Einschätzung: Apple Vision Pro

Der nächste Kinoabend

Doch die eigentlichen Sensationen spielen sich im Inneren ab. Apple zeigte eine virtuelle Leinwand innerhalb der Brille, um einen Film in einer nahezu beliebigen virtuellen Grösse anzusehen. Dabei wird der restliche Raum von den Kameras erfasst und virtuell gedimmt, um eine behagliche Atmosphäre zu schaffen.
Eine Person isst Popcorn, während sie die Vision Pro trägt
So sieht ein Kino im Jahr 2024 aus
Quelle: Apple Inc.
Doch eigentlich spielt der Aufenthaltsort keine Rolle. Wenn im Haus nur noch die Besenkammer frei ist, reicht ein bequemer Stuhl für den Filmgenuss, denn die echte Umgebung lässt sich komplett austauschen. Das Open-Air-Kino in Miami ist genauso nah wie die Küste in Griechenland, über deren Wassern der neue Blockbuster schwebt. Die Umgebung riecht dann vielleicht nach Staubsauger, aber auch dafür wird sich eine Lösung finden.
Überhaupt: Vielleicht wird den 3D-Filmen (schon wieder) ein neues Leben beschieden, denn die Vision Pro schreit förmlich nach dreidimensionalem Futter. Doch da ist noch mehr: Weil das Wohnzimmer innerhalb der Brille nur als virtuelle Aufnahme existiert, steht einem Besuch der Protagonisten nichts im Weg. Last Action Hero lässt grüssen.
Ein virtueller Saurier scheint aus der Leinwand in das Wohnzimmer zu treten
Weil das Wohnzimmer rund um die Leinwand ebenfalls nur virtuell ist, werden Grenzen gesprengt
Quelle: Apple Inc.
Und schliesslich steht die Vision Pro für die erste 3D-Kamera von Apple, was eine völlig neue Art von Film für Privatanwender erlaubt. Die Brille signalisiert dabei nach aussen, dass gerade eine Aufzeichnung läuft. Es wird spannend, zu sehen, wie die Resultate wirken. Das Beispiel mit dem stolzen Papi, der den Geburtstag seiner Tochter mit aufgesetzter Vision Pro filmt, wirkt kurios; allerdings beschleicht mich der Verdacht, dass auch das nächste iPhone 15 mit einer 3D-Kamera kommen wird. Und dann wird die Vision Pro für Filmer fast zu einem Muss.
Die integrierten Kopfhörer der Vision Pro
Das sind die Kopfhörer, die für den 3D-Sound zuständig sind
Quelle: Apple Inc.
Fotos zeigen sich sowieso im besten Licht, wenn sie innerhalb des Wohnzimmers auf volle Grösse aufgeblasen werden. Das gilt erst recht für Panoramen, die laut Apple das Gefühl vermitteln sollen, dass man wieder mitten in der Szene steht. Blöd nur, dass ich fast nie solche extremen Breitbilder geschossen habe, weil mir die Wirkung auf einem regulären Display nie gefiel. Wer hätte das aber auch ahnen können?
Ein Panorama-Bild breitet sich vor einer Person mit einer Vision Pro aus
Panorama-Fotos aus dem iPhone bekommen plötzlich eine neue Bedeutung
Quelle: Apple Inc.

Ein zutiefst privates Gerät

Schnell wird klar, dass die Vision Pro für Singles gedacht ist – oder zumindest für Aktivitäten, die man allein ausübt. Denn die Brille wurde an der Keynote nie in einem Umfeld gezeigt, wo sie von mehreren Personen getragen wird. Sind Kinoabende zu zweit möglich? Wie sieht es in einer vierköpfigen Familie aus? Dabei dürfte die technische Herausforderung längst nicht so anspruchsvoll sein, wie die finanzielle: Vier Brillen à 4000 Franken müssen zuerst einmal gestemmt werden.
Bei der Verwendung wird ausserdem der Datenschutz eine gewichtige Rolle spielen, selbst innerhalb der Familie. Die Vision Pro agiert als natürliche Erweiterung zum Mac oder iPhone. Alle Daten in der iCloud sind einsehbar, vom Spesenzettel bis zum grenzwertigen Foto. Oder anders gesagt: Die Vision Pro ist nichts, das man an andere ausleiht – sondern ein zutiefst privates Gerät.

Der neue Arbeitsplatz

Natürlich soll die Vision Pro auch die Arbeit revolutionieren – und auch hier wartet ein endloses Potenzial. Apple betont dabei vor allem die Zusammenarbeit mit anderen Personen, etwa gemeinsame FaceTime-Besprechungen oder die kollektive Arbeit an einer Tabelle. Ein virtuelles Display lässt sich in 4K-Auflösung auf die gewünschte Grösse bringen, doch dabei bleibt es nicht: Mehrere Anwendungen und Fenster können im Raum verteilt werden, jedes einzelne hübsch umrahmt und mit seinem eigenen virtuellen Schatten.
Die Benutzeroberfläche der Vision Pro schwebt im Raum
Der virtuelle Home-Bildschirm
Quelle: Apple Inc.
Und selbst wenn jedes Mitglied der Gruppe eine Vision Pro trägt, sind die Gesichter ohne Brille zu sehen. Denn übertragen wird nicht das echte Konterfei, sondern der Avatar. Der könnte allerdings genauso als Memoji oder eine beliebige andere Figur in Erscheinung treten.
Eine Frau mit einer Vision Pro führt einen Videochat durch; links davon schwebt ein virtuelles Dokument im Raum
Links das Dokument, rechts die Mitstreiter im FaceTime-Chat
Quelle: Apple Inc.



Kommentare
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marze
06.06.2023
werden die Mitbewerber auf Jahre hinaus nichts vorweisen können, was auch nur in die Nähe dieser Brille kommt, während Apple die Spielregeln definiert? Das kann man doch noch gar nicht sagen. Samsung und andere asiatische Anbieter haben Apple in vielen Bereichen überholt und sind innovativer. Und ob diese Brille wirklich erfolgreich sein wird, ist auch noch offen.

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11291PCtipp
07.06.2023
Dieser Spacetop ist schon weiter: https://www.sightful.com/

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Klaus Zellweger
07.06.2023
So viel weiter, dass sie noch nicht einmal eine Auflösung nennen müssen? Und dass eine Computergrafik reicht, um die Echtheit zu beweisen. Mit dieser transparenten Brille kann man gemäss Werbevideo sogar in den Sonnenuntergang blicken und gleichzeitig in den virtuellen Fenstern arbeiten. Da spielt es auch keine Rolle, dass man einen Laptop mitschleppen muss, um die Brille zu nutzen. Und dass darauf kein Windows läuft, sondern ein proprietäres System, ein “unique AR operating system”. Also ich weiss nicht so recht … (Ja, ich habe mich auf deren Seite umgesehen und den Pressebereich durchwühlt. Da ist nichts ausser heisser Luft.)