News 05.11.2018, 09:05 Uhr

So personalisieren die grössten Online-Mode-Shops

Wir haben sieben der grössten Online-Mode-Shops, darunter About You, Bonprix und Zalando, auf ihre persönliche Ansprache getestet. Das Ergebnis? Ernüchternd.
Personalisierung ist, glaubt man den mannigfaltigen Studien und Expertenbeiträgen, die dieses Jahr die Branche überschwemmt haben, die eierlegende Wollmilchsau des E-Commerce: Personalisierte Angebote verbessern die Conversion, steigern die Wiederkaufrate und die Kundenbindung, reduzieren die Retourenquoten und verwandeln Gelegenheits-Shopper auch noch in überzeugte Markenbotschafter, so der allgemeine Tenor. Aber wie sieht die Realität aus? 
Mit zwei Shopping-Personas, «Ingrid» und «Daniela», testeten wir About You, Amazon Fashion, Asos, Bonprix, Breuninger, H&M und Zalando auf ihre personalisierten Angebote
Quelle: Pixabay/geralt
Um das herauszufinden, haben wir die Kundenbrille aufgesetzt und uns in den grössten Online-Mode-Shops umgeschaut. Wir wollten wissen, wie About You, Amazon Fashion, Asos, Bonprix, Breuninger, H&M und Zalando ihre Angebote personalisieren – und ob der Kunde davon profitiert. Das Rüstzeug für unseren Praxistest: jungfräuliche Browser, frische Kundenaccounts – und zwei unterschiedliche Shopping-Personas:
«Daniela» interessiert sich für die neusten Stylingtrends, bewegt sich im oberen Preissegment und trägt Grösse 38/M. «Ingrid» dagegen ist Schnäppchenjägerin, mag ihre Mode bequem und trägt Grösse 46/XL. Beide Shopperinnen stöberten innerhalb von vier Wochen mindestens zehn Mal in den Online-Shops nach ihren Lieblingsklamotten.

Der Login-Prozess: auf die Daten, fertig, los

Um so viel Personalisierung wie möglich zuzulassen, machen wir es den Shops leicht und registrieren uns. Falls möglich, setzen wir auch das Opt-in-Häkchen bei der Newsletter-Bestellung. Bei den meisten Shops genügt die Eingabe einer E-Mail-­Adresse für die Eröffnung eines Kontos, H&M fragt schon bei der Registrierung nach Geschlecht und Postleitzahl, Zalando will nur das Geschlecht erfahren, Bonprix will das Geburtsdatum wissen und Asos fragt bei der Newsletter-Anmeldung, welche Informationen die Neukunden erhalten wollen. Am detailliertesten fällt der Anmeldeprozess bei About You aus: Die Hamburger wollen wissen, welche Grösse wir tragen, welche Kleidungsstile uns gefallen, welche Influencer wir gut finden und welchen Marken wir folgen wollen.
Auch nach der Registrierung zeigt sich schnell, dass die Shops mit dem Thema Personalisierung sehr unterschiedlich umgehen. Während man bei About You Styles, Marken und Influencern folgen und einzelne Produkte liken kann, erlaubt es Zalando nur hartnäckigen Nutzern, die sich durch schlechte Usability nicht abwimmeln lassen, Marken zu folgen – Produkte herzen geht erheblich einfacher. H&M, Asos und Bonprix beschränken sich auf anklickbare Herzchen, mit denen man jedes Produkt auf eine Wunschliste setzen kann.
Bei Breuninger und Amazon Fashion konnten wir keine Optionen für eine kundengesteuerte Personalisierung entdecken. Auch der ­Umgang mit dem Thema Personalisierung unterscheidet sich: So präsentieren sich ­Zalando und About You zwar betont persönlich, sprechen beispielsweise auf der Startseite und auf den Kategorieseiten von «Deiner persönlichen Auswahl» oder «Deinem Style Update» – die im Personalpronomen mitschwingende, auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Auswahl ist aber letztlich eine Mogelpackung: Egal, ob sich «Daniela» oder «Ingrid» anmelden oder wir unangemeldet mit einem ganz anderen Browser auf einem anderen Gerät auf die Seiten surften – wir sahen immer dieselben Produkte. Wirklich persönlich wird es beispielsweise auf Zalando erst ganz unten auf der Startseite unter den Reitern: «Das könnte Dir gefallen» oder «Von Deinen Suchen inspiriert». About You streut mehrere solcher Reiter auf der Startseite ein.
Offensiver geht H&M mit der Personalisierung um: Gleich auf der Startseite prangt unter dem Eingangsbanner ein Produktkarussell mit dem Titel «Ausgewählt für Dich», das sich offensichtlich an der Surfhistorie orientiert. Bonprix versteckt einen ähnlichen Reiter im unteren Drittel der Startseite und auf den Kategorieseiten ganz unten.
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Das Test-Fazit

