Tests 16.08.2012, 13:21 Uhr

Lytro - die Lichtfeldkamera im Test

Mit Lytro kann man Fotos schiessen und erst später scharf stellen. Seit kurzem ist das Gerät in der Schweiz erhältlich. Grund genug für einen Test.
Elegant und aussergewöhnlich: die Lytro-Kamera
Als sogenannte Lichtfeld-Kamera erzeugt die Lytro Bilder, bei denen man den Fokus nach der Aufnahme festlegen und jederzeit mit einem Klick ändern kann (mehr dazu in unserer ersten Ankündigung). Der Fotoapparat ist nicht nur anders als jede andere Kamera, er sieht auch anders aus, fühlt sich anders an und ist anders zu bedienen. Das hört sich wie ein abgelutschter Werbespruch an, aber genau so ist es. Von bisherigen Gewohnheiten beim Fotografieren muss man sich hier verabschieden.
Das Gehäuse hat kaum sichtbare Bedienelemente und ist dadurch eine sehr elegante Erscheinung. Auslöser und Einschalttaste sind unauffällig versenkt, dazu kommt eine berührungsempfindliche Linie, über die man hin- und herfährt, um die Zoomstärke einzustellen. Der Rest wird über den winzigen Touchscreen gesteuert. Der Objektivdeckel ist magnetisch befestigt und hält schlecht. Kippt man die Lytro einfach in einen Rucksack oder in eine Handtasche, fällt der Deckel oft ab.
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Geschlossenes System

Die Lytro-Kamera lässt sich nur zusammen mit der Lytro-Software verwenden, da die Bilder in einem sehr speziellen Format vorliegen. Und die Software läuft derzeit nur auf dem Mac (ab OS X 10.6.6) und auf Windows 7 64-bit. Was man mit den Bildern anstellen kann, ist also vollständig davon abhängig, was die Lytro-Software kann. Im Moment bietet sie beispielsweise ausser einer 90-Grad-Rotation keinerlei Bearbeitungsfunktionen. Man kann zwar ein Bild als JPEG exportieren und dann bearbeiten, doch dabei entfällt natürlich der variable Fokus.
Die Lytro-Welt ist überhaupt mehr oder weniger in sich geschlossen. Die Kamera selbst hat keine SD-Karte, sondern einen fest verbauten Speicher, und auch der Akku ist nicht austauschbar. Die günstigere 8-GB-Variante reicht übrigens aus, man kann damit etwa 350 Fotos schiessen. Alle Fotos werden über die Software auf dem Computer gespeichert. Ein Austausch mit dem Rest der Welt ist möglich, indem man die Fotos ins Web hochlädt. Das geschieht jedoch ausschliesslich über die Server des Anbieters. Jeder Benutzer muss sich registrieren und erhält dann seine eigene Unterseite in der Lytro-Onlinegalerie. Fotos lassen sich auf öffentlich oder privat stellen. Auch nichtöffentliche Bilder sind jedoch sichtbar, wenn man den Direktlink kennt. Dieser wird immerhin erst dadurch bekannt, dass ihn der Benutzer weitergibt.
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Fotografieren mit der Lytro

