Tests 18.12.2017, 08:00 Uhr

Test: Panasonic Lumix G9

Die kleine Schwester der GH5 will anders sein. Weniger Film, mehr Foto. Die Verwandtschaft sieht man trotzdem mit blossem Auge.
Das Micro-4/3-Format ist eine ganz eigene Welt. Eine Welt, in der Portabilität wichtiger ist als rohe Bildqualität. Und auch in dieser Welt gibt es verschiedene Philosophien, wie der Nutzer schlussendlich zum Ziel gelangen soll. Die beiden grossen Micro-4/3-Hersteller Panasonic und Olympus stehen sich etwa ähnlich gegenüber wie die beiden grossen APS-C-Hersteller Fujifilm und Sony. Olympus setzt ähnlich wie Fujifilm auf ein taktiles Retro-Erlebnis. Panasonic geht den Sony-Weg und geht den Weg der Moderne.
DSLR-Handhabung mit DSLM-Leistung

Äusseres und Bedienung

Die moderne Philosophie von Panasonic merkt man bei der Lumix G9 bereits von aussen. Die Kamera ist markant, kantig und prinzipiell wie eine moderne DSLR gebaut. Wie schon bei der GH5 gibt es einen tiefen Griff und viele anpassbare Knöpfe und Rädchen. Die G9 ist jedoch stärker auf Fotos ausgelegt und hat einige entsprechende Änderungen vorgenommen. Neu ist der Ein-Aus-Schalter rund um den Auslöser platziert. Das macht es einfacher, die Kamera häufig und einhändig ein- und auszuschalten. Zudem hat Panasonic der G9 ein kleines Infodisplay auf der Oberseite spendiert, da Fotografen häufig nicht so stark mit dem grossen Display als Sucher arbeiten eine willkommene Addition.
Einige Knöpfe wurden neu platziert. Unter leider auch der Video-Knopf der bei der G9 nur mit einer etwas merkwürdigen Verrenkung zu erreichen ist. Es sei denn man filmt auf Hüfthöhe und verwendet den Daumen, dann passt der Knopf bestens. Angenehm ist das neu kombinierte Rad für Modi und Drive. Statt einem grossen Modus-Rad rechts und einem kleineren Drive-Rad links gibt es neu ein grosses Modus-Rad links, mit einem eingebauten Drive-Regler darunter. Sehr angenehm zu Bedienen. Geschmackssache dürfte das Einstellungsrad auf der Rückseite sein. Statt im Körper verbaut ist das Rad neu oben aufgesetzt. Nicht für alle Daumen ein idealer Winkel, dafür etwas leichter zu drehen. Die Vor- und Nachteile gleichen sich etwa aus. Generell fühlen sich Knöpfe und Regler etwa gleich an wie bei der GH5. Das heisst etwas streng, mit etwas wenig Klickgefühl, aber durchaus gut.
Die meisten Tasten der G9 sind logisch platziert
Die Menüführung ist grösstenteils sinnvoll. Die wichtigsten Funktionen können leicht gefunden werden und tiefere Einstellungen sind nicht zu sehr in Untermenüs verschachtelt. In einigen Fällen reagierte das Menü etwas gar langsam. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass unser Testgerät mit einer nicht finalen Firmware geliefert wurde. Es ist wahrscheinlich, dass solche Menüstotterer bis zum Verkaufsstart im Januar 2018 ausgebessert werden. Gleiches gilt hoffentlich für den einzigen Bug, den wir im Test bemerkt haben: Die Funktion «Auslösen beim Antippen» schiesst bereits bei einem leichten antippen des Auslösers ein Foto. Egal ob die Funktion ein oder aus ist, die G9 löst bereits bei einem halben Druck aus, was in unserem Fall zu einigen Dutzend ungewollten Bildern geführt hat.
Generell ist die Bedienung der G9 angenehm. Es fehlt zwar das haptische Erlebnis, das Kameras von Fujifilm oder Olympus so einzigartig macht, dafür ist die G9 funktional sehr gut und randvoll mit Features.

