News 28.03.2011, 11:09 Uhr

Boom: Schweizer E-Commerce im Detail

Der Onlineumsatz ist in den letzten zwei Jahren um 48 Prozent auf 8,68 Milliarden Franken gewachsen. Der Grund: Vor allem Silver-Surfer finden am Webshoppen Gefallen. Neu im Trend: M-Commerce und Social Commerce.
Auch in Zukunft wird im Internet die Kasse klingeln. Davon ist Prof. Dr. Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen überzeugt. Auch wenn der Onlineumsatz in den vergangenen zwei Jahren den bislang grössten Wachstumsschub in seiner Geschichte erfahren hat, prognostiziert er für die Zukunft ein nochmaliges Wachstum. Warum?
Luft nach oben
Weil die Internetnutzer immer besser mit dem Web umgehen können und sich so noch mehr Anwender an das Thema E-Commerce herantrauen und weil die technische Entwicklung stets voranschreitet. Wir sind zunehmend auch unterwegs mit dem Internet verbunden: Smartphones und Tablet-Rechner machen es möglich. Auch diese Geräte werden künftig eine grosse Rolle spielen.
Wer konsumiert?
Ein Umsatzplus von 48 Prozent. Wie ist das zu erklären? Vor allem die kaufkräftigen Silver-Surfer (die über 55-Jährigen), aber auch die Frauen haben der E-Commerce-Branche zu diesem Boom verholfen. Zwar surfen Männer noch immer öfter im Internet und kaufen entsprechend auch häufiger ein. Frauen jedoch eifern stark nach. Zudem kamen in den letzten Jahren 19 % mehr Internetnutzer hinzu, sodass insgesamt 82 % der Schweizer das Web nutzen.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Universität St. Gallen nach einer repräsentativen Befragung von 1000 Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten in 13 Städten.
Leidet der stationäre Handel?
Geht es nach Dr. Rudolph, dann muss der stationäre Handel nicht leiden. Schliesslich hätten viele lokale Händler den Schritt ins Web gewagt und dadurch vom Trend profitiert. E-Commerce führe zu Mehrkonsum und sei als Ergänzung zu betrachten. Eine grosse Rolle spiele auch der Gebrauchtwarenhandel.
Die Top-Branchen im Web
Wer kauft wo ein? Auch dieser Frage ist die Universität St. Gallen nachgegangen. Auf Rang 1 befindet sich Ricardo, gefolgt von Amazon und EasyJet. Auf Platz 4 befindet sich eBay, gefolgt von Ex Libris, Digitec, iTunes, TicketCorner, Ebookers und LeShop. Dass die Gunst der Käufer nicht bedingungslos und andauernd ist, zeigen folgende Daten: Amazon hatte vor zehn Jahren noch einen Share of Mind (Kauf-Präferenzwert/Marktanteil) von rund 20 Prozent. Dieser ist aktuell auf unter 3 Prozent gesunken. Ausserdem konnten sich über die Jahre nur 4 Anbieter in der Top-Ten-Liste halten. Alle übrigen wurden abgelöst. Unter anderem auch, weil immer mehr Firmen in den E-Commerce-Bereich drängen.
Zu den beliebtesten Produktarten, die im Internet gekauft werden, zählen Flugtickets, Ferienreisen, Bankdienstleistungen, Tickets und Software. Aber auch das unterliegt einem Wandel. Kleider und Möbel finden aktuell noch nicht so recht Anklang im Web. Aber auch hier lässt sich ein Trend in die positive Richtung erkennen.
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der typische, eidgenössische Internetsurfer

