Tests 19.10.2018, 11:06 Uhr

Im Test: Huawei Mate 20 Pro

Am vergangenen Dienstag hat Huawei in London unter grossem Getöse die neuen Mate-Phones vorgestellt. Wir haben uns ein Gerät geschnappt und es auf Herz und Nieren geprüft. Ist der Hype berechtigt?
Der Notch ist verhältnismässig breit
«Very powerful, very convenient» – also kraftvoll und praktisch – das waren die Adjektive, die Huawei-CEO Richard Yu wieder und wieder verwendete, um einzelne Features des Huawei Mate 20 Pro anzupreisen. Ähnlich wie diesen Frühling, als in Paris die P20-Serie vorgestellt wurde. Bis anhin waren die Reviere zwischen den beiden Geräte-Serien ja klar abgesteckt: Die Phone-Serie «P» und die Phablet-Serie «Mate». Blöd nur, dass der allgemeine Trend bei Smartphones zu immer grösseren Displays geht und somit den entscheidenden optischen Unterschied zwischen Phones und Phablets zunichtemacht. Wie also will man einen Unterschied schaffen?
Bereits optisch zeigt uns das Huawei vor: Das Gehäuse ist sowohl auf der Front als auch auf der Rückseite seitlich abgerundet, was ein wenig an die Edge-Familie der Galaxy-Familie von Samsung erinnert. Dies hat im grundlegenden Handling des Geräts zwei Vorteile: Es wirkt nicht mehr so klobig wie etwa das breite P20 Pro. Der zweite und entscheidende Vorteil: Es ist verhältnismässig schmal (7,3 Zentimeter). Das ist auch nötig, denn das Gehäuse des Mate 20 Pro beherbergt ein 6,39-Zoll-Display. Wäre das Gerät so breit wie sein Pendant aus der P-Serie, wäre die Bedienung für kleinere Hände mühsam geworden. So liegt es sehr angenehm in der Hand. Die zweite Augenfälligkeit ist der Notch – er wurde deutlich breiter als beim P20 – allerdings nur in der Pro-Version der Mate-Serie. Das normale Mate 20 hat einen Drop-Notch. Wieso das so ist, kommt später noch zur Sprache.
Nur 9,5 Millimeter dick ist das Mate 20 Pro
Das dritte und auffälligste Merkmal sind die Kameralinsen auf der Rückseite – drei an der Zahl, samt Blitz. Diese sind nämlich quadratisch angeordnet und wurden von Fachleuten schon liebevoll das «Kochfeld» genannt – denn so sieht es aus. Auffällig: Besagtes «Kochfeld» steht viel weniger aus dem Gehäuse raus als etwa die Kameras beim P20 Pro oder beim iPhone. Auf der Unterseite fehlt, wenig überraschend, der 3,5-mm-Klinkenanschluss. Selbst die grössten Audio-Enthusiasten haben sich wohl damit abgefunden, dass die Tage des mobilen Klinkenports gezählt sind. Nebst dem schmalen Gehäuse, das mit Klinke wohl nicht so schmal geworden wäre, liegt der Verzicht darauf an der IP68-Zertifizierung. IP68 bedeutet: wasserfest bis 1,5 Meter Tauchtiefe bis zu einer Stunde. Neben dem USB-C-Slot befindet sich auch der SIM-Tray; und da sind wir bereits bei Huaweis erstem Key-Feature: Huawei hat auf der Schublade nämlich einen zweiten Slot verbaut, der wahlweise zum Einsatz einer zweiten SIM-Karte dient oder eine NanoSD-Card zur Speichererweiterung aufnimmt. Das Format NanoSD wurde von Huawei entwickelt. Aber nein, es findet sich dennoch leider keine Karte im Lieferumfang, die muss separat gekauft werden.

Die Hardware

Verzichtet man auf eine NanoSD-Card, stehen beim Mate 20 Pro 128 Gigabyte Speicher zur Verfügung. Daneben gibts 6 GB RAM und den Kirin 980 – der erste Prozessor mit 7-nm-Architektur in einem Android-Phone (Octacore: 2 × 2,6, 2 × 1,92 und 4 × 1,8 Ghz). Weiter verbaut Huawei einen Akku mit 4200 mAh im Gerät – das ist ganz ordentlich Saft.
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Verzichtet man auf eine NanoSD-Card, stehen beim ...

Präzision ist gefragt

Nimmt man das Gerät in Betrieb – es kommt ab Werk mit Android Pie –, wird man unter anderem gebeten, einen Fingerabdruck zu registrieren. Nur wo? Ich schaue auf die Display-Unterkante – leer! Ich schaue auf die Rückseite und auf die Displaykante – beides leer! Der Fingerabdruckscanner befindet sich nämlich unter dem Displayglas. Das ist cool, benötigt allerdings zu Beginn eine Eingewöhnungsphase, denn man muss den Finger schon sehr genau positionieren, damit er beim Login erkannt wird. Allerdings wird, sobald man das Display irgendwo berührt, ein Icon eingeblendet, das dabei hilft, diesen Punkt genau zu finden. Eine weitere Möglichkeit zur Benutzeridentifizierung (nebst den üblichen Muster-/PIN-/Passwort-Geschichten) ist die Gesichtserkennung. Dort arbeitet Huawei mit einem Infrarot-Dotprojector – hat sich also mehr oder weniger bei Apples Technologie bedient und diese im eigenen Handy verbaut. Deshalb ist nämlich auch der Notch so breit wie etwa beim iPhone Xs.
Das Icon zeigt an, wo der Finger platziert werden muss
Einmal eingerichtet, gefallen die Farben und die Schärfe (545 dpi) des OLED-Displays. Hier setzt der Hersteller auf Quad-HD-Auflösung, also 3120 × 1440 Pixel. Für die Farbauthentizität und starke Kontraste sorgt die HDR-10-Unterstützung. Passend zum Launch hat Huawei auch die neuste Version von EMUI veröffentlicht, die Version 9.0, die das Nutzererlebnis verbessern soll. So kann das Handy nun per Wunsch komplett per Gestensteuerung bedient werden, sodass das Display zur Gänze verwendet werden kann, da die Bedienelemente (Kreis/Quadrat/Dreieck) ausgeblendet werden können. Funktioniert soweit ganz gut, allerdings ist der Nova-Launcher immer noch unser persönlicher Favorit.

