Tests 13.12.2011, 12:27 Uhr

Lumia 800: Nokias Windows Phone im Test

Nokia will mit dem Lumia 800 und Windows Phone 7.5 an Bord verlorene Marktanteile zurückgewinnen. Im Test spielt das Smartphone der Finnen seine Stärken aus, offenbart aber auch Schwächen.
Mit dem Lumia 800 hat Nokia unlängst sein neues High-End-Smartphone vorgestellt, das gleichzeitig eines der beiden ersten Geräte des finnischen Herstellers mit Windows Phone 7.5 als Betriebssystem ist. Während das Nokia Lumia 800 in einigen europäischen Märkten wie etwa Deutschland bereits seit Mitte November erhältlich ist, müssen sich die Schweizerinnen und Schweizer noch bis Mitte Januar 2012 gedulden. Interessierte können das Gerät beim Regensdorfer Telekomspezialisten Mobilezone allerdings bereits vorbestellen.
Sieht man sich die inneren Werte des Smartphones an, dann wird klar, dass Nokia das Lumia 800 gegen Geräte wie das Samsung Galaxy S2 oder das iPhone 4S ins Rennen schickt. Zusammen mit Microsoft möchte Nokia schliesslich ein drittes Ökosystem etablieren, in dessen Zentrum Windows Phone 7.5 stehen soll. Ob das dem Lumia 800 gelingt, zeigt der ausführliche Test.
Hardware
Nokia bietet das Lumia 800 in diesen drei Farben an
Im Lumia 800 setzt Nokia den Snapdragon-Chipsatz von Qualcomm ein, dessen Single-Core-CPU mit 1,4 GHz Taktfrequenz arbeitet. Die Grafikberechnung übernimmt ein Adreno-205-Chip, der ebenfalls von Qualcomm stammt. Dem Prozessor stehen 512 Megabyte RAM zur Seite, womit das Lumia 800 im guten Mittelfeld liegt. Manche Android-Geräte wie beispielsweise das HTC Evo 3D bringen aber den doppelten Arbeitsspeicher mit. Im Test verarbeitet das Lumia 800 alle Eingaben schnell und präzise, Pausen oder steckengebliebene Apps kamen nicht vor. Apps und auch Spiele starten schnell. Wie bei allen Windows-Phone-7-Geräten lässt sich der interne Speicher von 16 Gigabyte nicht erweitern. Für den Nutzer sind davon etwa 13 Gigabyte verfügbar, den Rest nehmen Betriebssystem und vorinstallierte Apps ein.
Für die Kommunikation mit der Aussenwelt verfügt das Lumia 800 über alle aktuellen Funkmodule. Dank HSPA+ sind unterwegs theoretisch Download-Raten von bis zu 28,8 Mbit/s möglich. Im Upload liefert HSUPA eine theoretische Maximalleistung von 5,8 Mbit/s. Um diese Idealwerte zu erreichen, muss aber nicht nur das jeweilige Netz optimal ausgebaut sein, sondern sich das jeweilige Smartphone als Einziges an einer Funkzelle anmelden. Die Bandbreiten-Test-App BandWidth zeigte in der Praxis akzeptable 5,24 Mbit/s im Downstream und etwa 1 Mbit/s im Upstream. Um unterwegs Facebook zu befüllen, reicht die Geschwindigkeit also locker aus. Im WLAN funkt das Lumia 800 gemäss 802.11 b/g/n.
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Display

Display
Nokia setzt beim Display auf eine OLED-Lösung und das zahlt sich aus: Die Farben wirken knackig. Vor allem mit dem schwarzen Hintergrund kommt die Metro-Oberfläche mit Kacheln und dem Fokus auf weisser Schrift sehr gut zur Geltung. Die Helligkeit ist solange ausreichend, wie keine direkte Sonnenstrahlung auf das Lumia 800 trifft. Auch die Blickwinkel haben im Test überzeugt: Selbst wenn man das Smartphone flach hinlegt und von der Seite betrachtet, kommt es zu keinen verfälschten Farben. Der kapazitive Multi-Touch-Bildschirm löst mit 480 x 800 Pixeln auf. Bei einer Bildschirmdiagonale von 9,4 cm kommt das Lumia 800 damit auf 252 Pixel pro Inch (PPI) - weit unterhalb des iPhone 4S mit 326 PPI, aber auch über dem Samsung Galaxy S2 mit 218 PPI.
Für Eingaben steht die virtuelle Tastatur von Microsoft zur Verfügung. Die funktioniert im Test überraschend gut und kann es durchaus mit dem Apple-Pendant aufnehmen. Zusätzlich lassen sich etwa Suchbegriffe auch per Spracheingabe diktieren. Ähnlich wie bei Apples Siri werden die Informationen anschliessend übers Web analysiert, bevor eine Antwort gegeben wird. Microsoft nutzt dafür den hauseigenen TellMe-Dienst. Und ähnlich wie bei Siri kommt dieser bei deutschen Geräten schnell an seine Grenzen. Für kurze Anweisungen funktioniert er aber gut.
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Software

