Tests 07.03.2018, 14:00 Uhr

Test: Sony Alpha 7R III

Das Pixelmonster geht in die dritte Runde und punktet mit Verbesserungen im Detail.
Wie schon ihre Vorgängerin steht die Sony Alpha 7R III zuerst einmal für jede Menge Pixel, denn das «R» ist die Abkürzung für «Resolution»: Ganze 42,4 Mpx stemmt der Vollformat-Sensor. Diese Pixellawine wird auf mehreren Ebenen zu einer Herausforderung. So wiegt eine einzelne RAW-Datei etwa 86 MB, was den Speicherbedarf für das Archiv in die Höhe schnellen lässt. RAW-Dateien in dieser Grösse stellen aber auch höhere Anforderungen an den PC, der sie bearbeiten muss.
Wenn die Auflösung über alles geht, wird die Sony 7R III zum Objekt der Begierde
Quelle: Sony
Vor allem aber bringt diese Auflösung nur etwas, wenn das Objektiv mithalten kann. Das war der Antrieb für Sony, die G-Master-Serie ins Leben zu rufen (zu erkennen am orangen G auf dem Tubus). Das Sortiment umfasst derzeit ein halbes Dutzend Objektive, wobei für ein klassisches Standard-Zoom wie das 24-70 mm ƒ/2.8 knapp 2000 Franken fällig werden. Zusammen mit dem Gehäusepreis von rund 3900 Franken ergibt sich also ein Einstiegspreis von rund 5900 Franken. Neben diesen Edellinsen lassen sich natürlich auch alle anderen Objektive mit E-Bajonett verwenden.

Gehäuse

Das Gehäuse ist für eine Vollformat-Kamera geradezu niedlich – einer der wichtigsten Vorzüge der spiegellosen Systemkameras. Die Kamera liegt durch den ausgeprägten Wulst sehr gut in der Hand. Alle wichtigen Tasten sind unter dem rechten Daumen angeordnet, auch die Filmtaste ist leicht zu erreichen.
Freude macht auch der hervorragende OLED-Sucher, der von einem Brillenträger gerade noch überblickt werden kann. Dabei handelt es sich um dasselbe Modell, das auch in der grösseren A9 zum Einsatz kommt. Das Sucherbild wird durch 3,69 Millionen RGB-Bildpunkte dargestellt, reagiert sehr flüssig und macht jede Erinnerung an einen optischen Sucher vergessen. Die Korrektur reicht von -4 bis +3 Dioptrien.
Das Display lässt sich um 90 Grad nach oben und um 45 Grad nach hinten kippen
Quelle: PCtipp / ze

Tempo

Was zuerst auffällt, ist das beeindruckende Tempo, und zwar in jeder Hinsicht: beim Speichern von Bildern, der Vorschau der Aufnahmen und im Umgang mit den zahlreichen Menüoptionen. Im Seriefeuer nimmt die Sony-Kamera bis zu 10 Bilder pro Sekunde auf – in unkomprimiertem RAW und mit einer Farbtiefe von 14 Bit.
In unserem Test schluckte die Kamera 34 RAW-Aufnahmen, bis sie ins Stottern geriet und den Puffer auf die Speicherkarte entleeren musste – und das kann dauern. Deshalb kommen für diese Kamera nur die schnellsten SD-Karten infrage. Zur Auswahl stehen zwei Slots, doch nur Slot 1 ist mit UHS-II kompatibel; dann stehen theoretisch bis zu 312 MB Transferleistung zur Verfügung, wenn die Speicherkarte mitmacht. Der zweite Steckplatz funktioniert hingegen nur nach dem UHS-I-Standard, der einen maximalen Durchsatz von etwa 100 MB pro Sekunde erlaubt. So oder so: Der verbaute USB-C-Anschluss sorgt anschliessend dafür, dass die Bilder möglichst fristgerecht auf dem PC landen.
Zwei SD-Card-Slots gehören bei Profikameras zum guten Ton
Quelle: PCtipp / ze

