News 02.02.2016, 12:36 Uhr

Ricardo: Wenn der Verkäufer die Ware nicht liefert

Unser Leser H.M. ersteigerte auf ricardo.ch zwei Kameras und einen Router. Nun wartet er seit einigen Wochen auf die Lieferung. Wie kann er sich wehren?
Es ist ein buntes Schnäppchentreiben auf der Auktionsplattform ricardo.ch. Einmal etwas kaufen, einmal etwas verkaufen: Das kann sich lohnen. Erst recht, wenn der Elektronikartikel nur einmal geöffnet und seither kaum verwendet wurde. So gutgläubig shoppte auch unser Leser H.M. auf dem Schweizer Auktionsportal, der sich von einem Anbieter gleich zwei IP-Kameras im Wert von je 50 Franken bestellt hatte. Dann, nach mehrtägigem Mailverkehr, die Ernüchterung: «Der Verkäufer weigerte sich, den einen Artikel zu liefern, unter der fadenscheinigen Ausrede, er sei runtergefallen mit einer Flasche Wasser und deshalb nicht mehr präsentierbar», echauffiert sich H.M.
Der Betrüger habe sich offensichtlich einen höheren Verkaufserlös erhofft und ginge nun der Vertragserfüllung nicht nach, vermutet der Schnäppchenjäger. «Der Anbieter weigert sich nun ausserdem, meine Mails zu lesen, welche er sofort bei Empfang löschen werde», schreibt uns H.M fassungslos. Das Schlimme daran: ricardo.ch unternehme zu wenig, glaubt der konsternierte User, nachdem ihm bereits ein ähnliches Szenario mit einem anderen «Deal» widerfahren sei: Statt eines Netgear Access Points wollte ihm der Verkäufer stattdessen auf einmal eine Fritz!Box anbieten, weil beim Aufschalten des Produkts ein Fehler unterlaufen sei.

Ricardo und das Bewertungssystem

«Es kann vorkommen, dass ein Produkt nach dem Kauf nicht den beschriebenen Eigenschaften entspricht», sagt Lars Hanf, Head of Marketing von ricardo.ch, den wir mit dem Vorfall konfrontiert haben. Tatsache sei, dass der Verkäufer gemäss AGB von ricardo.ch folgenden Pflichten nachgehen müsse: Entweder liefere er innerhalb von 14 Tagen die (defekte) Kamera, wie vom Käufer gewünscht. Damit riskiere er jedoch eine negative Bewertung, die er möglicherweise mit der Nicht-Lieferung vermeiden möchte oder er erstattet den bereits bezahlten Betrag dem Käufer zurück, so ricardo.ch.
Aber wie zuverlässig ist das Bewertungssystem? Unser User reklamiert, dass Kommentare von ihm sogar gelöscht wurden. Welcher Umgangston beim Kommentieren gepflegt wurde, konnten wir jedoch nicht eindeutig zurückverfolgen. Unzuverlässige Verkäufer oder säumige Zahler würden von der Internet-Community recht schnell als solche enttarnt, betont der Ricardo-Sprecher. Diese würden zukünftig nicht mehr beim Kauf berücksichtigt und erhielten Ware nur noch gegen Vorkasse.
Information
Grundsätzlich gilt: Wenn der Verkäufer nach Ablauf der gesetzten Frist seinen Pflichten nicht nachkommt, können Käufer und ricardo.ch den Verkäufer mahnen. Wenn auch diese Mahnung ohne Reaktion bleibt, kann der Käufer einen Antrag auf Käuferschutz stellen. Dieser deckt allerdings maximal Fr. 250.- (bei einem Selbstbehalt von Fr. 10.- oder 10 Prozent des Kaufpreises).