Software
Auf dem Lumia 800 ist Windows Phone 7 mit dem kürzlich erschienen Mango-Update installiert. Das bringt zahlreiche Verbesserungen wie die Möglichkeit, Daten im Hintergrund abzufragen oder einen weiterentwickelten Internet Explorer.
Nokia hat keine Änderungen an der Oberfläche vorgenommen, weil Microsoft das - im Gegensatz zu Google bei seinem Android-Betriebssystem - auch gar nicht zulässt. Allerdings liefert der finnische Hersteller eine Reihe von eigenen, vorinstallierten Apps mit. Bevor es losgehen kann, benötigt man jedoch ein Update aus dem Marketplace. Die drei vorinstallierten Apps sind Nokia Karten, Nokia Navigation und Nokia Musik, ein alternativer MP3-Shop, der zudem über anstehende Konzerte informieren kann. Nokia Karten und Nokia Navigation basieren auf dem sehr guten Kartenmaterial von Ovi Maps (das wiederum von der Nokia-Tochter Navteq bestückt wird). Während die Karten-App langfristig für alle Windows-Phone-7-Geräte verfügbar sein wird, bleibt die Navigationslösung den Nokia-Geräten vorbehalten. Die Offline-Nutzung des Kartenmaterials ist zudem nur für Nokia-Smartphones geplant.
Windows-PCs werden über die Zune-Software mit dem Smartphone verbunden, die sich vom Design und den Funktionen her deutlich vom Windows Media Player unterscheidet. Die Software ist schnell und lässt sich für die Wiedergabe und zur Synchronisation von Medieninhalten gut nutzen. Wie jedes Windows-Phone-Gerät lässt sich das Lumia 800 nicht nur per USB-Kabel, sondern auch per WLAN abgleichen. Für Mac-Besitzer gibt es ebenfalls eine passende Desktop-Software, den Desktop Connector. Dieser kann beispielsweise Musik, Filme, TV-Sendungen und Podcasts aus iTunes mit dem Endgerät abgleichen.
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Technik

Technik
Zur Akkulaufzeit: Im praktischen Einsatz (WiFi und 3G an, Push-Benachrichtigungen von E-Mails und Facebook-Chat aktiviert) hielt das Lumia 800 im Test eineinhalb bis zwei Tage durch. Damit liegt das Nokia-Smartphone im Mittelfeld, die Laufzeit entspricht etwa dem Apple iPhone 4S oder gleichwertigen Android-Geräten. Allerdings halten andere Testgeräte offenbar nur deutlich kürzer durch. Nach der Veröffentlichung des ersten Windows Phones von Nokia hatten sich Kunden über ungewöhnlich kurze Akkulaufzeiten beschwert. Seit Kurzem liefert Nokia allerdings bereits ein Update für das Lumia 800 aus. Damit werden laut Nokia auch Verbesserungen am Akkuladevorgang vorgenommen.
Eigentlich kann Windows Phone 7.5 das Smartphone in einen WLAN-Hotspot verwandeln, um die Internetverbindung mit anderen Geräten zu teilen. Während das etwa beim HTC Titan einwandfrei funktioniert, klappt das mit dem Nokia Lumia 800 derzeit nicht. Auch hier will Nokia allerdings noch nachbessern und verweist auf mögliche Probleme mit der US-amerikanischen Regulierungsbehörde FCC, die es vorab zu klären gilt.
Die Verarbeitung des Lumia 800 lässt dagegen kaum Raum für Kritik. Nokia steckt das Lumia 800 in einen Unibody, der hochwertig wirkt. Wer sein Gerät zusätzlich schützen möchte, der findet im Karton eine passende Gummihülle. Auch die Sprachqualität des Nokia Lumia 800 ist gut.
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Ausstattung

