News 16.05.2014, 11:38 Uhr

Forensik: mit High-Tech dem Täter auf der Spur

Aufschneiden und fotografieren war gestern - Forensiker sezieren Leichen virtuell. PCtipp zeigt die High-Tech-Scanner der Schweizer Rechtsmediziner.
Untersuchungsraum des Instituts für Rechtsmedizin Bern mit Computertomografie, 3D-Oberflächen-Scanner
(Quelle: ch-fo/Institut für Rechtsmedizin Bern)
In Sendungen wie Akte X sind Agent Mulder und Scully Profiler, Action-Helden und Forensiker gleichzeitig. In der Realität teilen sich die Aufgabengebiete. Das hat auch einen anderen gewichtigen Grund: Bevor Ermittler vor Ort ihre Spurensicherung nicht abgeschlossen haben, darf keine Leiche abtransportiert werden. Zudem wäre der gewaltige technologische Fortschritt und das damit verbundene Fachwisssen der letzten zwanzig Jahre kaum von einem einzigen Fachspezialisten anwendbar.

Die Technik macht vieles möglich

Eine junge Frau wird von einem Auto angefahren und stirbt. Der Unfallverursacher begeht Fahrerflucht. Bei der Beweisaufnahme am Unfallort ist die klassische Fotografie passé – zum Einsatz kommen 3D-Scanner. De facto sind es eine Vielzahl von 3D-Scannern, einige davon kommen nachträglich in der Abteilung Rechtsmedizin zum Einsatz. Wo früher mit Skalpellen und Knochensägen gearbeitet wurde, sezieren heute Forensiker die Leichen virtuell. Dabei werden auch oberflächliche Verletzungen gescannt. Die junge Frau in unserem Beispiel knallte mit dem Gesicht auf die Motorhaube.
Links: Bisswunde am Arm, in der Mitte: das daraus modellierte Gebiss, rechts: Hautstück und Gebiss übereinander gelegt
Erst nach der Beerdigung der Frau wird ein verdächtiges Fahrzeug mit Schäden auf der Motorhaube gefunden. Nun nehmen die Forensiker einen Oberflächenscanner zur Hand. Dank der 3D-Koordinaten jedes Kamerapixels kann die Geometrie der Motorhaube pixelgenau mit dem Oberflächen-Scan der verletzten Hautoberfläche des Opfers abgeglichen werden. Es ist also möglich, einen Täter zu überführen, ohne dass die Totenruhe nachträglich gestört wird.
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 Die 3D-Scanner der Forensik

Oberflächen-Scanner

Die Kapo Bern und Zürich sind schon länger im Besitze eines 3D-Scanners zur Tatorterfassung vor Ort. Zunächst wird der Tatort von den Analytikern (den Ermittlern vor Ort) mittels speziellen Signalmasten abgesteckt. Ein Scanner sendet daraufhin Lasersignale aus und zeichnet die Bilddaten auf, die per WLAN an den PC gesendet werden.
Die «Pixelwolke» eines Oberflächenscans: Jedes Kamerapixel hat eine geometrische Position
Nachdem Unfall- oder Tatort dreidimensional dokumentiert wurde, kommt in der Rechtsmedizin ein Oberflächen-Scanner zum Einsatz, sagt Lorenzo Campana, Forensiker der Abteilung Rechtsmedizin der Uni Bern.
Mit einem optischen Streifenlichtscan werden zunächst Tatwerkzeuge und äussere Verletzungen erfasst. Ein solcher Oberflächen-Scanner besteht im Wesentlichen aus einem LCD-Projektor, einer Kamera, einem PC mit entsprechender Hardware und einer bildverarbeitenden Software. Dabei handelt es sich um dieselbe Scantechnologie, die von der Fachstelle Vermessung bei Unfallfahrzeugen zum Einsatz kommt, so Campana gegenüber PCtipp.

Mobile Scanner für lebende Opfer

Dieser Oberflächenscanner sei im Laufe der Jahre immer kompakter geworden. So sei die neuste Technologie in Bern ein mobiler Scanner, der handgeführt, sehr schnell und einfach 3D-Modelle von Verletzungen, aber auch vom ganzen Körper erzeugt. Der mobile Scannner sei vor allem ein grosser Vorteil, wenn lebende Opfer im Spital gescannt werden müssen, berichtet der diplomierte Ingenieur.

Ein Puzzle aus 3D-Scans

Zusätzlich können mit Computertomographie-Untersuchungen (CT) ebenfalls 3D-Modelle der Skelette, und somit 3D-Modelle von eventuellen Frakturen, generiert werden.
Nachdem der Körper in die Röhre geschoben wurde, werden durch das Röntgen Tausende von zweidimensionalen Schnittbildern des Körpers in einer 3D-Bildfolge aneinandergereiht. Die Computertomographie eignet sich speziell zur Darstellung von Knochenbrüchen, Fremdkörpern in Organen und durchschnittenen Adern.
Avatar eines Verstorbenen: links das Hautmodell, in der Mitte der Knochenbau und rechts ein in 3D-Software angepasstes Computermodell zur anatomisch korrekten Bewegung für Rekonstruktionen des Tathergangs
(Quelle: ch-fo/Institut für Rechtsmedizin Bern)
«Während die Verstorbenen bei uns im Institut einem Ganzkörper-CT unterzogen werden, verwenden wir von den Lebenden nur CTs, die im Rahmen der medizinischen Untersuchung durchgeführt wurden», erklärt der Forensiker.
Zum Schluss setzen sich die Igenieure an den Computer und setzten die 3D-Pixelgitter des Oberflächen-Scans und die Computertomotographie-Modelle zusammen. Daraus ergibt sich ein nahezu echt wirkender Avatar des Verstorbenen.

Autor(in) Simon Gröflin



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