Kaufberatung 14.04.2020, 08:57 Uhr

Darauf müssen Sie beim Kauf von nachhaltiger Hardware achten

Nachhaltigkeit zahlt sich gerade im Elektronikbereich aus: Geräte, die wenig Strom brauchen, sind nur ein Aspekt. Denn mit den richtigen Produkten lassen sich verheerende ökologische Folgen reduzieren. Ein Ratgeber.
Um global konkurrenzfähig zu bleiben, muss jedes Jahr günstiger und schneller produziert werden. Das fördert die Nachhaltigkeit nicht gerade
(Quelle: Gerd Altmann/Pixabay)
Das heutige Konsumverhalten ist ein Teufelskreis, aus dem es nur schwer ein Entrinnen gibt – sowohl für Anwender als auch für Hersteller: Beliebte Hardware wie Smartphones muss laufend die direkte Vorgängergeneration bezüglich Tempo, Ausstattung und Design übertreffen und im Rekordtempo gefertigt werden. Zudem nimmt der Preisdruck für viele Hardware-Geräte wie etwa Fernseher, Drucker oder Speicher stetig zu. Um global konkurrenzfähig zu bleiben, muss jedes Jahr günstiger und schneller produziert werden.
Nachhaltig zu kaufen und zu produzieren, kann ein Ausweg aus dem Dilemma sein – für Anwender wie auch Anbieter. Im Folgenden klärt der PCtipp nicht nur die wichtigsten Fragen rund um das Thema, sondern versucht, konkrete Beispiele aufzuzeigen, wie sich Nachhaltigkeit in der Praxis umsetzen lässt.
Bitte bedenken Sie: Dieser Artikel verfolgt nicht die Absicht, das heutige Konsumverhalten pauschal zu kritisieren oder Anwender in ihrem Kaufverhalten mit erhobenem Zeigefinger zu belehren. Vielmehr soll er bei einer anstehenden Kaufabsicht positive Anreize schaffen, um auch die Idee der Nachhaltigkeit in den Entscheid einfliessen zu lassen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit beinhaltet ein bewusstes, verantwortungsvolles Handeln, das die vorhandenen Ressourcen schont. Der Gedanke dazu stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Dort formulierte Hans Carl von Carlowitz im frühen 18. Jahrhundert die Empfehlung, nicht mehr Holz zu ernten, als auch wieder nachwachsen kann, Bild 1.
Bild 1: Der Gedanke der Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft
Quelle: Pixabay
Durch dieses Handeln sollten die Ressourcen des Waldes geschont werden. Dieses Prinzip wurde im Laufe der Zeit auf das sogenannte Drei-Säulen-Modell adaptiert. Hierin werden die Aspekte des nachhaltigen Handelns aus der Ökologie, der Ökonomie und dem Sozialbereich vereint. Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne bedeutet, mit den Ressourcen aus der Natur verantwortungsbewusst umzugehen, zum Beispiel die Einsparung von Energie, die Erhöhung der Energieeffizienz und ein verringerter Verbrauch an Ressourcen oder Materialien wie Papier, Kunststoff, Druckerfarbe etc.
Im ökonomischen Bereich gehört zur Nachhaltigkeit die Förderung einer umweltfreundlichen Produktion und einer verantwortungsbewussten Unternehmerschaft. Nachhaltigkeit im sozialen Sektor bedeutet unter anderem faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen.

Worauf soll ich beim Kauf achten?

Es gibt viele Faktoren, die Hardware als nachhaltig ausweisen können. Die wichtigste Regel: so viele Informationen sammeln wie möglich und am besten direkt im Shop nachfragen. So kann sich die Nachhaltigkeit eines Geräts durch einen geringen Stromverbrauch definieren, Bild 2, durch eine einfache Wartung oder einen problemlosen Austausch von Verschleissteilen.
Bild 2: Ein Aspekt beim Kauf ist der Stromverbrauch
Quelle: flockine/Pixabay
Ebenso wichtig ist die Produktionsstätte des Geräts und dessen Reparatur respektive Recyclingmöglichkeit vor Ort. Konkret: Wo wird der Tower-Computer oder das Smartphone gefertigt – in der Schweiz oder in China? Wie lange gewährt der Hersteller auf seine Hard ware Garantie und was passiert beispielsweise mit einem Fernseher, wenn er sich nicht mehr reparieren lässt?

