Wem die Stunde schlägt 15.09.2020, 08:00 Uhr

Test: iMac 27 Zoll (2020)

Der neuste iMac beendet eine Ära in Höchstform. Trotzdem müssen wir der Frage nachgehen, ob sich ein Kauf der alten Intel-Architektur noch lohnt.
Der neuste iMac ist gleichzeitig der letzte, der auf der Intel-Architektur aufbaut
(Quelle: Apple Inc.)
Das 2020er-Modell des iMacs ist (wieder einmal) nicht von seinem Vorgänger zu unterscheiden. Seine Form ist weit über die Apple-Welt hinaus bekannt: In gefühlt der Hälfte aller Filme und Serien werden iMacs gezeigt, weil der Anblick gewöhnlicher Desktop-Rechner samt Kabelsalat dem Zuschauer nicht zugemutet werden soll. Weil sich das Design jedoch nicht von der Stelle rührt, finden die Änderungen im Inneren statt – und die sind nicht von schlechten Eltern.

Das Display

Seit dem ersten iMac 5K muss das brillante Display über den Klee gelobt werden – und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die enorme Auflösung von 5120×2880 Pixeln beeindruckt wie am ersten Tag. Dabei sorgt macOS dafür, dass die Bedienelemente nicht bis zur Unkenntlichkeit verkleinert werden, sondern weiterhin in normaler Grösse angezeigt werden – einfach nur viel schärfer. In den Einstellungen lässt sich die Darstellung ausserdem so verändern, dass mehr oder weniger viel vom Umfeld zu sehen ist – aber immer so, dass ein harmonisches Bild entsteht.
Der Abbildungsmassstab ist variabel, doch das Ergebnis sieht immer toll aus
Quelle: Screenshot / PCtipp.ch
Das Display deckt den erweiterten Farbraum P3 ab. Und zum ersten Mal unterstützt ein iMac die True-Tone-Technologie, die längst bei den iOS-Geräten und auch in den aktuellen MacBooks verbaut ist. Dabei messen Sensoren die Farbtemperatur des Umgebungslichts und passen die Farbgebung auf dem Display an. Daraus resultiert eine sehr viel angenehmere Darstellung, ganz besonders am Abend bei gedämpftem Licht. True Tone lässt sich ausschalten – aber dann wird schlagartig deutlich, wie hart und unangenehm ein ungefiltertes Display sein kann.
True Tone hat endlich seinen Weg auf den iMac gefunden
Quelle: Screenshot / PCtipp.ch
Ganz neu ist die Option, den iMac 27 Zoll bei der Bestellung mit Nanotexturglas zu bestücken – also dasselbe Glas, das bereits beim Pro Display XDR zum Einsatz kommt und die Spiegelungen nahezu ausschalten soll, ohne dass dabei die Darstellungsqualität nachgibt: «Soll» deshalb, weil unser Testgerät leider ohne Nanotexturglas kam und der Effekt deshalb nicht geprüft werden konnte.
So visualisiert Apple die Auswirkungen der edlen Beschichtung
Quelle: Apple Inc.

T2 und Webcam

Apples bestens eingeführter T2-Chip wirkt endlich auch im iMac. Das war bis jetzt nicht möglich, weil er streng auf SSDs ausgerichtet ist. Der iMac wurde jedoch bis anhin auf Wunsch immer noch mit dem Fusion-Drive ausgestattet – und der besteht aus einer Mischung von SSD und Festplatte. Der T2 ermöglicht die komplette Verschlüsselung der SSD, ohne dass es dabei zu Leistungseinbussen kommt. Die «Secure Enclave» schliesst wiederum Kreditkarten-Daten und Kennwörter sicher weg.
Doch der T2 nimmt noch andere Aufgaben wahr, etwa die Beschleunigung von Videos bei der Umrechnung in das aktuelle H.265-Format (HEVC). Er sorgt ausserdem bei Videochats für schönere Farben und natürliche Hauttöne. Diese Optimierungen kommen auch deshalb sehr gelegen, weil sich Apple endlich seiner Kunden erbarmt hat und die Face-Time-Kamera immerhin in Full-HD auflöst statt mit den unanständig tiefen 720p wie bis anhin. In einer Zeit, in der Videochats immer wichtiger werden, wird das zu einem grossen Pluspunkt.