Autofokus

Genauso überzeugend funktioniert der Autofokus, der sein Ziel nahezu augenblicklich findet. Dabei wird das Bild für die Fokussierung in bis zu 425 Fokuspunkte zerlegt. Falls es dabei überhaupt zu einem kurzen «Pumpen» kommt, ist es von blossem Auge nicht wahrnehmbar. Besonders gut gefällt auch die Präzision des Augen-Autofokus; er wird über die Mitteltaste des Steuerkreuzes geweckt und bleibt solange aktiviert, wie diese Taste gedrückt wird.
Je nach Einstellung sucht sich der Autofokus sein Ziel selber, was zum Beispiel bei Sportaufnahmen eine unverzichtbare Hilfe ist. Bei ruhigeren Aufnahmesituationen empfiehlt sich hingegen der Modus «Flexibler Spot», bei dem gezielt eine Stelle anvisiert wird. Der Fokuspunkt lässt sich dabei mithilfe eines kleinen Joysticks verschieben, der perfekt unter dem Daumen zu liegen kommt. Dummerweise ist eben dieser Joystick für unseren Geschmack zu schwergängig. Seine Form weist ausserdem ziemlich scharfe Kanten auf; das sorgt zwar beim Fotografieren mit Handschuhen für mehr Haftung, doch mit blossen Händen wird dieser Knubbel nach kurzer Zeit zu einer unangenehmen Erfahrung.

Ergonomie

Die Sony Alpha 7R III liegt Dank des ausgeprägten Wulstes sehr gut in der Hand. Leider ist diese Aussage das Beste, was es über die Ergonomie zu berichten gibt. Sobald das Thema auf die Menüs, die App oder die PC-Software fällt, ist Schluss mit lustig.
Alle Menükategorien verteilen sich auf total 35 (!) Display-Seiten. Freundlicherweise lassen sich die wichtigsten Befehle in der Kategorie «Mein Menü» sammeln – ein Luxus, den die Besitzer einer Sony a6500 zum Beispiel nicht kennen. Die Menüs wirken altbacken und die Befehle oft kryptisch – oft auch deshalb, weil sie ohne Not bis zur Unverständlichkeit abgekürzt werden.
Das gedruckte Handbuch umfasst knapp 1400 Seiten für 14 Sprachen, also etwa 100 Seiten pro Sprache. Die lieblose Aufmachung behandelt alle Themen im Telegrammstil und verweist auf die digitale Anleitung im Netz, die jedoch nicht minder langweilig und nahezu bilderlos daherkommt. Über diesen Link können Sie sich selbst ein Bild davon machen. Ein detaillierte Anleitung im PDF-Format wird hingegen nicht angeboten.
Die wichtigsten Hilfen im Kampf gegen die kaum vorhandene Struktur sind deshalb das Schnellmenü für die meistverwendeten zwölf Befehle sowie die hohe Anpassungsfähigkeit der Knöpfe. Am besten ackert man sich einmal mit dem Handbuch auf den Knien durch die Möglichkeiten und schwört sich anschliessend, nie wieder eine Einstellung zu ändern.

Die App

Der Murks, der in den Menüs seinen Anfang nimmt, setzt sich bei der App fort. Die Sony-Kamera ist mit WLAN 802.11-N, NFC und Bluetooth 4.1 ausgerüstet. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, um die Kamera fernzusteuern, Bilder zu übertragen oder sogar automatisch mit Geotags zu versehen. Leider gestaltet sich der Umgang mit der App «PlayMemories Mobile» für iOS und Android sperrig – und zwar bis hin zur Unbrauchbarkeit.
Die App könnte so viel – wenn sie nur könnte!
Quelle: PCtipp / ze
Die Verbindung kommt nur auf Biegen und Brechen zustande und löst sich bei der erstbesten Gelegenheit wieder. Das automatische Geotagging der App funktioniert nur sporadisch – und das ist noch schlimmer, als wenn diese Funktion überhaupt nicht existieren würde. Stattdessen weichen Sie besser auf eine spezialisierte App wie GeoTag Photos Pro 2 aus; denn Sie ersparen sich viel Ärger, wenn Sie diese App einfach ignorieren und damit auf die versprochenen Möglichkeiten verzichten.
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Bildqualität und Fazit

