News 13.12.2012, 09:57 Uhr

Wenig Konsens an der ITU-Konferenz

Morgen geht die ITU-Veranstaltung zu Ende. Doch eine Einigung über den neuen Telekommunikationsvertrag ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Befürworter des freien Internets wurden überrumpelt, die Stimmung in Dubai ist auf dem Nullpunkt.
Seit dem 3. Dezember entscheidet die Internationale Fernmeldeunion in Dubai darüber, wie die Internationalen Telekommunikationsrichtlinien (ITR) zukünftig aussehen. Doch obwohl die Debatten seit Beginn hitzig und die Sitzungen lang waren, sind sich die Teilnehmer nach wie vor in einigen der wichtigsten Vertragspunkte uneins. Vor allem wird gestritten, ob die ITR auch auf das Internet ausgedehnt werden, was den Staaten grosse Kontrolle über das Web geben würde. Während Russland gemeinsam mit China, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Sudan und Algerien die Richtlinien auf das Internet übertragen wollen, sprechen sich die EU, die USA, Japan und Australien klar dagegen aus – die Schweiz ist an der ITU Mitglied der EU.
Internetresolution als Knackpunkt
In den letzten Tagen gab es immer wieder Vorstösse beider Parteien, einen Kompromissvorschlag zu finden, damit der Vertrag rechtzeitig abgeschlossen werden kann, doch keiner fand eine Mehrheit. Darum wurde auch gestern bis spät in die Nacht debattiert – und dann nahm die Veranstaltung eine unerwartete Wende. Der Vorsitzende der Konferenz, Mohamed Al Ghanim, bat die Teilnehmer zu später Stunde, per Handzeichen pro oder contra Ausweitung auf das Internet zu stimmen, «um ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen». Doch dabei blieb es nicht. Die Internet Society berichtet aus Dubai: «Was zuerst eine Stimmungsmessung sein sollte, wurde eine eindeutige Abstimmung über eine Internetresolution in den ITR.» Danach war an eine Konferenz nicht mehr zu denken, allen voran Vertreter der EU protestierten gegen das Überrumpelungsmanöver und forderten noch heute Morgen eine Unterbrechung, um die EU-Position zu beraten. Die USA hatte sich schon vor Beginn der Konferenz klar gegen Abstimmungen ausgesprochen und sich gestern in allen internetbezogenen Fragen nicht verhandlungsbereit gezeigt.
«Obwohl abgemacht war, dass dieser Vertrag nicht das Internet behandeln wird, scheint es, als ob die Konferenzteilnehmer zu grossen Teilen eine Internetresolution akzeptiert haben», sagt die Internet Society. «Scheinbar wurden Vertragszusätze reingeschrieben, die vor der Übereinkunft nicht veröffentlicht wurden.»
Es kommt auf jedes Wort an
Nebst der Internetresolution wird auch über den Wortlaut des neuen Vertrags gestritten. So wollen einige Teilnehmer unbedingt das Wort «recognized» in den ITR behalten, während andere es als veraltet betrachten. Die bisherigen ITRs von 1988 gelten im Bereich der Telekommunikationsunternehmen für sogenannte «Recognized Operational Agencies». Gemeint sind die (ehemaligen) Staatsmonopole wie die Swisscom, aber auch Fernmeldeverwaltungen. Einige Staaten möchten künftig nur noch von «Operational Agencies» sprechen, was den Geltungsbereich der Regulierungsregeln ausweiten würde. Damit wäre theoretisch jeder private und staatliche Netzbetreiber der ITU unterworfen, sogar jeder Amateurfunker.
Würde morgen, wenn die ITU offiziell zu Ende geht, ein Vertrag vorliegen, der von allen 1400 Teilnehmern beziehungsweise mehr als 140 Staaten unterschrieben ist, es wäre nicht mehr nur ein kleines Wunder. Denn die Chancen dazu scheinen schlechter zu sein als vor Beginn der Konferenz.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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