Spassfaktor nimmt zu
Interessante Details enthüllt die Studie auch über die typischen Schweizer Internetnutzer. Sie verbringen immer weniger Zeit mit dem Surfen an sich. Insgesamt verbrachten sie 18 % der Zeit weniger auf Portalen, dafür bei sozialen Netzwerken. Facebook ist in der Schweiz angesagt, während alle anderen Netzwerke an Nutzern verloren haben.
Internet zum Zeit totschlagen
Surfen bis die Zeit rum ist
Dass es sich bei den Schweizer Websurfern um erfahrene handelt, zeigt folgende Zahl: 77 % der User sind 6 Jahre oder schon länger online. Auch die Art der Webnutzung unterliegt einem Wandel: Der Spassfaktor gewinnt immer mehr an Bedeutung. Über 71 % nutzen das Web eher häufig, um mit anderen zu kommunizieren, 54 %, um sich zu amüsieren, 52 %, um sich zu informieren und ebenso knappe 52 %, um sich weiterzubilden. Interessantes Detail am Rande: 32 % nutzen das Web eher häufig, um die Zeit totzuschlagen. Nichts Neues hingegen ist, dass sich Web 2.0, das sogenannte Mitmach-Web, hoher Beliebtheit erfreut. Allerdings nimmt die passive Internetnutzung zu, während bedeutend weniger wirklich aktiv sind. Aktivitäten wie Telefonieren und Fernsehen via Web befinden sich auf steigender Nutzungskurve.
Die Top-10-Webseiten der Schweizer:
1. Google
2. Facebook
3. YouTube
4. Hotmail
5. Bluewin
6. GMX
7. Gmail
8. Wikipedia
9. Yahoo (vor 10 Jahren noch Nummer 1)
10. SBB
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Was der E-Commerce-Boom für Firmen bedeutet

E-Commerce und die Folgen
Für Firmen bedeuten die aktuellen Entwicklungen, dass sie sich anpassen müssen. Immer mehr Händler steigen auch online ein (Cross-Channel-Management). Eine Anpassung verlangen daher auch die Bereiche Marketing und Werbung. Die Werbebudgets werden künftig eher auf den Bereich online ausgerichtet sein. Die klassische Marketingstrategie und die traditionelle Markenführung müssen überdacht werden, da sich der Kaufprozess der Konsumenten durch das Web enorm verändert hat. Kanäle wie Twitter, Facebook, Blogs, YouTube und Co. müssen berücksichtigt werden, da sie vom potenziellen Kunden genutzt werden, um sich für ein Produkt zu entscheiden.
Fortsetzung folgt: M-Commerce und Social Commerce
Worauf achten die Kunden beim Onlineshoppen? Ist es der Preis? Nein. Gute Produkte und Bequemlichkeit zählen
Die neuen Trends heissen M-Commerce (mobile Geräte) und Social Commerce (über soziale Plattformen). Die Nutzung von mobilen Geräten hat direkten Einfluss auf die E-Commerce-Entwicklung. Gemäss Studienergebnisse wollen 53 % der Anwender das mobile Web nutzen, um Produkt- und Leistungsangebote in der Nähe zu finden. 31 % wollen Kundenbewertungen über Angebote in ihrer Nähe lesen. Daraus ist erkennbar, dass beispielsweise ortsbasierte Dienste noch Potenzial haben. Google setzt bereits auf dieses Konzept und offeriert zu gesuchten Orten zum Beispiel Restauranttipps.
Was Social Commerce betrifft, so ist Facebook der aktuell herausragendste Betreiber dafür. Wenn ein Kontakt beispielsweise Geburtstag hat, so listet Amazon via Facebook neu passende Geschenke auf. Auch diese Art, nämlich das Nutzen von sozialen Netzwerken, wird sich stärker verbreiten.
Handel hat kein «Mäschli»
Für Firmen werde es künftig keine Abgrenzung zwischen stationärem und webbasiertem Handel geben. Beides wird verschmelzen und sich gegenseitig ergänzen, nicht ersetzen. Davon ist Dr. Thomas Rudolph überzeugt.
Gibt es auch Stolpersteine? Ja!
E-Commerce könnte noch viel mehr boomen, doch gibt es gewisse Stolpersteine, die eine noch positivere Entwicklung verhindern: Gemäss Uni St. Gallen gibt es Fallen, die den Kunden vom Onlineeinkauf abhalten. Weil sie persönliche Beratung bevorzugen, weil der Einkauf im Geschäft schneller geht oder weil es zu kompliziert ist, im Web einzukaufen. Den beiden letztgenannten Punkten sollten Firmen bei Ihren E-Commerce-Unterfangen tunlichst mehr Beachtung schenken, dann steht einem neuerlichen Boom in Sachen E-Commerce eigentlich nicht viel im Weg.
Hinweis:
Die Studie zum Schweizer Onlinehandel und zur Internetnutzung Schweiz 2011 wurde aktuell zum siebten Mal vom Kompetenzzentrum E-Commerce am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen (Prof. Dr. Thomas Rudolph, Dipl.-Kfm. Oliver Emrich, M.A. HSG Tim Böttger) durchgeführt.



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