News 29.10.2001, 13:30 Uhr

Das sind die Schweizer Datenschutz-Sünder

Die «Preisträger» der Big Brother Awards 2001 haben sich alle im vergangenen Jahr als «Schnüffelratten» hervorgetan.
Gleichzeitig wurden am Freitagabend in der Schweiz, Deutschland und Österreich die Big Brother Awards (BBA) 2001 verliehen.
In einer den Oskar-Verleihungen nachempfundenen Zeremonie erkor eine Jury aus Politikern, Journalisten und Angehörigen verschiedener Institutionen jene Firmen und Institutionen, die in Sachen Datenschutz besonders negativ aufgefallen sind [1].
Initiator der BBA ist die englische Organisation "Privacy International" [2], die sich für die Rechte der Bürger im Bereich Datenschutz stark macht. In einer Botschaft an die Schweizer Organisatoren begrüsste die Privacy International die Awards in der Schweiz und stellte fest: "Der Bedarf an Aufklärung war noch nie so gross wie heute".
Gastredner am Anlass war der ehemalige (bis Juni 2001) Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern. Er zeigte auf, wie aktuellen Ereignissen sofort der Ruf nach Massnahmen folgt, welche die Freiheiten der Bürger einschränken. Als Beispiel nannte er die Forderungen der SVP, wieder Fichen anzulegen, eine einheitliche Polizeidatenbank oder ähnliche Bestrebungen, mit einer Datenanhäufung Terrorismus zu bekämpfen.
Dabei haben laut Guntern gerade die Terroranschläge vom 11. September gezeigt, dass "Sicherheitsmassnahmen" wie das Überwachungssystem Echelon keinen Vorteil in der Terrorbekämpfung gebracht haben: "Pauschale Überwachung provoziert Datenberge, die nicht bearbeitet werden können."
Die "ausgezeichneten" Institutionen scheinen sich ihrer Ehrung gar nicht bewusst zu sein. Die Krankenversicherung Swica hat den Award für eine so genannte Absenzenmanagement-Software erhalten. Damit können Unternehmen die Krankheitsdaten ihrer Mitarbeiter aufzeichnen und diese bequem mit anderen Unternehmen oder Versicherungen austauschen. Auf Anfrage wollte die Swica gar nichts von ihrem gewonnenen Award wissen. So war es denn der PCtip, der die zuständige Pressesprecherin auf die Homepage [3] der BBA verwies. Trotzdem kam die Swica zwei Stunden später zum Schluss, "dass uns die Inhalte und Kriterien, welche zu dieser Preisverleihung führten, unbekannt sind. Deshalb können wir Ihnen dazu leider keine Stellungnahme abgeben." Was wohl heisst: Kopf in den Sand und abwarten.
Noch schwieriger gestaltet es sich beim militärischen Nachrichtendienst, der für sein Satelliten-Überwachungssystem Onyx ausgezeichnet wurde. Dieses kann Kommunikationsdaten von Satelliten zur Bearbeitung auffangen. Der Informationschef des VBS, Oswald Sigg, war für eine Stellungnahme heute Morgen nicht erreichbar.
Die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten schliesslich erhielt den Award für die Bestrebungen, die kantonalen Datensysteme zu vernetzen. Zwar konnten hier sowohl die zuständigen Behörden in Bern wie auch leitende Polizeikommandanten erreicht werden, doch zu einer Stellungnahme liess sich niemand bewegen.
Die einzige positive Auszeichnung, der Winkelried-Award, wurde an den ehemaligen VPOD-Gewerkschaftsmitarbeiter Michael Jordi verliehen. Er hatte zusammen mit einer nicht namentlich bekannten Mitarbeiterin eines Callcenters gegen die Videoüberwachung am Arbeitsplatz gekämpft. Die Klage wurde gutgeheissen, die Kameras wieder deinstalliert.
Jordi sieht die Auszeichnung nicht als persönlichen Erfolg, aber er ist froh, "dass Schnüffelnasen gekürzt werden können", wie er gegenüber dem PCtip sagte. Für ihn ist wichtig, dass solche Themen vermehrt an die Öffentlichkeit getragen werden und nicht jeder Datensammler im stillen Kämmerchen machen kann, was er will.

Autor(in) Beat Rüdt



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