Immer schneller, immer besser

Doch es ist das Tempo, das den iMac 2020 hervorhebt – und das beginnt bereits bei den Anschlüssen, die alle auf der Rückseite angebracht sind.
Anschlüsse. Dazu gehören zwei Thunderbolt-3-Ports mit Datenraten von bis 40 Gbit pro Sekunde. Diese Anschlüsse sind mit USB 3.1 Gen. 2 kompatibel und liefern über diese Schnittstelle bis zu 10 Gbit pro Sekunde. Thunderbolt ist ausserdem DisplayPort-kompatibel und bietet über Adapter die Verbindung zu jeglichen Peripheriegeräten wie Displays, Festplatten, Projektoren und vieles mehr. Es gibt praktisch nichts, was von diesem Hansdampf-in-allen-Gassen nicht gemeistert werden kann. Der Ethernet-Anschluss liefert ab Werk 1 Gbit pro Sekunde, kann aber bei der Bestellung für 110 Franken Aufpreis gegen eine 10-GBit-Schnittstelle getauscht werden.
Gerne hätten wir einen oder zwei weitere USB-A-Anschlüsse gegen zusätzliche Thunderbolt-3-Buchsen getauscht
Quelle: Apple Inc.
Prozessoren. Als CPU kommt ein letztes Mal ein Intel-Chip zum Einsatz, natürlich in der aktuellen 10. Generation. Der Typ variiert mit dem gewählten iMac-Modell. Ganz unten in der Hierarchie befindet sich der i5 mit sechs Kernen und seinen 3,1 GHz, die sich bis 4,5 GHz hochtakten lassen. Die grösseren Standard-Konfigurationen sind mit dem i7 bestückt; dieser 8-Kerner pulsiert mit 3,8 GHz (5,0 GHz). Gegen Aufpreis von 440 Franken wird diese CPU gegen einen i9 getauscht, dessen 10 Kerne mit 3,6 GHz respektive 5,0 GHz getaktet sind.
RAM. Selbst die gehobenen Baureihen kommen mit nur 8 GB RAM – und das ist definitiv nicht mehr zeitgemäss. Bei der Bestellung lässt sich der Arbeitsspeicher in mehreren Schritten auf bis zu 128 GB hochschaukeln, was den Kaufpreis um satte 2860 Franken nach oben treibt. Doch das muss nicht sein: Wie schon sein Vorgänger lässt sich das 27-Zoll-Modell durch den Benutzer selber aufrüsten. Wie einfach das im Detail funktioniert und was es zu beachten gibt, erfahren Sie hier.
Wer mit Messer und Gabel essen kann, schafft auch dieses Upgrade ohne fremde Hilfe
Quelle: PCtipp.ch
SSD. Genauso wichtig ist jedoch das SSD, wenn die Daten möglichst schnell durch die Gegend geschaufelt werden sollen. Hier lässt sich Apple nicht lumpen: Während die meisten Mitbewerber mit SSDs angeben, die 500 MB oder 800 MB pro Sekunde stemmen, bringt es das SSD im iMac im Mittel auf über 2,2 GB pro Sekunde (lesen und schreiben)! Allerdings sind die werkseitigen 256 GB in der kleinsten iMac-Ausführung zu knapp bemessen, wenn Sie nicht vorhaben, ab der ersten Minute ein RAID anzuschliessen. Die anderen Konfigurationen kommen mit 512 GB; ab hier kostet der Sprung auf 1 TB noch 220 Franken. Der Upgrade-Pfad endet jedoch erst bei happigen 8 TB, die den Rechner um 2640 Franken verteuern.
Das SSD bewegt über 2.2 GB pro Sekunde – und zwar beim Lesen und beim Schreiben
Quelle: Screenshot / PCtipp.ch
Am Rande erwähnt: Die teuerste Konfiguration kostet mit der schnellsten CPU, dem meisten RAM, dem grössten SSD und dem Nanotexturglas 9749 Franken. Aber wer dieses Monster bestellt, wird wohl seine Gründe haben.

Apple Silicon kommt: Lohnt sich der Kauf noch?

