Tipps & Tricks 01.06.2019, 09:00 Uhr

Mac-Tipp: Notizen mit Bear

Bear war keine Liebe auf den ersten Blick. Doch heute verstehen wir uns blendend.
Meine ersten Gehversuche mit der Notizen-Software «Bear» von Shiny Frog waren mit Zweifeln unterlegt. Dabei wurde (und wird) diese Software grossflächig in der Apple-Szene bejubelt – auch von Leuten, deren Meinung Gewicht hat. Apple höchstselbst empfiehlt die Mac-Anwendung und die iOS-Apps in den jeweiligen App Stores, sodass es fast unmöglich ist, Bear zu übersehen.
Trotzdem benötigte ich zwei Anläufe und eine lange Pause dazwischen, um mit Bear warm zu werden, denn zu Beginn überzeugte die Software weder als Notizblock noch als Textverarbeitung. Es brauchte seine Zeit, um zu verstehen, wie Bear tickt – und dann löste sich alles in Wohlgefallen auf.
Bear: hier mit allen drei Panels, die sich auf den Editor reduzieren lassen
Quelle: Screenshot / ze

Das ist Bear

Bear versteht sich als Software, um Notizen zu erfassen – aber das greift viel zu kurz. So lassen sich Notizen auch miteinander verknüpfen, es werden Hyperlinks eingebaut und Strukturen erschaffen. Letzteres geschieht durch «Tags» (Etiketten), die sich in der Seitenleiste manifestieren. So reicht irgendwo im Text das Tag #rezepte, um eine neue Kategorie zu schaffen. Um eine Untergruppe zu erstellen, wird einfach der Querstrich eingefügt, also zum Beispiel #rezepte/grill. Dabei lassen sich mehrere Tags derselben Notiz zuordnen, was mit einer klassischen Ordnerstruktur nicht möglich ist.
Die Tags im Text werden automatisch zu Strukturen in der Seitenleiste
Quelle: Screenshot / ze
Tipp: Wie Tags auch im Finder von macOS funktionieren und wie sie sogar auf das iPad überschwappen, haben wir hier beschrieben. Dabei mache ich keinen Hehl aus meiner Sympathie für Tags – auch wenn es bedingt, dass ein paar verkrustete Denkmuster abgelegt werden.
Daneben bietet Bear, was jede Notiz-Software bieten sollte: Markierungsfelder für Aufgabenlisten, die Platzierung von Bildern, URLs und dergleichen mehr.

Markdown-Editor

Doch erst wenn aus Notizen ausgereifte Texte werden sollen, läuft Bear zur Höchstform auf. Ich habe über Jahre hinweg fast jede Textverarbeitung ausprobiert, die sich minimalistisch gibt und ein ungestörtes Arbeiten verspricht. Aber Bear treibt diese Tugend auf die Spitze.
Da ist einerseits die Unterstützung von Markdown zu erwähnen. Für Einsteiger: Bei Markdown handelt es sich um sehr leicht zu erlernende Sprache für die Auszeichnung und Formatierung von Texten. Sie ist für die elektronische Weiterverarbeitung in Programmen oder auf Webseiten konzipiert und bleibt trotzdem so transparent, dass sie von jedem Menschen mühelos gelesen wird. So werden zum Beispiel Passagen, die von **je zwei Sternchen eingefasst werden, fett ausgezeichnet,** während _Unterstriche den Text kursiv darstellen_. Diese Beispiele kratzen nicht einmal an der Oberfläche, aber Wikipedia erzählt Ihnen gerne mehr darüber.
Markdown ist einfach zu erlernen, aber extrem effizient
Quelle: Screenshot / ze
Die Vorzüge von Markdown offenbaren sich vielleicht nicht sofort. Doch wenn Sie Ihre Gedanken streng auf den Text fokussieren, entfaltet die Syntax schleichend ihre Ästhetik. Und ehe Sie sich versehen, werden Sie nicht mehr ohne Markdown auskommen wollen, selbst wenn Sie gerade keinen WordPress-Blog betreiben.
Einsteiger in Markdown erhalten Schützenhilfe
Quelle: Screenshot / ze

Export-Schwächen

Bear bietet eine hervorragende, typografisch sehr befriedigende Markdown-Formatierung. Doch leider hapert es ausgerechnet beim Export in eine Word-Datei – und Word spielt halt bei vielen Schreiberlingen eine zentrale Rolle. Mit der Pro-Version von Bear lassen sich die Texte zwar als Word-Dateien exportieren, aber die Struktur wird aus unerfindlichen Gründen nicht korrekt übernommen.
In diesem Punkt unterscheidet sich Bear von meinem ehemaligen Langzeit-Favoriten iA Writer Dieser versteht sich nicht nur mit Markdown, sondern exportiert auch Word-Dateien, die zum Ablecken sauber formatiert sind. Das sollte eigentlich das Mindeste sein, was man von einem solchen Export erwarten darf – aber Bear liefert hier nicht.
Notnagel: Solange diese Schwäche nicht ausgebügelt wird, kopiere ich die Texte in Bear als Markdown, setze sie in iA Writer ein und exportiere sie dann als Word-Dokument. Das funktioniert perfekt; dass ich dabei nicht dem Wahnsinn anheimfalle, ist nur Keyboard Maestro zu verdanken, der diese Aktion auf ein Tastenkürzel reduziert.

Alles ist so schön hier!

