KI warnt vor Murgängen

Murgänge mit seismischen Sensoren erfassen

Der untere Abschnitt des Illgrabens führt ins Rhonetal
Quelle: Werkstattgespräche/ETH Zürich
An diesem Schwachpunkt setzt die neue Studie an. «Wir wollen Steinschläge und Murgänge so früh wie möglich detektieren, um die Bevölkerung in Risikogebieten mit genügend Vorlaufzeit zu warnen», erklärt Małgorzata Chmiel, Erstautorin des Papers und Postdoktorandin in Walters Forschungsgruppe an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich. Statt Murgänge mit üblichen Instrumenten zu überwachen, verwenden Walter und sein Team seismische Sensoren, die normalerweise bei der Messung von Erdbeben eingesetzt werden.
Mit Seismometern lassen sich auch Erschütterungen von Murgängen aufzeichen. Diese können je nach Ereignisgrösse sogar mehrere Kilometer entfernt sein. «Somit sind Murgänge bereits potenziell detektierbar, wenn sie sich noch in höher gelegenen und unzugänglichen Gebieten befinden», erklärt Walter den Vorteil des neuartigen Überwachungssystems. Zu diesem Zweck installierten die Forschenden ein Netzwerk von Seismometern rund um das Einzugsgebiet des Illgrabens.

Knackpunkt: Automatische Erkennung

Die eigentliche Herausforderung lag jedoch darin, einen Detektor zu schaffen, der in einem kontinuierlichen Strom seismischer Daten spezifisch die Erschütterungen eines Murgangs von anderen Bodenvibrationen unterscheiden kann. Denn auch Kuhherden, entfernte Baustellen oder der Bahn-​ und Strassenverkehr lassen die Erde zittern.

Walters Team setzte auf maschinelles Lernen – eine Methode der Künstlichen Intelligenz, bei der ein Rechner selbständig anhand von Trainingsdaten lernt, wie er Muster in grossen Datensätzen erkennen kann. Die Forschenden trainierten den Lernalgorithmus mit Signalen früherer Massenbewegungen, die sie zuvor am Illgraben aufgezeichnet hattten, insgesamt 22 Ereignisse. Danach testeten sie ihr System unter realen Bedingungen mit seismischen Monitoringdaten in Echtzeit.
Das Resultat: Von den 13 Murgängen und kleineren Flutereignissen, die sich im Sommer 2020 am Illgraben ereigneten, erkannte der KI-​Detektor jedes einzelne zuverlässig – ohne Fehlalarme zu generieren. «Dabei erfasste der Algorithmus bereits die ersten Erschütterungen weit oben entstehender Murgänge», betont Walter. Am Illgraben erhöhte dies die Warnzeiten um mindestens 20 Minuten im Vergleich zu bestehenden Detektionssystemen. «Das ist eine enorme Verbesserung», weiss Walter.

Autor(in) Michael Keller, ETH-News



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