Ausstattung

Wo es der Lumix G9 garantiert nicht fehlt ist bei der Ausstattung. Die Kamera beherrscht so ziemlich alles, was eine Digitalkamera in dieser Grösse draufhaben kann. Im Gegensatz zur GH5 hat Panasonic den Fokus ein wenig weg von Video und hin zur Fotografie gelenkt. Bei den Videomodi fehlen einige der ausgefalleneren Einstellungen, dafür gibt es mehr Spielereien für Freunde der unbewegten Bilder.
Da wäre zum Beispiel das 6K-Foto. Dabei wird eine Serie von Fotos mit 30 Bildern pro Sekunde in ein kurzes Video verpackt. Die einzelnen Frames bleiben jedoch als reguläre Fotos erhalten. Ebenso spektakulär ist der 80-Mpx-Modus, bei dem der Sensor achtmal einen Bildausschnitt vergrössert aufnimmt und danach ein gigantisches 80-Mpx-Bild zusammennäht.
Der tiefe Griff der G9 hilft bei der Handhabung
Besonders stark ist das Tempo der G9. 20 Bilder pro Sekunde mit konstantem Autofokus sind gerade für Wildlife- und Sportfotografen durchaus attraktiv. In dieser Kategorie kann sogar der kleine Sensor von Vorteil sein, da mit kleineren Brennweiten eine höhere Vergrösserung erreicht werden kann. Die G9 legt sogar noch nach und liefert einen ausgesprochen schnellen Autofokus nach, der Bewegungen aktiv verfolgt und entsprechend nachfokussiert, auch bei Videos.
Verfolgt wir die Action entweder über das 3-Zoll-Display oder den OLED-Sucher. Das Display ist nicht weiter spektakulär und bietet neben der Touch-Funktion nichts wirklich Auffälliges. Der Sucher hingegen ist angenehm gross und läuft in flüssigen 120 Hz. Etwas gewöhnungsbedürftig für Panasonic-Neulinge dürfte die Belichtungsanzeige sein. Diese blendet Informationen automatisch ein und aus, je nachdem was der Nutzer gerade tut. Den Balken mit Belichtungszeit und Blende sieht man beispielsweise nur, wenn gerade daran geschraubt wird. Bei perfekter Belichtung wird zudem der Belichtungsbalken durch ein Symbol ersetzt. Der Vorteil: weniger Bild wird durch Interface verdeckt. Man braucht aber eine Weile, bis man sich daran gewöhnt.
Bildstabilisierung (digital) ist ebenfalls eingebaut. Laut Panasonic soll die Kamera bis zu 6,5 Stops kompensieren können. In unserem Test verwackelten dennoch einige Bilder. Insgesamt macht die Bildstabilisierung der Panasonic G9 aber einen ausgezeichneten Job, vor allem im Videomodus.
Auf der nächsten Seite: Bildqualität

Bildqualität

Bildqualität

Die ewige Schwäche von Micro-4/3-Kameras ist die Bildqualität und trotz modernster Technik kann auch die Lumix G9 diesen Angstgegner nicht ganz überwinden. Schlecht sind die Bilder der G9 auf keinen Fall. Aber mit einer preislich vergleichbaren APS-C-Kamera kann die G9 nicht ganz mithalten. Allem voran fehlt es an Details. Das ist vor allem dann relevant, wenn die Bilder gross gedruckt werden sollen oder wenn stark zugeschnitten wird. Ist beides nicht der Fall, reicht die Bildqualität der G9 locker aus. Farben und Kontraste werden wunderbar festgehalten und sollten für praktisch alle Anwendungen von Amateur bis Profi ausreichen.
Der Detailgrad kommt nicht an grössere Sensorsysteme heran
Quelle: PCtipp
Für extreme ISO-Ansprüche wird es eventuell knapp: Über 6400 ISO sind die Fotos der G9 schon nicht mehr wirklich brauchbar. Da sind einige Konkurrenten noch etwas besser. Wir sprechen hier jedoch von Extremfällen.
In Standardeinstellungen gibt die G9 ordentliche und unspektakuläre JPG-Bilder aus, die sich nicht extrem von den RAW-Dateien unterscheiden. Letztere konnten wir leider noch nicht durch Lightroom jagen, da Adobe die Lumix G9 noch nicht unterstützt.
Mit einem besseren Objektiv kann sich die G9 noch steigern
Quelle: PCtipp
Ein Problem stellte sich uns beim Testen der Bildqualität der G9 zusätzlich: Die Bildqualität ist immer die Arbeit von zwei separaten Stücken Hardware: Dem Sensor und dem Objektiv. Genauso wie ein schönes Gemälde durch eine schlechte Plexiglasscheibe schlechter aussieht, kann auch ein toller Sensor ohne entsprechendes Glas davor nicht alleine für tolle Bildqualität sorgen. Im Gegenteil: Ein gutes Objektiv auf einer Einsteigerkamera ist fast immer besser als ein billiges Objektiv auf einer High-End-Kamera. Und schon wären wir beim Problem:

