leben einer Person, den Zugriff auf Gesprächsinhalte rechtfertigen. Diese Voraussetzungen prüfe in jedem Einzelfall ein beauftragtes Gericht.

Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht

«Die Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung werden vom Dienst Üpf nicht ausreichend erkannt», meinte Norbert Bolow, Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft, gegenüber PCtipp. Man begrüsse zwar, dass der Dienst des Bundes erkannt habe, dass Vorratsdatenspeicherung einen schweren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle, doch sei dieser nicht zu rechtfertigen, meinte Bollow weiter.
Eigentlich ging es der politischen Vereinigung mit dem Antrag nur darum, eine beschwerdefähige Verfügung zu erhalten, um nun an das Bundesverwaltungsgericht gelangen zu können, so Bollow. Der Sprecher der Digitalen Gesellschaft meinte anschliessend nur: «Wir werden Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen, und aller Voraussicht nach wird es auch noch nötig sein, das Bundesgericht und dann den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen.» Dem zu Grunde liegt, dass der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Gebiet im April für ungültig erklärt hat.

Parteiinterne Widerstände bei SP und Juso

Widerstand beim Verdacht auf Eingriff in Grundrechte formiert sich seit ein paar Monaten auch bei den Jungparteien, die im Rahmen einer Koalition dem bereits durchgewunkenen Gesetz (Büpf) zur Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung von 6 auf 12 Monate, notfalls mit einem Referendum Paroli bieten wollen. Etwas zu jubeln gab es für die Jungparteien, als es am SP-Parteitag innerhalb der Partei zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer und deren Geschäftsleitung kam. Nicht nur SP-Bundesträtin Simonetta Sommaruga, sondern auch Juso-Parteipräsident Christian Levrat müssen sich mittlerweile parteiintern mit Büpf-Gegnern abfinden. 

Autor(in) Simon Gröflin



Kommentare
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karnickel
05.07.2014
Kurz gefragt: Was ist nun der schwerwiegende "Eingriff in die Privatsphäre" ? Das Sammeln *aller* Daten oder das Auswerten der ein Prozent Vorfälle von einer unbekannten Zahl an Delikten? Bitte immer schön hinter mathematischen Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten verstecken, liebe Behörden.

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PC-John
05.07.2014
Die Auswertung der Daten ist das Problem! Kurz gefragt: Was ist nun der schwerwiegende "Eingriff in die Privatsphäre" ? Das Sammeln *aller* Daten oder das Auswerten der ein Prozent Vorfälle von einer unbekannten Zahl an Delikten? Bitte immer schön hinter mathematischen Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten verstecken, liebe Behörden. Das Sammeln von Daten ist die eine Sache, deren Auswertung eine Andere. Was immer und alles gesammelt wird, wissen wir kaum. Hingegen kann die Auswertung von Daten zu einem Problem oder zur Problemlösung werden. Beispiele: Wird jemand vermisst, kann die sofortige (!) Auswertung von Handy-Einbuchungsdaten sehr hilfreich werden für die Suche/Fahndung. Hier ist es verdammt mühsam, wenn der Untersuchungsrichter (welcher die Datenauswertung erst bewilligen muss) erst nach einem verlängertem Wochenende wieder erreichbar ist, und dann noch tagelang überlegt, ob der Datenauswertung stattgegeben werden soll. Bis dahin ist die entführte junge Dame schon längst tot. (Das war doch der Fall, als ein Girl im Tessin unten im einem Wald umgebracht wurde.) Werden jedoch systematische Datenauswertungen betrieben, so kann schon mal ein (vielleicht) illegaler Musik-Download entdeckt werden. Das ist nun kein Kapitalverbrechen, und soll auch nicht dem sogenannten "Rechte-Inhaber" zugespielt werden, damit es zu einer Anzeige kommen kann. Bei der Daten-Auswertung sollen die Herren Fachleute mal ansetzen, Nationalräte selbst sehe ich hier nur als politische Exponenten, welche ihr Wissen meist nur aus Berichten im Blick schöpfen. PC-John

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multi-os
05.07.2014
Gibt es eigentlich überhaupt konkrete Zahlen mit denen eine Brisanz solcher Daten belegt werden kann? Mit anderen Worten : in wie vielen Fällen von Verbrechensbekämpfung führte solche Datenauswertung (und zwar ohne dass klassische Ermittlungsmethoden dazu beigetragen hätten) zum Erfolg? Das ist doch überall so, ob die NSA in den USA, die abertausenden Überwachungskameras in GB oder eben Vorratsdatenspeicherung. Gerne hätte ich mal von solchen Geheimdienststellen gewusst, ob tatsächlich schon terroristische Attentate einzig aufgrund solcher Techniken vereitelt wurden und wie das genau im Nutzen-Verhältnis steht. Mit Betonung auf "einzig". Für mich ist das "Geschäft mit der Angst". Zudem : kann Üpf versichern, dass solche Daten nicht in Hände geraten, wo die Daten nichts zu suchen haben, kann man versichern dass keine Personen und Firmen Zugriff haben um sich Vorteile zu verschaffen? Denn, nur weil die Staatsanwalt in Ermittlungsfällen juristische Abklärungen treffen muss, heisst das noch lange nicht, dass diese Daten einfach "sicher" sind. Meine Skepsis gilt denn auch weniger dem Üpf oder dem Staat insgesamt. Aber lascher Umgang (auch technisch gesehen) kann Missbrauch ausserhalb des eigentlichen Nutzens zur Folge haben. Für mich liegt die Gefahr von Missbrauch der Vorratsdatenspeicherung also weniger beim Staat, da habe ich Vertrauen. Zudem ist ja auch bekannt, dass der Bund in diesem Bereich personell ziemlich unterbesetzt ist.