Wie prüfe ich die Hersteller?

Bild 3: Greenpeace hilft beim Finden nachhaltiger Hersteller
Quelle: Greenpeace
Es gibt unabhängige Programme und Awards, für die sich Hersteller bewerben können, sofern sie auf Nachhaltigkeit setzen. Beispielsweise zeichnet der Green Product Award (gp-award.com) innovative, nachhaltige Designprodukte für einen nachhaltigen Konsum aus. Beim Programm «Plant-for-the-Planet» spenden Hersteller wie etwa Prime Computer für jedes verkaufte Produkt einen Geldbetrag, der dazu verwendet wird, um mindestens einen Baum zu pflanzen. Zudem unterstützt Prime Computer auch die gleichnamige Akademie (plant-for-the-planet.org), um über Klimaschutzaktivitäten zu informieren. Weitere Anlaufstelle, bei der sich Anwender über das Nachhaltigkeitsbestreben grosser IT-Firmen wie Google, Microsoft oder HP bezüglich ihres Energieverbrauchs informieren können, ist der Greenpeace-Clean-Report (unter dem Link go.pctipp.ch/2234), Bild 3. «Grüne Elektronik» (go.pctipp.ch/2235) ist ein weiterer Greenpeace-Ratgeber, der über den aktuellen Stand des technologischen Fortschritts und Umweltschutzbemühungen grosser Unternehmen informiert.

Konkrete Beispiele

Bild 4: Der Schweizer Assemblierer Prime Computer achtet besonders auf Nachhaltigkeit
Quelle: Screenshot
Nachhaltige Produkte aufzuspüren, ist nicht immer einfach. Um herauszufinden, inwieweit sich ein Hersteller punkto Nachhaltigkeit engagiert, bleibt nebst den erwähnten Links nichts anderes übrig, als sich direkt auf der Webseite des Herstellers zu informieren und dort nach dem Begriff Nachhaltigkeit zu suchen. Ausser dem bereits erwähnten Schweizer Hersteller Prime Computer, Bild 4, produziert beispielsweise auch Fairphone (fairphone.com) nachhaltig, und zwar Handys, Bild 5. Die Idee: Eine möglichst einfache Reparaturfähigkeit, Erweiterbarkeit und Recyclingmöglichkeit des Smartphones. Weitere Voraussetzung: Das Handy soll ohne Ausbeutung von Personen und mit geringem Schaden für die Umwelt produziert werden.
Bild 5: Smartphones von Fairphone lassen sich einfach reparieren und sind damit nachhaltiger als die meisten anderen Handys
Quelle: Fairphone
Ein weiterer Hersteller: Auf der Webseite nager-it.de bietet der gleichnamige Hersteller Computermäuse an. Die Zielsetzung: gerechte Arbeitsbedingungen für alle Beteiligten in der globalen IT-Produktion. Die «faire Computermaus» soll unter fairen Arbeitsbedingungen auch bei den Lieferanten hergestellt werden. Konkret bedeutet «fair», die Einhaltung der Menschenrechte und Verzicht auf Ausbeutung. Ausgeschlossen sind also erzwungene Überstunden sowie ausbeuterische Kinderarbeit etc. Angestrebt wird stattdessen: «Guter Lohn für gute Arbeit», Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und ausreichender Gesundheitsschutz, vor allem an Arbeitsplätzen mit Gefahren für die Gesundheit.
Der Fotobuch-Hersteller Cewe (cewe.ch) bemüht sich ebenfalls bezüglich der Nachhaltigkeit. Die Firma produziert ihr Fotobuch sowie sämtliche anderen Produkte zu 100 Prozent klimaneutral. CO₂-Emissionen kompensiert der Hersteller durch die Wiederaufforstung und den Schutz bestehender Wälder in Kenia auf einer Fläche von rund 200 000 Hektar Trockenwald. Weitere firmeninterne Massnahmen sind die Nutzung regenerativer Energien aus hauseigenen Fotovoltaikanlagen, die umweltfreundlichere Ausrichtung der Vertriebslogistik oder klimafreundliches Pendeln durch Jobtickets, Mitarbeitervelos sowie Stromtankstellen.