Bildqualität

Von der schieren Auflösung abgesehen, unternimmt die Sony R7 III einiges, um die Bildqualität zu verbessern. Dazu gehört zum Beispiel der neue Bionz-X-Prozessor, der laut Sony etwa 1,8-mal so schnell arbeiten soll und mit einer verbesserten Rauschunterdrückung kommt.
Tatsächlich lieferte die Kamera in unserem Test eine reife Leistung ab. Ungeachtet der enormen Auflösung sind die RAW-Bilder bei 6400 ISO praktisch rauschfrei. Bei 25'600 IOS machen sich die ersten Bildstörungen bemerkbar, die jedoch vom RAW-Converter (DxO PhotoLab) problemlos herausgerechnet werden. Ab 51'200 ISO tritt das Rauschen endgültig in den Vordergrund, die 102'400 ISO sind dann nur noch Futter für das Datenblatt.
Diese Menüs sind einer solchen Kamera einfach unwürdig
Quelle: PCtipp / ze
Doch manchmal müssen es ja gar nicht so hohe ISO-Werte sein. Die 5-Achsen-Stabilisierung wurde gegenüber dem Vorgänger verbessert und kompensiert jetzt laut Sony 5,5 statt 4,5 Belichtungswerte, was jedoch schwer zu überprüfen ist. Stattdessen überzeugt die Praxis: Das mitgelieferte Zoom 24-105 Millimeter ist ebenfalls mit Sonys optischem SteadyShot ausgestattet. Zusammen mit dem Stabilisator im Gehäuse gelangen uns bei einer Brennweite von 105 Millimeter und einer Verschlusszeit von einer 1/25 Sekunde problemlos scharfe Aufnahmen.
Noch ein letztes Wort zur Auflösung: Die 42 Mpx des Sensors bedeuten nicht das Ende der Fahnenstange. Neu hinzugekommen ist der «Pixel-Shift-Modus». Dabei werden nacheinander vier Bilder aufgenommen, wobei sich der Sensor zwischen den Aufnahmen um einen Pixel verschiebt. Die einzelnen Aufnahmen werden anschliessend durch das kostenlose Programm Imaging Edge zu einer einzigen, riesigen Aufnahme mit 169 Mpx zusammengesetzt. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verfahren nur mit unbeweglichen Motiven funktioniert, während die Kamera auf einem Stativ steht.

Fazit

Die Sony Alpha 7R III bietet viel Tempo, eine beeindruckende Bildqualität und überzeugt auch in der Dämmerung. Die neue Signalverarbeitung und der verbesserte Bildstabilisator sorgen dafür, dass man sich an den Bildern kaum sattsehen kann.
Am meisten Kritik verdient die mangelhafte Ergonomie, ganz besonders die überladene und antiquierte Menüführung. Jede App und jede Software, die in irgendeinem Zusammenhang mit dieser Kamera steht, versagt bei der Zuverlässigkeit und der Benutzerführung. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Mängel, die mit überschaubarem Aufwand zu beheben wären – aber Sony scheint das einfach nicht wichtig genug. Falls Sie jedoch über diese «nicht-fotografischen Aspekte» hinwegsehen können, erwartet Sie hier eine aussergewöhnliche Kamera mit fast schon spektakulären Eigenschaften.

Testergebnis

Tempo, Auflösung, Sucher, Gewicht, Rauschverhalten
App, Menüführung, instabile Verbindung zum Mobilgerät, Anleitung

Details:  Vollformat-Sensor mit 42 Mpx, Video bis 4K mit 30 fps, E-Bajonett, 5-Achsen-Stabilisator, 2×SD-Card-Slot, bis zu 425 AF-Punkte, NFC, Bluetooth 4.1, WLAN-N (2,4 GHz), USB-C, Gewicht 657 Gramm

Preis:  ca. 3990 Franken (Gehäuse)

Infos: 
sony.ch

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