Das Test-Fazit: Irgendwas passt immer nicht

Aber wie nützlich sind die von den jeweiligen Algorithmen generierten Empfehlungen nun für unsere Shopping-Personas? Fühlen wir uns inspiriert, zum Kauf angeregt? Nach vier Wochen ist unser Fazit vor allem eines: ernüchternd.
Denn von den vielen Kriterien, die stimmen müssen, damit ein Produkt in den Warenkorb wandert (Preis, Grösse, Farbe, Stil, Schnitt etc.), passt immer irgendwas einfach nicht. «Daniela» beispielsweise mag Streifenpullover und Kapuzensweatshirts und legt auch nur solche Oberteile auf ihre Wunschliste – dennoch schlägt ihr Zalando beharrlich gemusterte Pullis und Tiger-Prints vor. Und dazu noch eine dreiviertellange blaue Pluderhose, die so gar nicht zu den ausschliesslich engen Hosen passen will, die sie bisher gesucht hat.
«Ingrid» wiederum kann eng anliegende Hose überhaupt nicht leiden und sucht in den ganzen vier Wochen in ­allen Shops ausschliesslich nach ausgestellten Hosen und Bootcut-Jeans. Trotzdem schlägt ihr About You beharrlich in allen personalisierten Produktkarussells und auf der Jeans-Kategorieseite ständig Skinny Jeans vor, die noch dazu überwiegend nicht in ihrer Grösse verfügbar sind.
Überhaupt ist die Konfektionsgrösse in der Personalisierungspraxis ein grosses und angesichts der Datenmengen, die wir den Shops freiwillig überlassen haben, für uns unverständliches Problem. So kann sich kaum ein Shop merken, welche Grösse unsere Shopperinnen tragen, sodass «Ingrid» auf jeder Seite erneut nach Grösse 46 oder XL filtern muss. Noch prominenter tritt das Grössenproblem ausgerechnet bei About You zutage: Die Otto-Tochter hat zwar einen durchaus ausgereiften, wenn auch in seiner Ausführlichkeit leicht nervenden Grössenberater, mit dem die vermutlich passende Grösse für jedes einzelne Produkt ermittelt werden kann – aber leider vergisst der Shop in schöner Regelmässigkeit das bereits berechnete Ergebnis, sodass «Ingrid» innerhalb einer einzigen zehnminütigen ­Shopping-Session den Berater geschlagene vier Mal durchklicken muss.

WTF-Momente

Besser gelöst ist das Grössenproblem bei Zalando – zumindest auf Produktebene: Auf der Produktdetailseite schlägt der Shop selbsttätig auf Basis der von der Kundin angegebenen Daten, der Rücksendungen und Bewertungen zum Produkt eine Grösse vor. Dafür vergisst der Shop das Ergebnis sofort wieder, sobald man sich auf einer Kategorieseite befindet – mit dem Ergebnis, dass «Daniela», der gerade bescheinigt wurde, dass sie einen ausgesuchten Pullover am besten in Grösse 38 bestellen sollte, auf der Kategorieseite plötzlich lauter Pullover aus der Rubrik «Grosse Grössen» zu sehen ­bekommt.
Überhaupt sorgen die nicht miteinander verbundenen Produktvorschläge für so manchen WTF-Moment beim Shoppen. Da werden Sommerschläppchen empfohlen, obwohl nach Winterschläppchen gesucht wurde, und Hotpants-Jeanshosen – kurz nachdem wir in der Kategorie Jacken einen gefütterten Parka geliked haben. Und ein Fehler beim Anlegen des ­Accounts (wie im Fall von «Daniela» das unbe­dachte Liken von Marken wie ­Nike oder Adidas) produziert in der ­Folge eine Produktüberblicksseite für Hosen, auf der drei von neun der ersten Plätze mit Jogginghosen und Sportleggins belegt sind, die man gar nicht gesucht hat.

Für bessere Empfehlungen: Ist weniger mehr?

Aus Kundensicht besser funktioniert die Personalisierung ironischerweise ausgerechnet in den Shops, die sich mit dem Thema gefühlt nicht ganz so viel Mühe geben. So zeigt H&M schon nach dem dritten ­Besuch im Reiter «Ausgewählt für Dich» Produkte an, die unseren beiden Shopping-Personas jeweils zusagen.
Nicht nur, dass der H&M-Algorithmus als einziger «Ingrids» Vorliebe für Bootcut-Jeans erkannt hat – «Daniela», die jede Produktüberblicksseite konsequent mit «der teuerste Preis zuerst» sortieren liess, bekommt in ­ihrer Auswahl irgendwann auch deutlich hochpreisigere Produkte angezeigt als ihre Schnäppchen jagende Kollegin.
Ein weiteres Plus: Alle in diesem Reiter vorgestellten Produkte sind in der für die jeweilige Persona passenden Grösse verfügbar. Sicherlich ist das im Vergleich zu Zalando und About You kleinere und homogenere Sortiment von H&M ein Vorteil, der die Personalisierung vereinfacht; aber auch Bonprix präsentiert unseren Personas zwar wenige, aber dafür im Durchschnitt passendere Ergebnisse als die beiden selbst erklärten Marktführer in Sachen Personalisierung.
In allen Fällen gilt aber: Personalisierte Angebote halfen unseren Shopping-Personas nur begrenzt weiter. Klassisches Stöbern und gute Filter führten besser und schneller zum passenden Produkt – offenbar dauert es noch, bis der Algorithmus die Shopper-Seele wirklich verstehen lernt. 



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