Praktische Software

Eine sehr spannende Idee kommt vom deutschen Start-up-Unternehmen Earth Rating (earthratings.com). Ihr Ansatz: Das Berliner Unternehmen hat ein Browser-Plug-in entwickelt, das Aufklärung bieten soll. Wie? Es will auf einfache Art zeigen, wie nachhaltig ein Unternehmen arbeitet, bei dem Anwender online bestellen. Das Add-on lässt sich nicht nur auf Kleidung, sondern auch auf Elektronik anwenden. Das kostenlose Webbrowser-Plug-in bietet Onlinekäufern eine schnelle Übersicht bezüglich der sozialen Auswirkungen des Produktkaufs, der Umweltbelastung, die der Hersteller durch das Produkt bewirkt, sowie der Produktinnovation und Produktqualität. Die Installation ist simpel: Nach dem Herunterladen des Plug-ins von der Herstellerwebsite erscheint das Symbol von Earth Ratings in der Adressleiste des Browsers, Bild 6.
Bild 6: Das Browser-Plug-in Earth Rating informiert direkt beim Kauf
Quelle: Screenshot
Die App befindet sich noch im Beta-Stadium, ihre Datenbank wird ständig um weitere Onlineshops/Hersteller und Produkte erweitert. Zudem wird die Software auch berücksichtigen, wie weit der Weg des Produkts ist – vom Rohstoff bis zum Lager beispielsweise – und wie einfach das Produkt recycelt werden kann.
Earth Ratings arbeitet mit «Rank a Brand» (rankabrand.de) zusammen, einem niederländischen Non-Profit-Unternehmen, das die Nachhaltigkeit von Unternehmen weltweit untersucht. In unserem Test benutzte der PCtipp die Seite amazon.com, bei der die Klassifizierung schon sehr gut funktioniert. Das Plugin verwendet Ampelfarben, um Benutzer schnell über die Qualität der Resultate zu informieren. Und: Da Nutzer ihre «eigene» Nachhaltigkeit unterschiedlich gewichten wollen, bietet die Software auch die Möglichkeit einer Personalisierung. Anwender können also wählen, welche der vier Kriterien ihnen am wichtigsten sind.

Reusing und Refurbishing

Bild 7: Bei Händlern wie Digitec.ch gibt es gebrauchte Geräte zu kaufen
Quelle: Digitec
Ältere, ausrangierte Hardware kann die Anforderungen der Nutzer oft genauso erfüllen, sodass ohne Qualitätseinschränkungen auf gebrauchte Hardware zurückgegriffen werden kann. Für den Kauf von gebrauchten IT-Geräten, dem sogenannten Reusing, gibt es technische Voraussetzungen sowie Spezifikationen, Bild 7. Oft stammen die Geräte aus einem gewerblichen Fundus, ist also professionelle und leistungsstarke Hardware. An einer Reparatur und Aufbereitung (Refurbishing genannt) sind meist lokal ansässige Kleinunternehmen beteiligt. Aber auch Onlinehändler wie Digitec.ch und Brack.ch bieten ihren Kunden gebrauchte Geräte an, mitsamt Garantie. Die Vorteile von Reusing: Investitionen für Neuanschaffungen lassen sich reduzieren und die Anhäufung von Elektronikabfall zumindest zeitlich aufschieben. Die Energieeffizienz steigt, Ressourcen und andere Rohstoffe können geschont werden, was dem ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitsgedanke zugute kommt.

