Echter Spaziergang durch virtuelle Welten an der ETH

Häuser virtuell begehen

Über die Bildinformationen im HMD steuert die Software die Bewegungen des Anwenders, und zwar in Abhängigkeit davon, wo er sich im realen Raum befindet und wohin er in der virtuellen Welt mutmasslich weitergeht. Der Laufpfad wird kontinuierlich so verändert, dass der Anwender nicht gegen echte Wände läuft.
So kann der Algorithmus den Anwender beim Abbiegen an einer Ecke dazu bringen, sich statt um 90 Grad nur um 70 oder gar um 135 Grad zu drehen. Dennoch hat er das Gefühl, eine 90-Grad-Drehung gemacht zu haben. Dies alles führt dazu, dass der Anwender im realen Raum einen gekrümmten Weg einschlägt, der sich vom virtuell zurückgelegten Pfad unterscheidet.
Nicht spürbare Redirektionsmethoden haben jedoch ihre Grenzen. Überschreitet man sie, würde dies vom Anwender bemerkt werden. Reicht eine unmerkliche Redirektion nicht mehr aus, um den Anwender im realen Raum zu halten, wird eine andere verwendet. Diese Methode bringt den Anwender dazu, sich um die eigene Achse zu drehen. Dazu blendet der Algorithmus beispielsweise einen Pfeil ein, in dessen Richtung man sich einmal drehen muss. Dies erlaubt es, die Rotation zu verstärken und damit den Anwender optimal im realen Raum auszurichten. Damit kann er auf derselben virtuellen Strecke ohne spürbare Unterbrechung weitergehen.

Häuser virtuell begehen

Sich in einer virtuellen Welt zu bewegen, mag spielerisch anmuten. Thomas Nescher sieht aber bereits Anwendungen für seine Arbeit. ReWaVE könnte für Architekten interessant sein, die damit ihre Entwürfe vor der realen Umsetzung virtuell begehen und so Schwachpunkte in ihren Plänen aufdecken können. Für Industrieunternehmen ist Neschers Software ebenfalls eine attraktive Möglichkeit, um geplante Produktionslinien virtuell zu testen, ehe sie diese bauen. Bis anhin haben solche Unternehmen in Lagerhallen Modelle von Fertigungsstrassen erstellt, um ergonomische, sicherheitstechnische oder zeitabhängige Aspekte zu untersuchen. Virtuelle Umgebungen könnten diese Modelle künftig ersetzen. Erste Firmen wie Daimler und Bosch sind bereits auf Neschers System aufmerksam geworden.
Noch ist die Entwicklung von ReWaVE nicht abgeschlossen. In Kürze werden die Beine und Arme des Anwenders in die virtuelle Welt integriert werden, sodass er diese beim Gehen sehen kann. Neschers Nachfolger am ICVR/IWF, der Doktorand Markus Zank, wird die Arbeit an diesem System weiterführen. Zank hat während seiner Masterarbeit daran gearbeitet, passende Schrittgeräusche wie das Knirschen von Kies in die virtuelle Welt zu integrieren, um den Eindruck echten Gehens zu verstärken. In Zukunft wird weitere Grundlagenforschung notwendig sein, um zu untersuchen, wie menschliches Laufverhalten besser vorausgesagt werden kann. Das soll eine noch bessere Planung der Redirektion ermöglichen.



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.