«Die Hürden für eine Verurteilung sind hoch»

«Ricardo.ch ist grundsätzlich nicht dafür verantwortlich, dass sich einige Nutzerinnen und Nutzer der Plattform allenfalls rechtswidrig verhalten», bestätigt Rechtsanwalt Martin Steiger. Ricardo selber könne höchstens in die Verantwortung genommen werden, wenn Nutzer, deren Fehlverhalten gemeldet wurde, weiterhin auf der Plattform ihr Unwesen treiben dürften. «Aus diesem Grund müssen sich die Nutzer in erster Linie selbst schützen – zum Beispiel durch Zahlung erst nach erfolgter Lieferung.»
Der IT-Rechtsexperte Martin Steiger rät zum Selbstschutz auf ricardo.ch
Was aber, wenn es hart auf hart kommt und man sich für die nicht erhaltene Ware gerichtlich zur Wehr setzen will? «Nutzer, die von Online-Auktionsbetrug betroffen sind, sollten in Erwägung ziehen, Strafanzeige wegen Betrug zu erstatten», so Steiger. Die Hürden für eine Verurteilung seien allerdings hoch, denn Betrug setze Arglist voraus. «Wenn der Betrug durch ein Minimum an zumutbarer Vorsicht hätte verhindert werden können, ist der Straftatbestand nicht erfüllt. Leider können Betrüger diese Rechtslage zu ihrem Vorteil missbrauchen.» Der Rechtsanwalt empfiehlt, unabhängig davon, der Schweizerischen Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) eine Meldung wegen Betruges zu erstatten.
Welche Erfahrungen haben Sie auf ricardo.ch gemacht? (PCtipp-Forum)

Autor(in) Simon Gröflin



Kommentare
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Rungard
02.02.2016
Wie im echten Leben tummeln sich auf diesen Plattformen allerlei Leute. Im Vergleich zu Tutti.ch hast du bei Ricardo.ch den Vorteil, dass du einigermassen abgesichert ist und nicht jeder Spassvogel ohne Adresse Gegenstände verkaufen kann. Dafür bezahlt man aber relativ saftige Gebühren (8%). Bei Tutti.ch bin ich auch schon mal auf die Nase gefallen.. Kam dann aber noch mit einem blauen Auge davon.. Tipp für Tutti: Ist ein super Angebot schon seit mehr als einer Woche drin (zb. neuwertiges IPhone 5S für 100Fr.) und der Verkäufer versteckt sich hinter einem Pseudonym bzw. rückt mit seiner eigenen Adresse nicht heraus, ist das Angebot meist unseriös. Und was machte sie? Sie bewertete mich negativ mit dem Hinweis: "Achtung, diese Käuferin ist nicht vertrauenswürdig!" Das gab den Garaus: Ich löschte sofort mein Ricardo-Profil/Konto. Nein, Ricardo kommt mir vor wie ein Brocki, nur Online gesetzt. Für diesen Fall gibt es ja bei Ricardo neu die folgende Funktion: Bewertungslöschung beantragen Sind Sie mit einer erhaltenen Bewertung nicht einverstanden? Oder haben Sie eine falsche Bewertung abgegeben? Hier können Sie einen Bewertungslöschungsantrag an Ihre Gegenpartei stellen. Oder Ihre abgegebene Bewertung löschen lassen. Musste die Funktion zwar selbst noch nicht ausprobieren, sollte aber sicher funktionieren. ;) PS: Ja, auf Tutti.ch gibts oft Mondpreise. Einige glauben echt, ich bezahle denen für ein gebrauchtes Produkt (zb. Smartphone) mehr, als es aktuell in einem Online-Shop kostet. Sachen gibts, ...

