News 25.10.2013, 11:00 Uhr

NSA-Handy-Skandal weitet sich aus

Europa empört sich über den Handy-Skandal. Laut Papieren des Whistleblowers Snowden sind 35 Staatschefs von der NSA abgehört worden. Nun ist die Sache Thema beim EU-Gipfel. Auch die bundesrätlichen Smartphones sind Teil der Diskussion.
Nach dem vermuteten Lauschangriff auf das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel wird in Europa der Ruf nach Konsequenzen laut. Die Forderungen reichen von einer Unterbrechung der Freihandelsgespräche mit den USA bis hin zur Kündigung von Abkommen zur Datenweitergabe an die Amerikaner. Beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel schlug die Empörung unter Europas Politikern hohe Wellen.
EU-Parlamentschef Martin Schulz verlangte, die Gespräche mit den USA über eine Freihandelszone auszusetzen. «Ich glaube schon, dass wir jetzt mal unterbrechen müssen», sagte der SPD-Politiker kurz, bevor er die EU-Staats- und Regierungschefs traf. «Das ist kein Arbeiten auf gleicher Augenhöhe.»
Die EU verhandelt mit Washington seit Sommer über die Schaffung der weltgrössten Freihandelszone mit gut 800 Millionen Einwohnern. Experten hoffen auf bis zu 2 Millionen neue Arbeitsplätze.

35 Regierungschefs betroffen

Nach dem Eklat um Merkels Handy wurden die Spähaktionen des US-Geheimdiensts NSA zum Gipfel-Thema. Laut einem weiteren Geheimpapier, das Edward Snowden dem britischen Guardian gesteckt hat, wurden insgesamt 35 Regierungschefs weltweit abgehört. Namen werden in dem Papier nicht genannt. Allerdings wird in den Unterlagen festgestellt, dass seit 2006 gut 200 Mobiltelefone im Fokus der NSA waren. Diese lieferten allerdings nur «wenig brauchbares Material», da die Angegriffenen offenbar andere Kanäle nutzten, um sich über Verschlusssachen zu unterhalten. Die Abhörprotokolle hätten aber gute Hinweise zu Telefonnummern ergeben, auf die sich ein Lauschangriff dann eher gelohnt habe.
Ob die Schweizer Bundesräte nun zu den 35 «World Leaders» gerechnet werden können, bleibt dahingestellt. Dass sie sich in der Vergangenheit nicht gerade um abhörsichere Kommunikation bei heiklen Themen gekümmert haben, ruft heute aber der Tages-Anzeiger in Erinnerung. Die entspechend kritischen Berichte der Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat führten anscheinend dazu, dass unsere Magistraten sich die App Janus auf dem Smartphone installiert haben, mit der verschlüsselt telefoniert werden kann. Allerdings gibt der Tages-Anzeiger zu bedenken, dass mit Janus nur als «vertraulich» klassierte Gespräche geführt werden könnten, nicht solche, die als «geheim» gelten. Schliesslich sei die App nicht in der Schweiz hergestellt worden. Die Gefahr, dass eine Backdoor direkt in die NSA-Zentrale führt, ist also gegeben.

EU fordert schärfere Gangart

Die neusten Enthüllungen geben jedenfalls auch der Datenschutzreform neuen Schwung, über welche die EU seit Anfang 2012 diskutiert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verwies auf diese Pläne, die Europas Bürgern mehr Rechte an ihren Daten im Internet - etwa gegenüber US-Konzernen wie Google und Facebook - geben sollen. «Das war lange, bevor diese Themen aufkamen», sagte Barroso mit Blick auf den Spähskandal.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderte, beim EU-Gipfel den Weg für die Datenschutzreform freizumachen. «Wir brauchen jetzt grossen europäischen Datenschutz gegen grosse Lauschohren», sagte Reding der Bild-Zeitung. Datenschutz müsse für alle gelten. «Egal, ob es um die E-Mails der Bürger oder das Handy von Angela Merkel geht.»
Barroso unterstrich die Bedeutung des Datenschutzes: «Wir sehen das Recht auf Privatsphäre als ein Grundrecht an. (...) Das ist sehr wichtig, nicht nur für Deutschland.» Er erinnerte an die Erfahrungen mit der Stasi in der damaligen DDR.



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