VSCO – das Beste aus der guten, alten Zeit

Manche mögen die Farben ihrer Fotos so natürlich wie die Wirklichkeit. Andere klatschen so viele Effekte und Filter auf das arme Bild, bis von der Realität nicht mehr viel übrig bleibt – wenn mans mag, kein Problem.

Dazwischen gibt es noch eine weitere Art der Verfremdung. Im Mittelpunkt stehen nicht die dramatischen, augenfälligen Filter, sondern die betörende Anmutung der analogen Filme – jene Filme, die im Zuge der Digitalisierung unter die Räder gekommen sind. Das ist die Domäne der App «VSCO Cam». 

VSCO Cam ist eine relativ einfache Foto-App, die sich nicht mit den funktionalen Schwergewichten im App Store messen will. Stattdessen reduzieren sich die Möglichkeiten auf ein Gestaltungsraster, den Weissabgleich und einen Nachtmodus. Die Lautstärketaste wird als Auslöser leider (noch) nicht unterstützt. Immerhin: Belichtung und Fokussierung lassen sich getrennt einstellen – die vielleicht wichtigste Funktion für engagierte Fotografen.

Doch die Funktionen sind eher Nebensache, denn VSCO Cam will vor allem eines: Digitalen Fotos den Biss nehmen und sie in eine gefällige, analoge Anmutung tauchen. Und das gelingt der App ganz hervorragend: 

Dabei ist das Vorgehen denkbar einfach. Ein Foto wird aufgenommen oder importiert und mit einem von neun Analog-Effekten belegt. Wird der Effekt erneut angetippt, lässt sich die Intensität regulieren. So leicht geht das. Ausserdem lassen sich Bilder zuschneiden, in den Farben oder im Kontrast anpasen und dergleichen mehr. Auch das Korn lässt sich stufenlos regulieren, denn schliesslich gehört es zu den Markenzeichen der analogen Filme.

So getan, können die Fotos in Umlauf gebracht oder in die Fotosammlung des iPhones übertragen werden. Die Originale verbleiben dabei in der App, wo die Effekte zurückgenommen oder neu zugeteilt werden können.

Neun Filter bilden eine gesunde Basis für eine kostenlose App, aber damit ist noch lange nicht Schluss. 16 weitere Filter können für je Fr. 1.– als In-App-Kauf erworben werden. Noch besser schöpft man jedoch aus dem Vollen und kauft für Fr. 6.– das Starter-Bundle mit nicht weniger als 48 Filtern, was die Auswahl auf 57 Effekte erweitert. Da kommt es nicht ungelegen, dass sich die Reihenfolgen in den Einstellungen beliebig verändern lässt. Nachdem man also seinen Stil gefunden hat, werden die Lieblingsfilter einfach an den Anfang der Liste geschoben.

Leider werden nicht alle Bilder gleich behandelt. Fotos, die zum Beispiel mit dem iPhone 5 geschossen werden, verarbeitet VSCO Cam in der vollen Auflösung von 8 Megapixeln. Wird hingegen ein hochaufgelöstes Foto aus der bestehenden Sammlung geholt, reduziert es die App auf schlaffe 3 Megapixel. Wir können uns das nur so erklären, dass VSCO verhindern möchte, dass die App zu einem mobilen Fotolabor wird – und damit die anderen Produkte der Firma konkurriert.

Doch diese Einschränkung wird sofort verziehen, wenn man die Resultate sieht. Die Farben sind wahlweise kräftig oder blass, eher rötlich (Kodak) oder grünlich (Fuji) oder wirken wie mit der Polaroid aufgenommen. Die Wirkung auf den Betrachter ist nur schwer zu beschreiben und schlägt alles, was Instagram & Co. zu leisten vermögen. Je nach gewähltem «Effekt» wird dieser gar nicht als solcher wahrgenommen – stattdessen fallen einfach die wunderschönen, charaktervollen Farben auf.

An VSCO gibt es nur wenig zu beanstanden – von der reduzierten Auflösung der importierten Bilder abgesehen. Es wäre schön, wenn der Editor und die Filterwahl auch im Querformat funktionieren würden. Ausserdem wird die Lautstärketaste des Geräts nicht als Auslöser unterstützt. Und zu guter Letzt hätten wir uns gewünscht, dass sich die Filter ein wenig besser organisieren lassen – erst recht, wenn man sich über In-App-Käufe üppig eingedeckt hat.

Fazit: VSCO Cam begeistert durchs Band. Es wertet die iPhone-Fotografie auf eine Weise auf, wie man es bisher nicht kannte. Anspruchsvolle Fotografen, die ihre Fotos auf dezente, stilvolle Weise verschönern möchten, kommen an dieser App nicht vorbei.