Ausstattung
Nokia verwendet im Lumia 800 eine Kamera mit 8 Megapixeln, die auf Objektive von Carl Zeiss setzt. Das bedeutet in der Praxis, dass das Lumia 800 für ein Smartphone gute Bilder abliefert. Zwei LEDs fungieren als Blitz, sodass auch bei schlechtem Umgebungslicht noch akzeptable Bilder gemacht werden können. Allerdings gibt es keine Frontkamera, wodurch Videotelefonie unpraktisch bis unmöglich wird. Vor allem im Hinblick auf einen möglichen Skype-Client ist das schade. Das ist besonders unverständlich, da Nokia seit seinem ersten UMTS-Smartphone nahezu alle hochwertigen Symbian-Geräte mit einer Frontkamera ausgestattet hatte.
Die Bilder und Videos sind zwar gut, wer sie allerdings auf einem DLNA- oder HDMI-fähigen Wiedergabegerät präsentieren möchte, der schaut in die Röhre. Nokia bietet weder eine Unterstützung für HDMI (oder die mobile Alternative MHL) noch einen integrierten DLNA-Client. Das machen andere Geräte, sowohl mit Windows Phone 7 als auch mit Android, besser.
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Handling

Handling
Das Nokia Lumia 800 wiegt 142 Gramm. Zusammen mit den Abmessungen von 6,1 x 11,6 x 1,2 cm lässt es sich angenehm in der Tasche tragen. Mit Leichtgewichten wie dem Samsung Galaxy S2 (116 Gramm) kann das Nokia-Smartphone allerdings nicht mithalten.
Wie von Microsoft vorgeschrieben, verfügt das Lumia 800 über drei Sensortasten am unteren Bildschirmrand (Zurück, Windows und Suche) sowie eine separate Taste, mit der sich die Kamera auslösen lässt. Nokia hat alle Hardware-Tasten auf der rechten Seite angebracht. Neben dem Auslöser liegt der Ein/Ausschalter sowie die Lauter/Leiser-Tasten. Am oberen Ende verbirgt sich hinter einer Abdeckung ein Micro-USB-Anschluss. Daneben lässt sich der Halter für die Micro-SIM-Karte herausziehen. Da Apple diesen Standard mit iPhone 4 und iPhone 4S auf breiter Basis etabliert hat, liefert mittlerweile praktisch jeder Mobilfunkprovider auf Wunsch eine passende SIM-Karte.
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Fazit

Fazit
Das Nokia Lumia 800 hinterlässt im Test einen positiven Eindruck. Das Smartphone ist schnell, sieht chic aus und verfügt über ein tolles Display. Auf den ersten Blick scheint Nokias Debut mit Windows Phone 7 also gelungen. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber einige Schönheitsfehler: Warum fehlen etwa WLAN-Tethering, HDMI- und DLNA-Unterstützung? Wieso verzichtet Nokia auf eine Front-Kamera, wo doch mit Skype eine mobile Videotelefonielösung quasi in den Startlöchern steht? Beim Lumia 800 wird somit auch klar, wie sehr sich Microsoft und Nokia an Apples Philosophie orientieren - das System bietet keinerlei Funktionen, die noch nicht so ausgereift wie möglich sind.
Alles in allem ist Nokia mit dem Lumia 800 aber ein gutes Smartphone gelungen. Wer sich ein Gerät zulegen will, das sich optisch aus dem Einheitsbrei hervorhebt und die angesprochenen Nachteile in Kauf nimmt, sollte dem Lumia 800 eine Chance geben.
Ein erstes Firmware-Update für das Lumia 800 hat Nokia bereits angekündigt, eine zweite Aktualisierung soll Anfang 2012 folgen. Im ersten Durchgang bessert Nokia bei Akkuladevorgang und Voicemail nach und unternimmt etwas in Sachen Display-Helligkeit und Audioqualität. Ausserdem soll damit Exchange 2003 besser unterstützt werden.
Dieser Testbericht stammt im Original von unserer deutschen Schwesterpublikation Gamestar (Autor: Moritz Jäger).



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