News 07.06.2019, 09:27 Uhr

Selbstfahrende Autos lösen das Verkehrsproblem nicht

Fahrerlose Taxis werden den Individualverkehr in Städten nicht verdrängen, sofern auch automatisierte Privatfahrzeuge verfügbar sind. Das haben Forschende der ETH Zürich herausgefunden.
In Phoenix sind die selbstfahrenden Autos von Waymo bereits auf der Strasse unterwegs
Quelle: Waymo
Aktuelle Trends, wie Digitalisierung und Sharing-Ökonomie, werden die Mobilität in Städten grundsätzlich verändern. Darüber sind sich die meisten Experten einig. Der öffentliche Verkehr der Zukunft wird elektrisch, individualisiert und übers Smartphone stets zur Hand sein. Schon heute gibt es erste fahrerlose Taxidienste in Las Vegas und in Phoenix. Die Hoffnung: Eine Mobilitätsversorgung mit deutlich weniger Fahrzeugen, mit weniger Emissionen und zu geringeren Kosten (88 Prozent der Kosten für eine Taxifahrt in Zürich entfällt heute auf den Fahrer).
Bisherige Studien beflügelten diese Hoffnungen: Für Singapur kamen Forschende 2014 zum Ergebnis, dass der gesamte Mobilitätsbedarf innerhalb der Stadt dank automatisierter Taxis mit einem Drittel der heutigen Fahrzeugflotte abgedeckt werden könnte. In einer Studie für Austin, die Hauptstadt des US-Bundesstaats Texas, prognostizierten Forschende sogar eine Reduktion der aktuellen Autoflotte um 90 Prozent. Ridesharing-Unternehmen wie Uber und Lyft witterten gestützt auf solche Studien einen riesigen Markt für ihre Dienste, die künftig ohne Fahrer auskommen werden.

Umfassendere Simulationen

Kay Axhausen, Professor am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich, kommt in einer aktuellen Studie im Auftrag der Schweizerischen Vereinigung der Verkehrsingenieure und -experten (SVI) und finanziert vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) zu neuen Erkenntnissen. Sein Team hat simuliert, wie sich das Verkehrsaufkommen in Zürich durch die Einführung von automatisierten Taxis im Zeithorizont von 20 Jahren verändern könnte. Das überraschende Ergebnis: Die Anzahl Privatfahrzeuge wird durch ein Ridesharing-Angebot nicht zurückgehen. Und ein automatisierter Verkehr könnte die Anzahl gefahrener Kilometer sogar noch erhöhen.
Die Studie sei in dieser Form weltweit einzigartig, erklärt Axhausen: «Bisherige Simulationen gingen meist von Idealbedingungen aus, wie zum Beispiel, dass jeder Verkehrsteilnehmer ein automatisiertes Taxi nutzen muss, solange die Wartezeiten unter einem bestimmten Wert bleiben.» Sein Team entwickelte dagegen eine Simulation, bei welcher Angebot und Nachfrage sowie individuelle Verhaltensmuster von Nutzern berücksichtigt werden. Für eine vorgegebene Flottengrösse wird dadurch ein bestimmter Preis pro Fahrt und eine bestimmte Nachfrage generiert.
Die Forschenden nutzten «MATSim», eine Simulationsplattform, die seit mehr als zehn Jahren an der ETH und der TU Berlin weiterentwickelt wird, und die sich für Simulationen von komplexen Mobilitätsfragen durchgesetzt hat. MATSim ist Agenten-basiert, wird also durch das Verhalten von einzelnen virtuellen Verkehrsteilnehmenden mit individuellen Entscheidungsmustern angetrieben und nicht durch übergeordnete Regeln. Damit das Verhalten dieser Agenten möglichst realistisch ist, führte Axhausens Team für die aktuelle Studie eine Befragung im Kanton Zürich durch, in welcher 359 Probanden darüber befragt wurden, unter welchen Umständen sie bereit wären, auf automatisierte, geteilte Transportmittel umzusteigen. Dies vor allem in Abhängigkeit von Wartezeiten und Preis.
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