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speedy2008
03.02.2016
Ricardo & Co. Das mit der Bewertung habe ich auch gefunden und ausprobiert, aber wie fast alles bei Ricardo ist es umständlich, um 7 Ecken rum quasi, und dann muss man sich auch noch rechtfertigen. Antrag stellen für eine Missbewertung? Das ist so altmodisch! Dabei heisst es bei den Foren immer: Der Beitrag wird erst nach Prüfung veröffentlicht! Das ist bei Ricardo offensichtlich ein Fremdwort. Die tun sich modern und unkompliziert. eBay ist und bleibt die Mutter als Verkaufsportale, und die setzen sich auch dafür ein. Die Gebühren bei Ricardo sind natürlich auch der Gipfel: ich habe einen Pelzmantel eingestellt - auch sehr kompliziert mit dem Inseratmanager -, der vielleicht 2 Monate lief und nicht verkauft wurde. Nach 3 Monaten wurde ich dann mit einer saftigen Einstellgebühr gemahnt... Ich fiel aus allen Wolken, dachte ich doch immer, dass keine Kosten anfallen, wenn der Artikel nicht verkauft werde. Ein Witz natürlich auch, nach meiner Kundenbeschwerde (schriftlich) die Retourkutsche von Ricardo (Antworthülse): "Wie zufrieden waren/sind Sie mit unserem Kundendienst?" Meine Bewertung kann man sich denken. Wie im echten Leben tummeln sich auf diesen Plattformen allerlei Leute. Im Vergleich zu Tutti.ch hast du bei Ricardo.ch den Vorteil, dass du einigermassen abgesichert ist und nicht jeder Spassvogel ohne Adresse Gegenstände verkaufen kann. Dafür bezahlt man aber relativ saftige Gebühren (8%). Bei Tutti.ch bin ich auch schon mal auf die Nase gefallen.. Kam dann aber noch mit einem blauen Auge davon.. Tipp für Tutti: Ist ein super Angebot schon seit mehr als einer Woche drin (zb. neuwertiges IPhone 5S für 100Fr.) und der Verkäufer versteckt sich hinter einem Pseudonym bzw. rückt mit seiner eigenen Adresse nicht heraus, ist das Angebot meist unseriös. Für diesen Fall gibt es ja bei Ricardo neu die folgende Funktion: Bewertungslöschung beantragen Sind Sie mit einer erhaltenen Bewertung nicht einverstanden? Oder haben Sie eine falsche Bewertung abgegeben? Hier können Sie einen Bewertungslöschungsantrag an Ihre Gegenpartei stellen. Oder Ihre abgegebene Bewertung löschen lassen. Musste die Funktion zwar selbst noch nicht ausprobieren, sollte aber sicher funktionieren. ;) PS: Ja, auf Tutti.ch gibts oft Mondpreise. Einige glauben echt, ich bezahle denen für ein gebrauchtes Produkt (zb. Smartphone) mehr, als es aktuell in einem Online-Shop kostet. Sachen gibts, ...

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stebra
03.02.2016
Grundsätzlich gute Erfahrungen mit Ricardo Ich mache seit über 10 Jahren mit bei Ricardo und habe wahrscheinlich etwa 300 Käufe/Verkäufe getätigt. Wirklich negativ war bisher nur der Kauf eines iPod-Docks aus der Westschweiz. Es funktionierte nicht. Ich machte verschiedene Vorschläge, um die Spesen (Versandkosten) niedrig zu halten, die Verkäuferin bestand aber auf Rücksendung. Ich erhielt dann aber weder Ersatz noch Geld. Eine negative Bewertung wurde umgehend mit einer ebenso negativen Bewertung beantwortet. Erst nach längerer Zeit und vielen Mails und Löschen der Bewertungen und Einschaltung von Ricardo erhielt ich doch das Geld zurück. Was ausschlaggebend war, weiss ich nicht. Ich versuchte mit meinem Schulfranzösisch immer freundlich und sachlich zu bleiben, was umgekehrt nicht der Fall war. Ansonsten gab es höchstens Verzögerungen mit der Zusendung oder der Bezahlung (eigentlich kein Problem, da Vorauszahlung) oder defekten Artikeln, die rückerstattet wurden (auch Verkäufe von mir). Nicht zu vergessen sind aber viele wirklich nette Kontakte, z.T. eingehend auf spezielle Übergabewünsche. Vielleicht hatte ich v.a. auch Glück, ich denke aber, über die Ausschreibung, die Bewertung der anderen und vielleicht eine vorab gestellte Frage, kann man schon etwas vom Geist des Verkäufers herausfinden.

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dave36
04.02.2016
Ricardo Verkäuferschutz funktioniert seit Wochen nicht! Da sieht man wieder wie die Theorie von der Praxis entfernt ist. Der Redaktor hat anscheinend den Verkäuferschutz nie ausprobiert, denn wenn man diesen ausfüllen möchte erscheint seit 2 Wochen (!) die IIS-Fehlermeldung 405 - HTTP verb used to access this page is not allowed. Habe dies bereits vor 2 Wochen Ricardo gemeldet, aber Sie haben anscheinend keine Lust das Problem zu beheben. Das zum Thema wenn der Käufer nicht seriös ist und Ricardo sich aus der Verantwortung zieht...