News 10.07.2013, 09:04 Uhr

Strafanzeige gegen Unbekannt – und jetzt?

Im Zusammenhang mit den jüngsten Enthüllungen rund um Prism hat am Montag die Digitale Gesellschaft bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Was könnten die nächsten Schritte sein?
NSA-Hauptsitz, Maryland USA
Die Digitale Gesellschaft, deren Vereinigung sich aus mehreren Gruppen netzpolitisch interessierter Menschen zusammensetzt, hat montags eine Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Die Pressemitteilung liess verlauten, die Anzeige wurde insbesondere wegen verbotenem Nachrichtendienst bezüglich den Spionageprogrammen Prism und Tempora eingereicht.
Der Digitalen Gesellschaft zufolge ergäben sich mutmassliche Straftaten gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft und ihre Behörden sowie gegen die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft werde ersucht, eine Strafuntersuchung zu eröffnen, die Täterschaft zu ermitteln und entsprechend Anklage zu erheben, lautete am Montag die Pressemitteilung.
Wie geht es weiter?
Wir haben den verantwortlichen Pressesprecher der Digitalen Gesellschaft, Norbert Bollow, mit der Frage konfrontiert, was nun als Nächstes passieren könnte: eine nicht ganz einfache, aber gute Frage. Es gäbe zwei durchaus plausible Szenarien, die interessanter seien, als die aus Sicht Bollows wahrscheinlichste Variante, bei der sich Bundesanwaltschaft und Politik nicht wirklich um das Problem kümmern könnten.
Providerverträge mit US-Abkommen
Eine Variante sieht Bollow darin, in der Schweiz Mitverantwortliche spezieller Providerverträge, die der «CFIUS-Kontrolle» unterliegen, ausfindig zu machen: CFIUS («Committee on Foreign Investment in the United States») ist ein ressortübergreifender Ausschuss der US-Regierung, der die Auswirkungen von ausländischen Investitionen in amerikanische Unternehmen auf die nationale Sicherheit untersucht. Gemäss Washington Post wurde das Gremium 1975 durch US-Präsident Gerald Ford gegründet. Das CFIUS-Gremium hat unter anderem eine Telekomaufsichtsbehörde unter sich. Dieser Telekomaufsichtszweig wurde erst recht nach dem 11. September 2001 stark ausgebaut.
«Global Crossing Deals»
Hongkong beispielsweise hat sich früh aus einem Global Crossing Deal zurückgezogen, nachdem vonseiten «Team Telecom» Druck auf die chinesischen Provider ausgeübt wurde. Nach US-Gesetzgebung müssen Telekomfirmen, die mit den USA Geschäfte machen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene bei Überwachungsanfragen einwilligen – jedoch dürfen die US-Geschäftspartner selber keine Einsicht in die Telekomsysteme der USA erlangen, sagte gemäss Washingtonpost Andrew D. Lipman, ein US-amerikanischer Telekomanwalt.
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Parlament und Bakom

Parlament und Bakom
Ein zweites Szenario könnte nach Bollow darin bestehen, dass sich Parlament und Bakom, nach zunehemender Sensibilisierung der Öffentlichkeit, des Problems des Schutzes der Privatsphäre vor verbotener nachrichtendienstlicher Tätigkeit ernsthaft annehmen würden. Zusammenarbeit mit anderen Ländern ähnlicher Interessen solle im gleichen Zuge wahrgenommen werden. Daraus könnten nach Ansicht des Mediensprechers geeignete Massnahmen eingeleitet werden, um in nicht allzu ferner Zukunft angemessenen Menschenrechtsschutz im Internet im Hinblick auf die Privatsphäre zu erreichen. Bollow verweist in diesem Zusammenhang auf den jüngsten Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen. Nach Meinung Bollows sei der Bericht speziell für das Recht auf Meinungsäusserung und Meinungsfreiheit relevant: «Staaten können nicht versichern, dass Individuen fähig sind, frei nach Informationen zu suchen und diese auch zu veräussern, ohne dass deren Recht auf Privatsphäre geschützt und respektiert wird», heisst es beispielsweise in dem Bericht an einer Stelle.
Blosses Verbieten ist kein legaler Standard
Jedoch zeige die Realität, dass Verbote angesichts nachrichtendienstlicher Bespitzelung aus dem Ausland das Problem nicht lösen, so Bollow. Denn blosses Verbieten sei gemäss jenem UN-Bericht noch nicht «adäquate Gesetzgebung und legaler Standard, um Privatsphäre, Sicherheit und Anonymität von Kommunikation zu versichern». Norbert Bollow meint vor allem, es brauche ein koordiniertes internationales Handeln auf technischer Ebene, um durch die Entwicklung und Förderung geeigneter technischer Standards einen effektiven Schutz der Menschenrechte überhaupt erst zu ermöglichen. Ginge es nach Bollow, müsse das Parlament umgehend das Bakom beauftragen, um die notwendigen technischen Massnahmen zum Schutz der Privatsphäre in Angriff zu nehmen. Dies solle sowohl in der Schweiz als auch in Zusammenarbeit mit möglichst vielen anderen Ländern geschehen.

Autor(in) Simon Gröflin



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