Repair Cafés

Bild 8: Repair Café – Leute treffen und zusammen Geräte reparieren
Quelle: Repair Café
Bei einem Repair Café handelt es sich um eine Veranstaltung, an die Besucher defekte Produkte wie Haushaltgeräte, Textilien, Velos sowie eben auch Computer, Unterhaltungselektronik, Handys und Tablets mitbringen und entweder mit reparaturerfahrenen Personen oder allein reparieren können. Werkzeuge können von den Besuchern gratis genutzt und Ersatzteile vor Ort gekauft werden, Bild 8. Diese Reparaturveranstaltungen sind in der Regel kostenlos. Ausserdem kommt auch das Gesellige nicht zu kurz, denn man kann nebenbei Leute treffen und sich bei Kaffee und Kuchen unterhalten. Rund 125 Repair Cafés (repair-cafe.ch/de) in der Schweiz wollen einen Beitrag leisten, etwas gegen Ressourcenverschleiss und wachsende Abfallberge zu unternehmen. Dahinter steht die Stiftung für Konsumentenschutz, die in der Deutschschweiz als Coach und Koordinatorin tätig ist. Den kommenden Reparatur-Event in der Nähe findet man auf der Webseite unter Repair Café finden. Wer seinen Wohnort eingibt, erhält eine Liste der zukünftigen Events. Ausserdem findet man in den Suchresultaten Symbole, was repariert werden kann. Alternativ können Sie auch direkt über das Icon nach dem Gewünschten filtern, zum Beispiel Unterhaltungselektronik. Und: Falls es in Ihrer Gegend kein Reparatur-Kafi gibt und Sie ein passionierter Schrauber sind, können Sie auch ein eigenes Repair Café gründen. Die Stiftung bietet dazu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Weitere Informationen zu Reparaturen finden Sie auf reparaturfuehrer.ch, einer Kooperationsseite von Städten, Gemeinden und Kantonen. Hier finden sich unter anderem die Reparatur-News und ein Blog zum Thema.

Weitere Anlaufstellen

Die Webseite nachhaltigleben.ch informiert über Anlaufstellen, um Hardware zu reparieren. Beispielsweise werden in der PC-ReparierBar (pc-reparierbar.ch) Computer wieder instand gesetzt. Alternativ gibt es in Zürich das FabLab (zurich.fablab.ch) in der Nähe der Hardbrücke – eine öffentliche Werkstatt zum Selbermachen. Hier können Sie zum Beispiel einen 3D-Drucker, einen Laser-Cutter oder eine CNC-Fräse benutzen. Jeder kann während der Öffnungszeiten unverbindlich vorbeigehen. Die Nutzung der Maschinen ist aber ausschliesslich Mitgliedern vorbehalten (Jahresbeitrag: 156 Franken). Ausserdem finden dort regelmässig Workshops statt. Eine weitere Möglichkeit für Nachhaltigkeit ist beispielsweise, einen Artikel, den man nur einmal braucht, nicht zu kaufen, sondern auszuleihen. Entsprechende Elektronik kann man etwa in der «LeihBar Bern» ausleihen (mehr unter leihbar.ch).
Bild 9: Auch das Ausleihen bedeutet Nachhaltigkeit
Quelle: LeihBar

Welchen Beitrag kann ich leisten?

Dreh- und Angelpunkt ist das Re-/Upcycling, die Kampfansage an die Wegwerfmentalität. Gegenstände, die im Grunde für den Müll vorgesehen waren, können repariert oder so modifiziert werden, dass sie sich nicht nur weiter benutzen lassen, sondern auch für längere Zeit einen Neukauf überflüssig machen. Auch der PCtipp nimmt sich diesem Thema regelmässig an. Monatlich bieten wir im Heft Reparatur-Workshops an, bei denen wir defekte Hardware Schritt für Schritt wieder funktionstüchtig machen oder umrüsten. Das leistet einen kleinen, persönlichen Beitrag zum Schutz der Umwelt.
Eine Auswahl von bereits im PCtipp erschienenen Workshop-Artikeln finden Sie hier. Bitte beachten Sie, dass die PDFs von Heft-Artikeln nur für AbonnentInnen verfügbar sind:



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