News 30.10.2012, 10:35 Uhr

Erdbeben in Apples Führungsetage

Während Hurrican Sandy die US-Ostküste heimsucht, wirbelt ein anderer Sturm an der Westküste Apples Personaltableau kräftig durcheinander: Scott Forstall und John Browett verlassen das Unternehmen, nebst weiteren Personalmutationen.
Wenig überraschend kommt dabei das Ausscheiden von Retail-Chef John Browett, der erst im Frühjahr den zu J.C. Penney gewechselten Ron Johnson ersetzte. Browett war zuletzt öfter in die Kritik geraten, insbesondere als er im Sommer geplante Massnahmen zur Reduzierung des Personals in den Apple Stores wieder zurücknehmen musste. Apples Retail-Sparte wird zunächst direkt an CEO Tim Cook berichten, bis ein Nachfolger gefunden ist. Dass Tim Cook Browett mehr oder minder gefeuert hat, geht indirekt aus der Pressemitteilung des Unternehmens hervor, in der lediglich lapidar geschrieben steht, Browett habe das Unternehmen verlassen.
Tim Cook strukturiert Apples Führungsetage neu
Über die Hintergründe von Scott Forstalls Ausscheiden darf hingegen gerätselt werden. Zwar galt der bisherige Chef der iOS-Entwicklung als spaltende Persönlichkeit, doch sahen nicht wenige in dem ehrgeizigen Manager den kommenden Apple-CEO. Forstall scheidet erst zum Jahr 2013 aus und wird bis dahin als Berater für Tim Cook tätig sein, seine bisherigen Verantwortlichkeiten werden aber ab sofort aufgeteilt.
Um Siri und Apples Karten-App kümmert sich ab sofort Eddy Cue, als «Senior Vice President of Internet Software and Services» bisher hauptsächlich für iTunes verantwortlich. Die Probleme rund um Apples Karten-Software seien womöglich der Hauptgrund für Scott Forstalls Kündigung, spekulieren unsere Kollegen der Macworld. Fortune will es genauer wissen: Forstall habe sich vor ein paar Wochen geweigert, den von Tim Cook veröffentlichten Entschuldigungsbrief zum «Karten-Desaster» mit zu unterzeichnen, was sein Schicksal bei Apple besiegelt habe.
Design-Chef Jonathan Ive - mit dem Forstall laut Fortune besonders über Kreuz war - kümmert sich nun um das Human Interface Design, während der Chef der OS-X-Entwicklung, Craig Federighi, die verbleibenden Projekte Forstalls mit unter seine Fittiche nehmen wird. iOS und OS X waren zuletzt an entscheidenden Stellen immer mehr zusammengewachsen, Federighi trägt nun für beide Bereiche Verantwortung. Jonathan Ive soll von den Design-Entscheidungen Forstalls zuletzt wenig begeistert gewesen sein, iOS-Apps – und in Folge dessen auch OS-X-Apps – weisen immer mehr Skeuomorphismus auf, Designelemente, die an sich nicht mehr benötigte Funktionen ornamental imitieren – man denke etwa an die Abrisskanten im Kalender von OS X und iOS. Mit Jonathan Ive könnte das Design auch der Software wieder mit dem für Apple typischen Minimalismus des Hardware-Designs aufwarten.
Bob Mansfield, der im Juni seinen Rückzug in den Ruhestand angekündigt hatte und im August vom Rücktritt zurückgetreten war, bekommt bei Apple nun eine neue Aufgabe als Leiter der neu aufgestellten Technologiegruppe. Diese fasst die Entwicklung von Halbleitern mit den bisherigen Teams für drahtlose Technologien zusammen. Operativ leitet die Hardware-Entwicklung weiterhin Dan Riccio, der im Spätsommer als Mansfields Nachfolger in den Vorstand aufgerückt war.
Gut 14 Monate nach Antritt von Tim Cook als Apple-CEO bedeuten die Veränderungen den grössten Umbau des Managementteams bei Apple, seit Steve Jobs im Sommer 1997 gegen Gil Amelio putschte und seine Gefolgsleute wie Jon Rubinstein und Avie Tevanian (beide von Next mitgewechselt) sowie Phil Schiller und Jonathan Ive in höhere Positionen brachte.
Fortune sieht vor allem fünf Gründe für die Notwendigkeit des Umbaus: Apple hatte zuletzt zweimal mit seinen Bilanzen die Erwartungen der Wall Street verfehlt, der Ausbau der Apple-Stores in China stockt, Siri funktioniert noch lange nicht wie gewünscht, Apple versäumte es zuletzt in seiner Werbung, cool und witzig rüberzukommen und schliesslich habe Apple mit Karten eine stark verbesserungswürdige Software veröffentlicht.



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