Der mangelhafte Word-Export wird zu einem guten Teil durch Bears Aufmachung kompensiert, die bis zum letzten Pixel in guten Geschmack getaucht. Die simple Oberfläche präsentiert sich so unaufdringlich, wie man es sich nur wünscht. Trotzdem lassen sich Akzente setzen, indem zum Beispiel den Tag-Kategorien eigene Icons zugeteilt werden, die natürlich perfekt mit dem Umfeld harmonieren.
Bear setzt Markdown-Formatierungen auf eine sehr ästhetische Weise um. Es ist die pure Freude, innerhalb von Bear auch die längsten Texte zu schreiben oder zu verfeinern. In diesem Umfeld möchte man nicht nur schreiben – man möchte auch darin wohnen!
Dieses Wohlgefühl verdankt Bear verschiedenen «Themen», die aus Farbkombinationen für die Texte bestehen. Und es lässt sich nicht leugnen: Diese Farbpaletten machen einen Unterschied! Die Struktur bleibt immer dieselbe, aber die subtilen Farbtupfer sorgen dafür, dass sich das Schreiben fast schon kuschelig-behaglich anfühlt. Dagegen wirkt die Oberfläche des mehrmals erwähnten iA Writer so finster wie eine Kohlengrube.
Diese Themen sind es, die Bear in eine Wohlfühlzone verwandeln
Quelle: Screenshot / ze

Cleverer Dunkelmodus

Bear bietet keinen normalen Dunkelmodus unter macOS 10.14 «Mojave». Nein, seine Lösung ist besser: Die Software merkt sich einfach, welche Themen Sie in einem Modus gewählt haben und stellt diese Darstellung bei einem Wechsel wieder her.

Annäherungsversuche und Preise

Das Geschäftsmodell von Bears ist verlockend und die Preise sehr moderat. Sowohl die Anwendung für macOS als auch die App für das iPhone und das iPad sind dauerhaft kostenlos – ohne wenn und aber.
Es benötigt jedoch ein Update auf «Bear Pro», damit die Daten nahtlos über iCloud zwischen den Plattformen abgeglichen werden – und das funktioniert reibungslos. In der nahen Zukunft soll ausserdem eine Webversion dazukommen, die auch Windows-Anwender den Zugang zu Bear ermöglichen.
Textstatistiken sind ein Muss für Berufsschreiber
Quelle: Screenshot / ze
Zu den weiteren Vorzügen der Pro-Version gehören deutlich mehr Export-Formate (wie etwa das verpatzte Word-Format) und vor allem einige zusätzliche, wunderschöne Themen.
Dabei ist das Pro-Abo unanständig günstig. Die monatlichen Kosten belaufen sich auf Fr. 1.50, die erste Probewoche ist kostenlos. Wenn Sie sich für ein Jahresabo entscheiden, bezahlen Sie Fr. 15.50 und bekommen den ersten Probemonat geschenkt. Während der Probezeit können Sie kündigen, bevor das Abo in Kraft tritt und verrechnet wird.

Annäherung an einen Bären

Bei mir haben sich die Wolken verzogen, sobald ich die Arbeitsweise von Bear verstanden und mich auch ein wenig in mein Schicksal gefügt habe. Gleichzeitig hat sich Bear an meinem Arbeitsplatz in den Mittelpunkt gedrängt und sich als meine liebste Schreibmaschine etabliert. Es plant und schreibt sich in dieser Umgebung so entspannt (neudeutsch: chillig), dass ich die Software nur noch widerwillig verlasse.

Das geht doch besser?

Es gibt auch Vorbehalte. Aufzählungen lassen sich zwar über die Tastatur neu anordnen, verschachteln und strukturieren; aber ich vermisse eine Möglichkeit, die Untergruppen einzuklappen, so wie man es sich von Outlinern gewohnt ist. Und der mangelhafte Word-Export ist aktuell nur mithilfe anderer Programme zu umgehen.
Ausserdem besteht das Shiny-Frog-Team aus einigen wenigen Leuten, was die Entwicklung etwas behäbig macht. Die Updates kommen eher gemütlich; deshalb sollten Sie nur dann zugreifen, wenn Sie bereits mit dem aktuellen Stand der Dinge zufrieden sind und alle kommenden Funktionen als Bonus betrachten.
Als Anwendung für Notizen würde ich Bear nur empfehlen, wenn das Schreiben mit Markdown einen gewichtigen Anteil an der Arbeit hat – denn dort liegen seine Stärken. Wenn es hingegen nur um die Erfassung von Stichworten oder um eine sehr einfache Aufgabenplanung geht, sind die Apple-Notizen, die zum Lieferumfang von macOS und iOS gehören, mindestens genauso gut geeignet.
Doch diese Einwände sind schnell geklärt. Laden Sie Bear für iOS und/oder macOS und spielen Sie mit den Möglichkeiten der kostenlosen Standardversion. Wenn Sie damit warm werden, lösen Sie das Pro-Abonnement mit all seinen Vorzügen; schliesslich können Sie es während der Probezeit kündigen, ohne dass Kosten entstehen. Und dann werden Sie schnell feststellen, welche Bedeutung Sie dieser Software einräumen.

Fazit

Bear bietet eine hervorragende Schreibumgebung mit einer simplen Oberfläche und einer sehr gefälligen Typografie. Wenn sich die Anforderungen an einfache Notizen und der Wunsch nach einer beruhigenden Textumgebung in der Waage halten, verdient Bear eine bedingungslose Empfehlung.

Testergebnis

Oberfläche, Schreibumgebung, Themen, Synchronisierung, Ästhetik, Preis
Mangelhafter Word-Export, keine echten Outliner-Funktionen, gemächliche Entwicklung

Details:  Deutsch, ab iOS 9 für iPad und iPhone, ab macOS 10.11, 64-Bit-Prozessor

Preis:  Fr. 1.50 pro Monat oder Fr. 15.50 pro Jahr

Infos: 
bear.app

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