News 05.06.2012, 15:00 Uhr

Raus aus der Always-on-Gesellschaft

Schweizer Erwerbstätige sind heute fast rund um die Uhr für Vorgesetzte, Kollegen und Kunden erreichbar. In dessen Folge leiden Produktivität und Gesundheit. Mit «Profile Switching» will Swisscom diesem Trend einen Riegel vorschieben.
Jeder zweite Berufstätige in der Schweiz ist nach Feierabend und am Wochenende geschäftlich erreichbar. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie von Swisscom in Zusammenarbeit mit 20 Minuten und dem Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob). So sind 57 Prozent der rund 2000 Befragten in ihrer Freizeit per Telefon (88%), E-Mail (65%) oder SMS (59%) für Vorgesetzte (88%), Kollegen (85%) sowie Kunden (23%) praktisch immer erreichbar. Als Grund für die allzeitige Erreichbarkeit ausserhalb der Arbeitszeit nannten die Studienteilnehmer die Verantwortung gegenüber Arbeitskollegen und Kunden.
Auch während der Arbeitszeit ist die Erreichbarkeit sehr hoch: 82 Prozent stehen am Telefon und 78 Prozent per E-Mail permanent zur Verfügung. Aber auch direkte Kommunikationsformen wie vorbeigehen (73%) oder berufliche Meetings (52%) lenken von der eigentlichen Arbeit ab. Bis zu 30 Prozent fühlen sich durch spontan vorbeikommende Personen und Telefonate während der Arbeitszeit eher bis sehr gestört und gestresst. Die Prozentzahl für Störungen ausserhalb der Arbeitszeit liegt noch höher.
Stress nimmt zu
Das alles führt zu einer unausgeglichenen Work-Life-Balance oder wie es neuerdings heisst Life-Domain-Balance, was wiederum zu Arbeits- und Kundenunzufriedenheit, Fehlerquoten, vermehrten Absenzen und reduzierter Leistungsfähigkeit führen kann. Wer beispielsweise drei Minuten lang durch Mails oder Telefonate abgelenkt wird, benötigt danach zwei Minuten bis er wieder auf dem Stand vor der Unterbrechung ist und seine eigentliche Arbeit fortsetzen kann. Neben arbeitsbezogener Konsequenzen hat die ständige Erreichbarkeit aber auch nicht arbeitsbezogene und stressbezogene Konsequenzen die sich in Lebensunzufriedenheit, Ehe- und Beziehungsproblemen oder in Form von psychosomatischen Symptomen, Depression und Burnout äussern können.
Zwar gaben 87 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Arbeitszeiten gut mit familiären und/oder sozialen Verpflichtungen vereinbaren können, doch wollen nur magere 2 Prozent immer erreichbar sein. 43 Prozent der Teilnehmer gaben auch an, dass Reisen und Ausflüge oder die Zeit mit Freunden und Kollegen zu kurz kommen. Zudem ist es 78 Prozent der Befragten wichtig, Arbeit und Freizeit zeitlich zu trennen.
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Ruhe mit Profile Switching

Die Studie hat auch die Versäumnisse seitens der Unternehmen herauskristallisiert: So werden die vorhandenen technischen Möglichkeiten heute noch sehr suboptimal genutzt. Zudem fehlen Standards zu deren Nutzung und werden die Erwartungen bezüglich der Nutzung der neuen Möglichkeiten nicht kommuniziert, sowie Mitarbeiter und Führungskräfte nicht genügend auf diese Themen sensibilisiert. Auch die Organisationsstrukturen und -prozesse sind bis dato ungenügend an die neuen Möglichkeiten angepasst. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass oft ein Change Management fehlt oder zumindest ungenügend vorhanden ist.
Das iafob empfiehlt Unternehmen ein Einführungsprojekt nicht nur als technisches, sondern als Veränderungs- oder (Re)-Organisationsprojekt zu planen. Dafür sollte gezielt, rechtzeitig und systematisch nach den Nutzungsmöglichkeiten der Technik gesucht und die Erwartungen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit einbezogen werden. Wie die Studie beispielsweise auch ergab, nutzen nur 19 Prozent der Befragten Telefon- und Videokonferenzen und nur zwei Prozent Social Media Plattformen zur Kontaktaufnahme während der Arbeitszeit. Ein Drittel würde generell die Möglichkeit begrüssen, zu ausgewählten Zeiten die Erreichbarkeit innerhalb und ausserhalb der Arbeitszeit einschränken zu können.
Ruhe mit Profile Switching
Hier setzt Swisscom mit seinem ab heute erhältlichen Tool «Profile Switching» an. Profile Switching wurde gerade als Weltpatent für die Nutzung in Europa, den USA und im chinesischen Sprachraum angemeldet. Mit dem Tool können Mitarbeitende steuern, wie und in welcher Art und Weise sie für wen erreichbar sein wollen. Mit Profile Switching lassen sich eingehende Anrufe auf das Mobiltelefon und auf Microsoft Lync sowie eingehende E-Mails auf Microsoft Exchange kontakt- und situationsspezifisch steuern.
Voraussetzung sind ein Swisscom Corporate Mobile Network (CMN) Abo sowie der Einsatz von Swisscom Managend Communications and Collaborations. Mit einem einfachen Klick lässt sich zwischen den vom Nutzer definierten Profilen wie Büro, nicht stören, Ferien usw. wechseln. Eingehende Anrufe und Mails können so empfangen oder umgeleitet, respektive zur späteren Bearbeitung «zurückgehalten» werden.
Das Angebot ist vorerst nur für Grossunternehmen erhältlich. Die einmalige Gebühr beträgt zwischen 3000 (nur für eingehende Anrufe auf das Mobiltelefon) und 9000 Franken (für Anrufe aufs Handy/Smartphone, auf Lync sowie eingehende E-Mails). Die Abonnementskosten kommen auf monatlich 9 Franken pro Nutzer zu stehen. An einem KMU-Angebot wird derzeit gearbeitet, hier wird eine ähnliche Lösung zu erwarten sein. Das Angebot für Privatanwender soll etwa Ende 2013 lanciert werden.

Autor(in) Susann Klossek



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