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28.09.2015, 10:10 Uhr
BlackBerry bringt Android-Smartphone
BlackBerry hat gemerkt, dass mit ihrem eigenen Betriebssystem kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Und bringt ein Android-Telefon.
John Chen hat es nicht leicht. Seit November 2013 versucht er, als CEO BlackBerry wieder auf Kurs zu bringen. Also das Unternehmen, das wie nur wenige andere (Kodak zB) daran erinnert, dass Firmen ständig innovativ sein zu müssen. Als Smartphone-Pionier dominierte BlackBerry in den 0er-Jahren den Markt, das eigene und sichere E-Mail-System war überall anzutreffen.
Doch 2008 kam die iPhone-Generation: Apple und Samsung entwickelten Smartphones, die innovativer, bedienungsfreundlicher und stylischer waren als der Blackberry. Die Jugend rannte diesen Unternehmen die Läden ein und strafte BlackBerry mit Verachtung. Die Kanadier nahmen die Konkurrenz nicht ernst und wollten «den Hype» aussitzen. In Unternehmen sei man ja immer noch absolut dominant, hiess es aus BlackBerry-Kreisen trotzig. Das stimmte damals natürlich und auch heute gibt es noch viele Firmen, die aus Sicherheitsgründen auf BlackBerry setzen. Nur gewann man immer weniger Neukunden. Im letzten Jahr verkaufte man noch 800 000 Smartphones, ein Jahr zuvor waren es 2,1 Millionen Geräte gewesen.
Als BlackBerry merkte, dass die Konkurrenz immer weiter davon zieht, wollte man dann doch irgendwann einmal reagieren – scheiterte aber. Das Betriebssystem ist keineswegs schlecht, allerdings entspricht es nicht mehr dem Zeitgeist. Darum brachten auch alle Änderungen nichts, egal ob das nun ein Rebranding, verschiedene CEOs oder die Einladung hunderter Journalisten ins Disneyworld war.
John Chen versucht nun, mit der bisher waghalsigsten Änderung, den letzten Strohhalm zu ergreifen, um als Smartphone-Hersteller wieder erfolgreich zu werden: Bis Ende Jahr lanciert Blackberry ein Telefon, das unter Android läuft und den Namen «BlackBerry Priv» trägt. Dabei sagte Chen noch letztes Jahr: «Wenn ich entscheiden muss, ob ich einen Dollar bei Firmenkunden oder Verbrauchern investieren muss, entscheide ich mich für Firmenkunden». Deshalb werde Blackberry auch nicht versuchen, ein Verbrauchergerät in der Liga eines iPhone oder eines Galaxy S4 von Samsung zu entwickeln.
Die Aussage ist mittlerweile von der Realität eingeholt worden. «Blackberry Priv» ist eine Mischung zwischen Business- und Spassgerät und wird mit Android 5.1.1 Lollipop, einem 5,5 Zoll grossen Screen, einer ausziehbaren QWERTY-Tastatur, eine 18-MB-Kamera mit 4K-Videoaufnahmemöglichkeit,einer 5-MB-Kamera für Selfies und der eigenen Sicherheits-Suite Safeguard inklusive verschiedener Anwendungen ausgestattet sein.
Falls die Vorstellung von «Priv» (Video oben) ein Indikator für dessen Erfolg war, wird das Telefon ein Mega-Flop. Einem Journalisten von «Business News Network» gewährte John Chen ein Hands-On und stellte sich dabei nicht viel geschickter an als die VW-Führungsetage in den letzten Tagen. Er wusste nicht, wofür «Priv» genau steht, vertippte sich dauernd, rief falsche Menus auf, wollte Funktionen nutzen die nur bei BlackBerry, nicht aber bei Android funktionieren und wirkte grundsätzlich nicht sonderlich interessiert. Bei den Vorteilen sprach er davon, dass das Gerät «über die neuesten Qualcomm Specs und Kameras» verfüge, zudem seien «all die guten Sachen» im Blackberry Priv verbaut. Gut zu wissen, wurden nicht «all die schlechten Sachen» verbaut. Seine Aussage «Ich glaube, jeder liebt Blackberry 10, aber es gibt nicht genügend Apps», passt da ins Bild: Offenbar hat Chen überhaupt keine Lust, ein Blackberry mit Android zu verkaufen. Ist aber dazu gezwungen.
Immerhin: John Chen hat in seinen zwei Amtsjahren durchaus schon Positives bewirken können. Es gelingt ihm, BlackBerry in den schwarzen Zahlten zu halten. Im vergangenen Quartal erzielte das kanadische Unternehmen einen Gewinn von 51 Millionen US-Dollar. Vor einem Jahr war unterm Strich noch ein Minus von 207 Millionen Dollar herausgekommen, im Vorquartal war das Ergebnis mit 68 Millionen Dollar bereits positiv. Aktuell wird die Aktie bei 6.50 Dollar gehandelt. 2008 lag der Kurs bei 150 Dollar. John Chen hat es wirklich nicht leicht.
Autor(in)
Fabian
Vogt
29.09.2015
30.09.2015