News 06.02.2014, 14:02 Uhr

Korruptionsverdacht in Berner IT

Schon wieder ein möglicher Korruptionsfall in der Schweizer IT. Dieses Mal betrifft er die Kantonspolizei Bern. Der Abteilungsleiter Informatik soll seinem Bruder jahrelang Aufträge in Millionenhöhe zugeschanzt haben.
Die Meldung war derart unscheinbar platziert, dass sie alle Medien ausser der lokal ansässige «Bund» übersehen haben: Im Amtsblatt des Kantons Bern gab das Amt für Informatik und Organisation (Kaio) bekannt, dass ein Basler Beratungsunternehmen einen freihändigen IT-Projektleitungsauftrag über rund 450'000 Franken erhielt. Die Schwelle für freihändige Vergaben liegt aber bei 250'000 Franken.
Als Grund für die Wahl einer nicht öffentlichen Ausschreibung, schrieb das Kaio, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch Verzögerungen ernsthaft gefährdet wäre – «insbesondere wegen des drohenden Ausfalls von Teilen der Telefonieinfrastruktur». Wie Recherchen vom «Bund» zeigen, könnte diese Rechtfertigung auch der Unwahrheit entsprechen. Es gibt stattdessen Indizien, welche die Vermutung aufkommen lassen, dass in der Berner Kantons-IT seit Jahren Vetternwirtschaft betrieben werden könnte.

Alles freihändig vergeben

Im Zentrum stehen die zwei Brüder A. und B. Ersterer stieg gemäss «Bund» im November 2009 vom Leiter Informatik zum Abteilungsleiter Technik der Kantonspolizei auf. Letzterer gründete 2002 ein IT-Beratungsunternehmen, das Dienstleistungen im Bereich Projektmanagement und Coaching anbietet.
In den letzten neun Jahren erhielt das Beratungsunternehmen vom Kanton Bern Aufträge im Umfang von 2,85 Millionen Franken. Ein Grossteil davon soll Mandate der IT der Kantonspolizei betreffen. Ausschreibungsverfahren dafür gab es nie, die Kapo Bern vergab alle Aufträge freihändig an B.
Ein Grossprojekt, bei dem aber zwingend eine Ausschreibung hätte erfolgen sollen, beschreibt der «Bund» detaillierter: «Für die Mitarbeit an der neuen Informatikumgebung der Arbeitsplätze beim Kanton, dem Kantonalen Workplace 2010, konnte B.s Firma 779'251 Franken in Rechnung stellen. Der Schwellenwert von 250'000 Franken wurde um das Doppelte überschritten. Die Kostensteigerungen seien nicht voraussehbar gewesen, schreibt die Kantonspolizei. Sie seien unter anderem durch Lieferverzögerungen von Partnern und zusätzliche Anforderungen und Bedürfnisse entstanden.»

Auch Kaio kauft fleissig ein

Nebst der Kapo hat auch das Kaio fleissig bei B. eingekauft, was den Kreis zur Meldung im Amtsblatt schliesst. Für 1,62 Millionen Franken hat das Kaio offenbar seit 2010 Aufträge an B. vergeben. Offene Verfahren fanden auch hier nie statt. Der «Bund» spekuliert, dass die Polizeiaufträge als Türöffner für direkte und indirekte Folgeaufträge des Kaio dienten. Im Gegensatz zur Kantonspolizei publizierte das Kaio aber immerhin die freihändigen Zuschlagsentscheide. So sei ersichtlich, dass B. für das Kaio das Projekt «Harmonisierung der kantonalen Telefonie» durchführen konnte. Der Initialauftrag hatte lediglich einen Wert von 58'000 Franken, die Vertragsverlängerungen der letzten beiden Jahre dann ein Totalvolumen von 715'184 Franken. Auch das im Amtsblatt publizierte Projekt gehört zur Telefonieharmonisierung, schreibt der «Bund». Hier hätte man zuerst andere Anbieter berücksichtigen wollen, aber B. war der günstigste.
Diese Vorkommnisse sind nicht nur aufgrund der Vergabepraxis merkwürdig. Das kantonale Personalgesetz verbietet es Mitarbeitern, an Entscheiden mitzuwirken, bei denen sie mit Parteien verwandt sind. Die Polizei bestätigt dem «Bund», dass A. in seiner Funktion bei der Entwicklung von neuen Vorhaben beteiligt gewesen sei. Ob er – wie gesetzlich verpflichtet – bei den Vergabeentscheiden in den Ausstand trat, soll die laufende Untersuchung klären. 
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser ordnete mittlerweile die Überprüfung des Vorfalls an. «Nach meinem Kenntnisstand sind die Vorschriften eingehalten worden, da letztlich der Polizeikommandant als Vertragspartner den Lieferanten gegenübersteht», sagte Käser der Nachrichtenagentur sda. Überhaupt darauf gekommen sei er nach eigener Aussage, weil ihm die Firma im Zusammenhang mit der Seco-Affäre aufgefallen sei. Gemäss dem «Bund» allerdings wurde erst eine Untersuchung eingeleitet, als die Zeitung einige der Beteiligten auf die Vergabepraxis im Kanton aufmerksam machte.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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