Kit-Objektiv

Die Lumix G9 gibt es entweder als Body oder mit zwei verschiedenen Kit-Objektiven. Einmal mit dem Lumix 12-60 mm (24-120 mm äquivalent) ƒ/3,5–5,6 und einmal mit dem Leica 12-60 mm ƒ/2.8-4.0. Wir konnten das Lumix-Modell testen und waren nicht gerade begeistert.
Das Kit-Objektiv bei 12 mm (24 mm Äquivalent)
Quelle: PCtipp
Das Kit-Objektiv bei 60 mm (120 mm Äquivalent)
Quelle: PCtipp
Eigentlich ist es Paradox. Ein wenig als würde man sich einen Ferrari-Motor in einen Fiat einbauen. Klar läuft die Karre schnell, bringt aber das Momentum nicht auf die Strasse und sieht immer noch aus wie ein Fiat. Ähnlich ist es beim Lumix-Kit-Objektiv. Es beginnt bei der mässigen Bauqualität, geht weiter bei der dürftigen maximalen Blendenöffnung und resultiert, logischerweise, in deutlich schwächeren Bildern, als die G9 eigentlich draufhätte. Wir empfehlen die G9 daher ohne das Lumix-Kit-Objektiv. Die Leica-Variante dürfte deutlich besser sein und wenn man schon 2000 Franken für eine Kamera ausgibt, sollte man nicht beim Objektiv sparen. Das wäre der falsche Ort. Lieber ein wenig am Body sparen und dafür gutes Glas davor.
Auf der nächsten Seite: Video und Fazit

Video und Fazit

Video

Auch wenn die G9 mehr auf Fotos spezialisiert ist als die GH5, ist der Videomodus beeindruckend. Gut, es fehlen einige Killer-Features, welche die GH5 von der Konkurrenz abheben konnten, wie der 400-Mbps-Codec und die 10-bit-Farben. Die G9 schlägt sich aber dennoch ausgezeichnet. 4K (3840 x 2560) bei 60p, 150Mbps, 8-bit sind das Maximum und für fast jeden Anwender locker genug. Dazu gibt es einen Superzeitlupen-Modus mit Full-HD und 180 FPS (30p, 20 Mbps). Sogar die Audioqualität des Kamera-Internen Mikrofons ist durchaus brauchbar. Einen Klinkenanschluss für ein externes Mikrofon gibt es ebenfalls, genauso wie ein Audio-Output zum Monitoring per Kopfhörer.
Kurz: Die Videofunktion ist nicht ganz auf dem professionellen Level der GH5 aber durchaus beeindruckend.
Praktisch ist im Videobereich auch das drehbare Display, womit sich die Kamera gut für Vlogger eignet. Der Autofokus erkennt dabei zuverlässig, wenn ein Gesicht im Bild ist und fokussiert entsprechend.

Fazit

Eigentlich wäre die Lumix G9 gerne anders als die grosse Schwester GH5. Und zu einem gewissen Grad schafft sie das auch. Aber die Verwandtschaft lässt sich trotz allem nicht verleugnen. Die G9 ist besser für schnelle Fotos gerüstet und büsst dabei ein paar Videofunktionen ein. Wirklich weg vom Video-Fokus ist die Kamera aber nicht und in Sachen Fotos ist sie der Konkurrenz aus dem APS-C-Bereich nicht überlegen genug, um den kleineren Sensor gänzlich zu kompensieren.
Wo die G9 ihre Stärken zeigen kann ist bei Action. Der rasante Autofokus und der kleine, leichte Body, kombiniert mit einer schnellen Serienbildfunktion machen die G9 zu einem ausgezeichneten Begleiter für actionreiche Abenteuer. Bei genügen spektakulären Aufnahmen macht dann auch die etwas schwächere Bildqualität nicht so einen grossen Unterschied.
Die GH5 und die G9 sind in Sachen Preis-Leistung sehr ähnlich. Allerdings fehlt der G9 das Verkaufsargument des unschlagbaren Videomodus’ der GH5. Sie schneidet zwar bei Fotos besser ab, aber dort ist auch die Konkurrenz deutlich härter.
Die Panasonic G9 ist noch nicht offiziell im Handel. Der Verkaufsstart ist im Januar 2018. Die Kamera kann unter diesem Link vorbestellt werden. Als Vorbesteller-Bonus erhalten Sie den passenden Batteriegriff zur G9 gratis dazu. Je nachdem wie die Detailhändler den Preis zum Produktlaunch nach unten korrigieren, kann sich das lohnen oder nicht. Die Lumix GH5 kam mit einem UVP von Fr. 2599.- auf den Markt und war relativ schnell für rund Fr. 2000.-erhältlich. Erfahrungsgemäss dürfte der Preisrutsch bei der G9 ebenfalls da sein, wenn auch in einem kleineren Mass.

Testergebnis

Video, Ergonomie, Funktionen
Bildqualität im Vergleich zu APS-C/FF, Kit-Objektiv, USB-B

Details:  20.3 Mpx, Micro-4/3, ISO 200-25’600, 4K/60p (150Mbps), FHD/180p, 6K-Fotomodus, digitaler Sucher, HDMI, Mic-In, USB-B, 2x SD, dreh- und wendbares Touch-Display

Preis:  Fr. 2099.-

Infos: 
panasonic.ch

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