Tests
20.05.2014, 17:06 Uhr
Oculus Rift: die grosse Ernüchterung
Das immersive Erlebnis der Virtual-Reality-Brille versetzt die PCtipp-Redaktion nicht nur ins Staunen.
Man erinnere sich an erste Virtual-Reality-Bemühungen der Neunzigerjahre. Waren da nicht schon erste Gehversuche von Nintendo mit seinem Virtual Boy? Man setzte sich eine wuchtige Brille auf. Nicht nur, dass die Auflösung pro Brillenglas mit 224 kleinen roten LEDs pro Glas bei längerem Spiel Augenreiben verursachte – man stand oder sass in der gebückten Haltung auch völlig bescheuert da.
Nicht so bei der Oculus Rift: Das Sichtfeld ist riesig. Auch wenn die Virtual-Reality-Brille vom Gewicht her mit fast 300 Gramm etwas schwer anmutet, so hat sie doch einen relativ guten Tragekomfort. Der Eindruck, als befände man sich bei vollem 360-Grad-Rundumblick mitten im Geschehen, fährt wirklich ein. Im Spiel Doom 3 gehen einem die sabbernden Riesenbosse richtig nahe. Da lassen wir vor Angst schon mal im Spiel die Motorsäge fallen. In die Läden kommen soll die Virtual-Reality-Brille irgendwann im nächsten Jahr. Bis zum finalen Produkt gibt es allerdings noch einige technische Hürden zu meistern.
Schönes Köfferchen
Packt man die Entwicklerversion der Oculus Rift aus, verbirgt sich im hübschen Köfferchen eine grosskalibrige Brille und ein Adapter mit USB- und Grafikschnittstellen. In der grossen Brille sind zwei OLED-Displays eingebaut. Wer eine Brille trägt, kann aus einem der drei mitgelieferten inneren Linsenpaaren zwischen verschiedenen Dioptrien wählen. Hätten wir da schon von Anfang an gewusst, dass das dünnste Glas für Leute ohne Sehkorrektur ist, wäre uns vielleicht ein bisschen weniger schwindlig geworden. Doch daran ändern selbst Gläser für Normalsichtige nichts.
Pixelbrei und Sinnesstörungen
In den Monitoreinstellungen sieht man, dass die Oculus Rift, über HDMI angeschlossen, sein Full-HD-Signal auf zwei Bildschirme aufteilt. Die Gesamtauflösung des Bildschirms in der Brille beträgt aber nur 1280 x 800 Pixel. Aufgeteilt pro Auge müsste das ungefähr einem 480p-Bild entsprechen. Gefühlt waren es pro Auge aber nur um die 300 Pixel. Das ist in etwa derselbe Augenkrebs, als schaue man aus nächster Nähe in einen Röhrenferseher. Ungläubigkeit macht sich breit: Für das soll Mark Zuckerberg 2,3 Milliarden Dollar hingeblättert haben?
Immerhin arbeiten die Bewegungssensoren für Kopfbewegungen sehr präzise und tragen entscheidend zum Eintauchen in die virtuelle Welt bei. Doch bewegt man seinen Kopf zu oft, kann einem schnell übel werden. Ob es nur an einer etwas optimierungsbedürftigen Latenzzeit liegt? Oder einfach daran, dass man wie wild in alle Richtungen blickt, was man sonst im normalen «Körperbetrieb» nicht macht? Eventuell ist es beides. Zusätzlich waren von der Kopfbewegung bis zur Berechnung des jeweils nächsten Bildes je nach Spielszene so ganz nebenbei ein paar Mikroruckler auszumachen. Einem Redaktionskollegen gingen diese Mikroruckler so lange nach, dass er glaubte, er müsse beim Weiterarbeiten seine Bildschirme festhalten.
Vielleicht sind einige Hardcore-Zocker unter uns besser auf solche Reflexe geeicht. Vielleicht war es auch nur eine schlechte Entwicklerversion. Wir werden es nie ganz herausfinden. In einem Punkt sind wir uns aber alle einig: Längeres Spiel mit der Virtual-Reality-Brille kommt einem regelrechten Schleuderkarussell nahe und das Gehirn musste bei allen Testpersonen nach Abnahme der Brille ein paar Minuten lang intensive Ausgleichsarbeit leisten.
Fazit und Ausblick
Die Auflösung und die Displaytechnik der Oculus Rift überzeugen uns noch in keinerlei Hinsicht. Derzeit ist eine überarbeitete HD-Version im Anmarsch. Hoffen wir bei der HD-Version auf ein wenig «Anti-Übel-Technik».
Eine grosse Frage bleibt aber offen: Wie werden die Hardware-Anforderungen an die finale Version der Oculus Rift sein? Streben die Entwickler beim Endprodukt pro Augenseite eine Mindestauflösung von 720p an, mal abgesehen von der zusätzlichen Rechenleistung für die Bewegungssteuerung, wäre, rein rechnerisch gesehen, 4K-Grafikhardware erforderlich. Wer schon einmal ein Spiel wie Crysis 3 mit 4K-Auflösung gespielt hat, merkt es schnell: Um in den vollen Genuss aller Partikel- und Schatteneffekte zu kommen – die Kantenglättung wird teilweise durch die hohe Auflösung kompensiert –, müsste man derzeit auf zwei Nvidia-Titan-Grafikkarten für schätzungsweise 2000 Franken zurückgreifen.
Wir sind jedenfalls gespannt, wie es in der Welt der «erweiterten Realität» weitergeht. Hoffentlich mit ein paar groben Pixeln weniger.
Autor(in)
Simon
Gröflin
21.05.2014
22.05.2014
24.05.2014
25.05.2014
25.05.2014