Duracell war gestern

Zum Akku: Wie bereits erwähnt, verbaut Huawei einen Akku mit 4200 mAh im Gerät. Das ist viel. Auch der (vermeintlich berechtigten) Schnöderei, dass das Aufladen ewig und drei Tage dauern wurde, hat Huawei vorgebeugt: Im Lieferumfang befindet sich das neue Super-Fast-Charge-Netzteil, das mit 40 Watt lädt. Im Test hat dieser die Herstellerangaben erfüllt. In einer halben Stunde schafft es dieses Netzteil, den Ladestand von 0 auf 70 Prozent zu laden. Auf immerhin 15 Watt kommt man, wenn man das Gerät kabellos lädt (endlich!). Das coolste Feature im Akkubereich ist aber das sogenannte Reverse Charging. Das Mate 20 Pro kann nämlich anderen Smartphones, die den Qi-Standard unterstützen, Energie spenden. Dazu muss man die beiden Phones nur rückseitig aufeinanderlegen. Im Test klappte das mit dem iPhone X, dem Galaxy S8 und dem Sony XZ3. Wirklich nice. Auch bei hoher Nutzung hält der Akku übrigens gut 2 Tage ohne Ladung durch.
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Kamera, Preise, Fazit

Die Kameras: eine runde Sache – nur eckig

Die Kamera sieht ein wenig nach Kochfeld aus
Bei Huawei-Phones stets ein Keyfeature ist die Kamera. Also eigentlich die Kameras. Bereits beim P20 Pro hat die Triple-Cam viel Anerkennung erhalten. Beim Mate hat sich nun das eine oder andere geändert: Rückseitig sind die drei Kameras plus LED-Blitz quadratisch angeordnet. Es gibt eine Linse mit 40 Megapixeln und Weitwinkeloptik (ƒ/1,8), eine 8-Megapixel-Linse mit dreifach optischem Tele-Zoom (ƒ/2,4) und eine 20-Megapixel-Kamera mit Ultraweitwinkeloptik (ƒ/2,2), die aus Kleinstdistanzen (bis 2,5 Zentimeter) Makroaufnahmen hinkriegt, aber logischerweise auch grosse Gebäude oder Menschengruppen erfasst.
Die Super-Wide-Angle-Linse kann grosse Gebäude oder Menschengruppen einfangen
Die Monochrom-Cam des P20 Pro musste allerdings weichen, was sich bei Lowlight-Aufnahmen etwas bemerkbar macht. (Hinweis: Unser CMS verhackstückt die Qualität der Bilder leider erheblich, weswegen die Beispiele online nicht so aussagekräftig sind.) Ein weiteres Feature ist und bleibt natürlich die KI. Diese wurde für Kirin 980 nochmals überarbeitet. Sie wechselt beim Fotografieren automatisch in den passenden Modus, dröselt Bilder in bis zu 10 Einzelstücke auf und optimiert jedes davon hinsichtlich des Lichts und anderen Parametern, bevor sie diese wieder zusammensetzt. Während dies geschieht, sieht der Benutzer auch den Hinweis auf dem Display, man möge das Handy noch für einige Sekundenbruchteile ruhig halten, sodass dieser Prozess stattfinden kann. Beeindruckt hat uns aber vor allem der Bildstabilisator bei 4K-Videos. Dieser gleicht nicht nur dezent Zitterbewegungen aus, sondern widersteht auch grösseren Ruckbewegungen. Ach und: Animierte Emoji kann Huawei jetzt auch. Ein halber Zoo wartet darauf, die Fratzen nachzuschneiden, die der User vor der Front-Cam macht. Dies wird dann wahlweise als Video oder als GIF verschickt und geteilt.
Lowlight-Fotos leiden etwas unter der Abwesenheit der Monochromlinse, sind aber immer noch sehr gut

Preise und Verfügbarkeiten

Die Mate-Serie ist ab dem 2. November für 799 Franken, respektive 999 Franken (Pro) in der Schweiz erhältlich. Vorbesteller erhalten dazu noch eine Huawei Watch GT kostenlos (Kaufpreis: 199 Franken).

Fazit

Zweifellos hat das Mate 20 Pro gute Chancen auf den Titel «Smartphone des Jahres». Die Nachtfoto-Enthusiasten monieren zwar die weggefallene Monochrom-Cam, die Superweitwinkellinse kompensiert das aber wohl für die meisten Handy-Fotografen. Dazu beweist Huawei mit dem Reverse-Charging und dem Fingerabdruckscanner im Display einen innovativen Geist. Zusammen mit dem Monster-Akku und dem Superfast-Charging sind das genügend Gründe für die Bestnote fürs Mate 20 Pro.

Testergebnis

Akku, Reverse Charging, Fingerprintscanner, Super-Wide-Angle-Kamera, QHD+ OLED-Display
NanoSD neuer Standard (für SD-Card besitzer etwas nervig)

Details:  Kirin 980 SoC CPU, 6 GB RAM, 24 Pixel Front Cam, 40 Pixel Backcam, 4200 mAh Akku, QHD+ OLED Display

Preis:  Fr. 999.-

Infos: 
huawei.com

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