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PC-John
05.07.2014
... Gibt es eigentlich überhaupt konkrete Zahlen mit denen eine Brisanz solcher Daten belegt werden kann? Mit anderen Worten : in wie vielen Fällen von Verbrechensbekämpfung führte solche Datenauswertung (und zwar ohne dass klassische Ermittlungsmethoden dazu beigetragen hätten) zum Erfolg? ... Kürzlich veröffentlichte Zahlen aus England zeigen, dass die Vorratsdaten-Speicherung für das Thema "Verbrechensbekämpfung" NULL (!) Erfolge hatten, weil viel zuwenig und nicht systematisch ausgewertet werden konnte. Vermutlich wegen absolutem Geldmangel, ähnlich wie beim neuen Flugzeugträger. ... Meine Skepsis gilt denn auch weniger dem Üpf oder dem Staat insgesamt. Aber lascher Umgang (auch technisch gesehen) kann Missbrauch ausserhalb des eigentlichen Nutzens zur Folge haben. Für mich liegt die Gefahr von Missbrauch der Vorratsdatenspeicherung also weniger beim Staat, da habe ich Vertrauen. Zudem ist ja auch bekannt, dass der Bund in diesem Bereich personell ziemlich unterbesetzt ist. Die Vorratsdatenspeicherung muss der Provider machen und finanziell tragen! Die gesetzgebende Behörde bezahlt dazu keinen einzigen Rappen, sie macht nur Vorschriften, ohne sich über die Kosten bewusst zu sein. Die Bundesstellen fordern dann jeweils die einzelnen Daten an, wenn sie irgendetwas nachforschen wollen, und die Erlaubnis vom Untersuchungsrichter dann endlich bekommen haben. Im Normalfall ist dieser Dienstweg vieeeeeel zu langsam! Ob die Daten beim Provider sicherer abgelegt sind gegen Hacker oder beim Bund, da möchte ich hier keine Vermutungen anstellen. PC-John

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Telaran
10.07.2014
Gibt es eigentlich überhaupt konkrete Zahlen mit denen eine Brisanz solcher Daten belegt werden kann? Mit anderen Worten : in wie vielen Fällen von Verbrechensbekämpfung führte solche Datenauswertung (und zwar ohne dass klassische Ermittlungsmethoden dazu beigetragen hätten) zum Erfolg? Es gibt eine Statistik, welche aufzeigt, dass in allen Kriminalfällen knapp 1.5% davon noch zusätzlich von der Vorratsdatenspeicherung gebraucht gemacht haben. Bedauerlicherweise steht da nicht, ob und wie viele Fälle damit aufgeklärt werden konnten oder diese Daten massgeblich geholfen hätten. Ich finde es also weiterhin nicht verhältnismässig. Achja in Österreich wurden auch eine Statistik veröffentlich und ein Feedback von jemand, der es durchgelesen hatte In der Mehrheit der Fälle konnte "kein Beitrag zur Aufklärung geleistet werden". Und, wofür wird es eingesetzt? Wie versprochen gegen Terroristen und Mörder? Keine Spur! Diebstahl, Drogen, Raub, Stalking, Betrug und ein gutes Dutzend Fälle von "gefährliche Drohung" Daten werden eh gesammelt Es ist unbestritten, dass Google, Facebook und co schon sehr viele Daten sammeln und wohl mehr über einen Menschen wissen, als manche Geheimdienste aktuell. Trotzdem sind diverse Sensible Daten noch nicht in deren Systemen und was entscheidender ist: Sie können kein Leben komplett zerstören -> Gefängnis, Kredite, Sozialleistungen... das alles kann der Staat. Datenschutz/Kontrolle Prinzipiell spricht nichts dagegen, dass die Polizei und der Rechtsstaat den Zugriff auf Daten erhält um "echte" Verbrechen aufzuklären/verhindern. Das Problem dabei ist aber -> Das System wird von Menschen genutzt und die Softwarelösungen kennen keinen Datenschutz/Prozessabläufe. Ein Mitarbeiter kann also meistens ohne Kontrolle die Daten abrufen (mit wem telefoniert meine Freundin, etc pp). Die Software blockt nicht und die wenigsten besitzen Berechtigungssysteme/Logging. Weiter werden auch viele diese Softwarelösungen lausig programmiert . Es ist wie bei Nacktscannern: Solange keine Sicherheitsrichtlinien implementiert werden (Hardware und Software), sind es eher Missbrauchswerkzeuge. Waffen sind auch zum Schutz da und werden trotzdem mehrheitlich "missbraucht". nur da wird hingegen wieder in der Schweiz übertrieben reglementiert (gemäss Aussagen von manchen Kollegen im Polizei-Umfeld)