Coole Spielerei, anspruchsvolles Fotografieren

Das Coole an Lytro: Selbst nachdem das Foto ins Web hochgeladen wurde, kann es weiterhin von jedem Betrachter auf jede Ebene scharfgestellt werden. Dazu braucht man nur auf den entsprechenden Bildteil zu klicken. Damit das funktioniert, muss im Webbrowser Flash aktiviert sein. Die Software postet auf Wunsch das Foto gleich in Facebook, Twitter oder Google+.
Manche Fotos lassen sich allerdings nur teilweise oder gar nicht scharf stellen. Das passiert zum Beispiel, wenn es eher dunkel war und das Bild wegen Verwackelung unscharf ist. Da kann zwar die Kamera nichts dafür, das ist der Fehler des Fotografen - aber auf dem winzigen Bildschirm ist es kaum zu erkennen, ob ein Foto wirklich etwas geworden ist.
Bei Makro-Aufnahmen aus kurzer Distanz lassen sich Objekte weiter hinten nicht mehr scharf stellen
Auch die Lytro-Kamera kann nicht in jedem Fall alles gleichzeitig fokussieren. Der Flexibilität sind Grenzen gesetzt. Im Standard-Modus lässt sich die Kamera auf sehr nahe liegende Motive nicht scharf stellen. Im Kreativ-Modus geht das, wenn man per Touchscreen vorfokussiert – ähnlich wie bei einer gewöhnlichen Kamera. Aber dann lassen sich weit entfernte Bildteile im Nachhinein nicht mehr scharfstellen. Ein gewisses Spektrum verschiedener Distanzen braucht es im Bild aber, um den Effekt überhaupt deutlich zu sehen. Es ist daher gar nicht so einfach, geeignete Bilder zu erzeugen.
Hier wird der Effekt gut sichtbar - aber es bräuchte noch einen interessanteren Hintergrund
Ausserdem braucht es für ein gutes Lytro-Foto ein Motiv, bei dem sich sowohl in der Nähe als auch in der Ferne etwas Interessantes befindet. Ansonsten macht die Spielerei wenig Sinn. In der Lytro-Galerie findet man deshalb sehr häufig Fotos von Spiegelungen aller Art. Auf jeden Fall muss man sich neue Gedanken zum Bildaufbau machen und Erfahrung sammeln, bis man den Bogen raus hat.

Kein Ersatz für gewöhnliche Kamera

Die Hoffnung, dass man sorglos in der Gegend herumknipsen kann und sich keine Gedanken mehr über falsch fokussierte Bilder machen muss, wird nicht nur wegen der Herausforderungen beim Bildaufbau enttäuscht. Wie bereits erwähnt, gibt es auch mit der Lytro unscharfe Fotos. Umgekehrt ermöglichen Gesichtserkennung oder intelligente Automatik auch bei einer gewöhnlichen Kamera, unbeschwertes Knipsen mit wenig Ausschuss. Zudem ist die Lytro nach klassischen Beurteilungskriterien heute jeder Kompaktkamera krass unterlegen. Die Auflösung liegt bei sehr bescheidenen 1080 x 1080 Pixeln (ungefähr 1 Megapixel), Einstellungsmöglichkeiten beim Fotografieren gibt es praktisch keine, auf dem Mini-Display sieht man bei der Aufnahme kaum etwas. Hinzu kommt das mühselige Prozedere beim Verarbeiten der Bilder. In Test dauerte das Umwandeln eines Fotos zu einem klickbaren Bild jeweils mehrere Minuten. Wenn man viele Fotos geschossen hat, wird das zur Geduldsprobe.
Fazit: Lytro ist die erste Kamera ihrer Art und bietet echte Innovation. Sie ist erschwinglich und die Technik funktioniert einwandfrei. Allerdings muss man mit grossen Einschränkungen leben. Der Verarbeitungsprozess ist langsam, Bildbearbeitung am «lebenden Objekt» gibts nicht und der Bildschirm ist einfach nur erbärmlich. Unter Windows 32 bit und Linux lässt sich das Gerät momentan gar nicht erst verwenden.
Das Testgerät wurde uns von Digitec zur Verfügung gestellt.

Testergebnis

Fokus nach der Aufnahme veränderbar, Teilen der Fotos im Web, schönes Design
Display, totale Abhängigkeit von Lytro-Software, unvollständige Windows-Unterstützung, keine Bearbeitungs- und Einstellungsmöglichkeiten, Bildqualität

Details:  Für Mac OS X ab 10.6.6 und Windows 7 x64

Preis:  Fr. 499.– (8 GB), Fr. 599.– (16 GB)

Infos: 
www.lytro.com

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Autor(in) David Lee



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