Tests 17.07.2014, 09:15 Uhr

Sicher: Krypto-Messenger im Test

Sicher soll, nun ja, sicher sein. Dazu setzt der Messenger von den Machern von IM+ auf Verschlüsselung sowie selbstzerstörende Nachrichten und verzichtet auf Vorratsspeicherung.
Die Entwickler des universellen Messengers IM+, die deutsche Shape GmbH, hat ein neues Projekt: Sicher. Der Name des Instant Messengers ist Programm – Sicherheit geht hier über alles. Nachrichten werden mittels asymmetrischer Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung (RSA, 1024 bit) verschlüsselt. Das heisst, dass nur der Empfänger diese entschlüsseln kann. Wie bei allen Cloud-basierten Messengern auch werden Nachrichten zwar auf den (deutschen) Servern des Unternehmens zwischengespeichert. Aufgrund der Verschlüsselung ist es aber auch Shape nicht möglich, die Nachrichten zu lesen. Zudem sollen Nachrichten unverzüglich von den Servern gelöscht werden, sobald sie an den Empfänger ausgeliefert werden konnten.
Überhaupt verspricht Shape, keinerlei Daten auf den Servern zu speichern. Zwar wird wie bei den meisten Messengern die Handynummer als einmalige Identifikationsnummer genutzt und das Adressbuch abgeglichen um andere Nutzer zu finden. Dazu werden aber die Handynummern lediglich periodisch zum Abgleich an den Server gesendet und anschliessend ebenfalls unverzüglich wieder gelöscht.

Etwas viele Berechtigungen

Wozu will die App die Berechtigung für In-App-Käufe?
Soweit die Theorie. In der Praxis hat uns bei der Installation erstaunt, wie viele Berechtigungen von Android für eine App, die sich Sicherheit und Datenschutz auf die Fahne geschrieben hat, eingefordert werden. Insbesondere die Berechtigung für «In-App-Käufe» hat uns irritiert, zumal die Entwickler auf der Homepage versprechen, dass zumindest «alle Features in der Version 1.0» von Sicher immer gratis bleiben werden. Konkret heisst das wohl, dass Version 1.1 oder spätestens Version 2.0 irgendwann einmal kosten wird. Irgendwie müssen die Entwickler ja Geld damit verdienen.
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Selbstzerstörung unausweichlich

Selbstzerstörung unausweichlich

Ansonsten geht die Einrichtung schnell von der Hand, nach Angabe der eigenen Handynummer erhält man einen Aktivierungscode per SMS, anschliessend muss man ein Master-Passwort erstellen. Alle Daten auf dem Gerät werden mit diesem Passwort verschlüsselt. Wer das Passwort vergisst, verliert alle Daten – es gibt keine Möglichkeit, dieses wiederherzustellen. Weiter muss man den «Selbstzerstörungs-Timer» für die Nachrichten festlegen. Dieser muss zwischen 30 Minuten und 15 Tagen liegen. Und lässt sich nicht deaktivieren. Heisst konkret: Spätestens nach 15 Tagen wird jede (und wirklich jede!) Nachricht aus Sicher gelöscht. Diesen Ansatz finden wir dann doch etwas extrem, schliesslich handelt es sich ja nicht um ein internes Kommunikationsmittel für Geheimdienste sondern um eine App für Otto-Normal-Bürger.

Hinter den Kulissen nichts aussergewöhnliches

Wie meist bei neuen Messengern ziemlich leer: Die Kontaktliste (abfotografiert)
Nach der Einrichtung synchronisiert die App zum ersten Mal die Kontakte. In unserer Kontaktliste befand sich gerade einmal ein Kontakt, der Sicher installiert hatte, offensichtlich aber auch schon wieder nicht nutzte. Aber dieses Problem hat jeder neue Messenger (und die allermeisten scheitern auch daran). Wer will, kann seine Freunde direkt über die App zu Sicher einladen. Zumindest theoretisch: Bei uns spuckte die App nur Fehler aus beim Versuch, andere einzuladen. Damit sind wir gemäss den Bewertungen im Play Store nicht alleine.
Die Chats selbst funktionieren wie man es erwartet. Nachrichten kamen im Test unverzüglich an, man sieht zudem wenn ein Kontakt online ist oder gerade schreibt, wie man das von WhatsApp und Co. kennt (das lässt sich aber auch deaktivieren). Etwas nervig ist beim Schreiben das sehr kleine Textfeld, in dem man maximal zwei Zeilen gleichzeitig sieht. Smileys scheint Sicher nicht zu kennen. Das Design der App ist sehr schlicht und übersichtlich, das gefällt. Im Hauptbildschirm wechselt man bequem zwischen Kontakte und Chats.
Man kann via Sicher auch Dateien verschicken. Diese werden ebenfalls verschlüsselt (allerdings symmetrisch via AES) und zerstören sich ebenfalls nach der vordefinierten Zeit. Allerdings hindert einen die App nicht daran, empfangene Dateien via E-Mail oder sonstige Kanäle weiterzuleiten resp. abzuspeichern. Weiter werden auch Gruppenunterhaltungen unterstützt, wobei auch hier alle Nachrichten verschlüsselt verschickt werden.
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Sicherheit überall, Fazit

Sicherheit überall

Der Chat-Bildschirm von Sicher (abfotografiert)
Die Sicherheit hört aber bei der Verschlüsselung nicht auf. Wer seine Nachrichten noch besser abriegeln lassen will, kann zusätzlich die periodische Eingabe des Masterpassworts für das Öffnen der App erforderlich machen. Push-Benachrichtigungen (die sich ebenfalls deaktivieren lassen) werden standardmässig anonymisiert angezeigt («1 ungelesener Chat»). Das lässt sich auf Wunsch jedoch ändern.
Ach ja: Wer denkt, den Selbstzerstörungsmechanismus der Nachrichten eben schnell mal austricksen zu können, indem er fleissig Screenshots macht, der täuscht sich: Die Screenshot-Funktion wurde innerhalb der App kurzerhand deaktiviert. Natürlich schützt das nicht davor, Texte mit Drittgeräten abzufotografieren.
Pluspunkte gibts dafür, dass die App vom Start weg die drei grössten Betriebssysteme (Android, iOS und Windows Phone) unterstützt. Die von uns getestete Android-Version wies allerdings noch ein paar Übersetzungsfehler («Daten werden in: selbstzerstört 3 Tage») und nicht übersetzte Stellen auf – etwas peinlich für eine App, die aus Deutschland kommt.

Fazit

Sicher ist sicher. Das trifft auch auf die gleichnamige App zweifelsohne zu. Für unseren Geschmack haben es die Entwickler zwar mit der Sicherheit ein wenig übertrieben, doch es dürfte sicherlich eine (kleine) Zielgruppe geben, die genau auf so eine App wartete.
Auf der anderen Seite passen die erforderlichen Berechtigungen der App nicht wirklich zum Datenschutzkonzept von Sicher und die künftige Finanzierung der App ist noch recht unklar. Insgesamt – und nicht zuletzt auch wegen der noch vorhandenen Fehler – bleibt so ein doch eher durchzogener Eindruck.

Testergebnis

Verschlüsselung, keine Vorratsspeicherung, OS-Support
Selbstzerstörung lässt sich nicht ausschalten, App-Berechtigungen, Textfeld zu klein, keine Smileys, Bugs

Details:  App für Android, iOS und Windows Phone

Preis:  Gratis (vorerst)

Infos: 
http://sicherapp.com

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