Interessierte Mac-Anwender wissen unterdessen, dass Apple bereits Ende Jahr die ersten Rechner mit einer eigenen CPU ausstatten will, die zurzeit ganz pragmatisch unter dem Namen «Apple Silicon» gehandelt wird. Die Intel-CPUs werden hingegen aus der Apple-Welt verschwinden. Diese Transformation soll in den nächsten zwei Jahren abgeschlossen sein.
Nun verkörpert ein Wechsel der CPU einen brachialen Akt, der üblicherweise mit unzähligen Stolperfallen und Problemen kommt – und im schlimmsten Fall in einem Fiasko endet. Trotzdem wird Apple diese Aufgabe zum dritten Mal schultern. Der Ur-Mac erblickte 1984 mit dem Motorola 68000 das Licht der staunenden Fachwelt. 1994 folgte der erste Bruch mit dem Wechsel auf die PowerPCs, deren Entwicklung durch ein Konsortium von Apple, IBM und Motorola gesteuert wurde.
Doch die Chip-Architektur des PowerPCs konnte nicht mit jener von Intel mithalten, besonders nicht bei den Notebooks, die auf genügsame und möglichst kühle CPUs angewiesen sind. Auf der WWDC 2005 verkündete Steve Jobs den Umstieg auf Intel-Prozessoren. Der war Ende 2007 bereits abgeschlossen und verlief – zur allgemeinen Überraschung – erstaunlich schmerz- und problemlos. Der Umstieg auf Rechner mit Apples eigenem Silizium wird vermutlich noch einfacher sein, denn Apple hatte jahrelang Zeit, um mit seinen eigenen Entwicklerwerkzeugen darauf hinzuarbeiten.
Nichtsdestotrotz wird es auch dieses Mal wieder drei Anwendergruppen geben, die ihre eigenen Ängste und Hoffnungen mitbringen.
Der Technikaffine. Er freut sich auf neue Rechner, die neuen Möglichkeiten und mehr Tempo. Apples eigene CPU wird frischen Wind in ein staubtrockenes Thema bringen, weil die CPU einige Eigenschaften mitbringt, die bereits von den iOS-Geräten bekannt sind. Dazu gehören schnellere Bildoptimierungen oder eine bessere Grafik bis hin zu diffusen Stichworten wie den «Always-On-Processor», der darauf schliessen lässt, dass der Rechner so schnell geweckt wird wie ein iPad oder iPhone.
Gross sind die Verlockungen von Apples eigenem Silizium
Quelle: Screenshot / Apple Inc.
Apple verspricht einen fliessenden, problemlosen Umstieg – auch dank der Software «Rosetta 2», die bei alten Anwendungen notfalls mit einer Emulation unter die Arme greift. Damit kennen sich die Ingenieure aus: Das erste Rosetta sorgte bereits beim Umstieg auf die Intel-Architektur dafür, dass keine Anwendung zurückgelassen wird. Dessen ungeachtet könnte es in der ersten Zeit zu kleinen und weniger kleinen Hicksern kommen, die der Technikaffine in Kauf nehmen wird. Es lebe der Fortschritt!
Der Vorsichtige. Jeder Wechsel ist mit Risiken verbunden. Viele vorsichtige Anwender werden deshalb diesem Umstieg mit Skepsis begegnen. Für sie ist der aktuelle iMac auf Intel-Basis die Chance schlechthin, um für die nächsten Jahre mit einem top-aktuellen, steinsoliden Gerät zu arbeiten.
Der Abhängige. Im Gegensatz zu den Vorsichtigen ist die persönliche Meinung für die Anschaffung nicht relevant. Stattdessen muss ein System auf Gedeih und Verderb einfach nur so gut laufen, wie es bis anhin der Fall war. Unschwer zu erraten, dass diese Zielgruppe gerne zum iMac 2020 greifen wird.

Unsicherheiten

Einige Unsicherheiten stehen noch im Raum. So ist zurzeit nicht klar, wie gut die neuen Macs mit Windows 10 klarkommen werden. Diese Frage wird für all jene beschäftigen, die manchmal zweigleisig fahren müssen, weil sie in einer Windows-dominierten Umgebung arbeiten. Sie werden weiterhin auf einen «PC im Mac» setzen wollen, etwa mithilfe der Software Parallels Desktop oder VMware Fusion.
Unsicher ist auch die Lauffähigkeit von eher exotischen Programmen, die nicht immer genau nach Apples Richtlinien programmiert wurden – und je weiter sie sich von den Vorgaben entfernen, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit für mögliche Probleme. Dazu zählen auch Gerätetreiber und Plug-Ins für Programme, die sehr hardwarenah programmiert wurden. Doch dafür gibt es einen einfachen Test: Wenn eine Software unter macOS 10.15 «Catalina» und erst recht unter dem kommenden macOS 11 «Big Sur» läuft, dann wird sie den Sprung auf die neue Plattform sehr wahrscheinlich mitmachen. Und wenn nicht, sollte dieser Schuss vor den Bug Anlass genug sein, um sich in der Zwischenzeit nach einer fähigen Alternative umzusehen.

Fazit

Der iMac 2020 ist ein würdiger Abschluss einer Baureihe, die zum Aushängeschild für die Apple-Welt wurde. Es wird natürlich weitere iMacs mit Apples eigener CPU geben – doch hier und heute ist das aktuelle Modell ein leistungsfähiges Gerät, das auch anspruchsvolle Aufgaben in den nächsten Jahren klaglos bewältigen wird.
Dessen ungeachtet stellt sich die Frage, ob man wirklich noch auf eine Architektur setzen soll, die bereits abgekündigt ist. Wenn Sie sofort einen neuen iMac brauchen, dann sind Sie hier genau richtig – denn besser wird es mit den Intel-Prozessoren nicht mehr. Wenn Sie mit der Anschaffung hingegen noch ein Jahr oder zwei warten können, dann sollten Sie das auch tun – denn die Verheissungen der neuen Modelle sind unwiderstehlich. Und vielleicht bekommt der nächste iMac sogar ein neues Design.

Testergebnis

Tempo, Display, Anschlüsse, Tempo des SSD, Software, Lautsprecher
Nur Wi-Fi 5 (AC), Interessenskonflikte durch Apples eigene CPU, schwache Standard-Konfigurationen

Details:  27-Zoll Display mit 5120×2880 Pixel, Farbraum P3, True Tone, Intel Core i7 (8 Kerne) mit 3,8 GHz (Boost: 5,0 GHz), Radeon Pro 5500 XT mit 8 GB VRAM, 8 GB RAM, 512 GB SSD , Wi-Fi 5 (AC), Bluetooth 5.0, macOS 10.15 «Catalina»

Preis:  2599 Franken

Infos: 
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