«Ausweiszwang Nein» 22.01.2023, 13:42 Uhr

Update: Piratenpartei-Referendum erreicht die nötigen Unterschriften wohl nicht

Da das Referendum-Komitee in den letzten 2 Wochen vor Abgabe mit Unterschriften überschwemmt wurde, konnte man nur noch schätzen. Jetzt zeichnet sich immer mehr ab, dass die Schätzung zur eingereichten Anzahl Unterschriften zu optimistisch war.
Symbolbild
(Quelle: OleksandrPidvalnyi/Pixabay)
Update 22. Januar 2023
Obwohl die Piratenpartei zuletzt mit 40 Freiwilligen die vielen Unterschriftsbögen sortiert, erfasst und für den Versand gesorgt haben, zeichnet sich am Sonntag ab, dass die benötigten 50'000 Unterschriften nicht zusammenkommen werden. Mit dem neuen Bogengenerator, mit dem Unterschriften direkt an Gemeinden verschickt werden können, sparte man zwar Zeit, doch dadurch war eine genaue Kontrolle nicht mehr möglich. Die Schätzung des Komitees «Ausweiszwang Nein» war offenbar zu optimistisch. Dies schreibt das Team rund um Kampagnenleiter Pascal Fouquet via Newsletter und auf der Webseite. Am Freitag und Samstag seien noch tausende Unterschriften eingetroffen – zu spät und somit ungültig. Man warte auf den Bescheid der Bundeskanzlei.
Stand 19.01.23
Am heutigen 19. Januar 2023 reicht die Piratenpartei Schweiz ihr Referendum «Ausweiszwang Nein» ein. Denn heute läuft die Referendumsfrist zu einem neuen Gesetz, das Plattformen wie YouTube oder Netflix verpflichten möchte, das Alter ihrer Nutzer zu überprüfen, ab. Die Frist läuft bis Mitternacht – und da es knapp werden könnte, nutzen die «Ausweispflicht»-Gegner die Frist bis zur letzten Minute und sammeln bis um 23:59 Uhr weiter, wie «20 Minuten» berichtet. Freiwillige und Ehrenamtliche sammelten seit Oktober 2022 für das Referendum die Unterschriften (PCtipp berichtete). «Das hier vorliegende Gesetz ist ‹Guguus› und liefert kaum Mehrwert. Dafür ist es der Startschuss für eine neue Ausweispflicht und Checkpoints im Internet», so die Piratenpartei Schweiz im vergangenen Herbst.
Zum Jahresbeginn sah es noch so aus, als käme das Referendum nicht zustande, denn was die Änderungen für das Jugendschutzgesetz konkret für uns alle bedeuten, blieb von der breiten Masse weitgehend unbemerkt. Das Thema nahm Anfang Jahr Fahrt auf, als zunächst das Onlinemagazin Dnip über die drohende Ausweispflicht im Internet berichtete, aber auch «20 Minuten», «Blick», «Tages-Anzeiger», SRF oder der «Beobachter» berichteten daraufhin.

Die 50'000 Unterschriften kamen wohl zusammen

Und das Interesse am Referendum war plötzlich enorm. Die Piratenpartei wurde offenbar mit Unterschriften «überflutet». «Wir wurden in so kurzer Zeit von Unterschriften überflutet, dass wir gar nicht mehr nachzählen konnten, sondern schätzen müssen. Demnach sind wir bei über 50'000 Unterschriften», schreiben die Piraten in einem Communiqué vom Donnerstagmorgen. «Wir haben alles gegeben, uns wurden aber noch Steine von Gemeinden in den Weg gelegt, die uns einfach die Briefe unbescheinigt zurückgeschickt haben. Obwohl wir kaum noch Zeit hatten» wird Pascal Fouquet, Kampagnenleiter des Referendums, darin zitiert.

Worum gehts?

Ende September 2022 hatten National- und Ständerat das Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele verabschiedet. Mit dem neuen Bundesgesetz sollen Minderjährige vor schädlichen Filmen und Videospielen, die bspw. Gewalt, Sexualität oder bedrohliche Szenen darstellen, geschützt werden. Schweizweit sollen alle Kinos, Detailhändler, Online-Versandhändler und Abrufdienste zu Alterskennzeichnungen und -kontrollen verpflichtet werden. Befürworter sehen darin einen wichtigen Schritt in Sachen Jugendschutz.

Was ist das Problem?

Auch wenn sich die meisten einig sein dürften, dass Jugendschutz eine gute Sache ist, die Art und Weise, wie dieser umgesetzt werden soll, sorgt für Ärger. Denn auf Plattformen wie YouTube, Netflix, TikTok, Facebook, Instagram, Twitch, aber auch Webseiten mit pornografischen Inhalten, sollen Nutzerinnen und Nutzer nicht nur bei spezifischen Videoinhalten – wie beispielsweise Gewalt oder Pornografie – ihre Identität ausweisen. Sondern das Gesetz in seiner derzeitigen Form verlangt eine pauschale Altersverifikation vor der erstmaligen Nutzung. Die Schweizer Variante geht hier viel weiter als in EU-Ländern und knüpft also eine Kontoerstellung an eine Altersprüfung. Und das würde bedeuten, dass sämtliche Schweizerinnen und Schweizer, die diese Plattformen nutzen, sich ausweisen müssen. Eine Altersüberprüfung ist derzeit nur mit einem Ausweis möglich.
Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVG); Art. 8 Alterskontrolle durch Anbieterinnen von Abrufdiensten
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch
Ausserdem störend: Sämtliche Daten, die man zur Altersverifikation angeben muss, darf der Anbieter weiterverwenden. Den Techriesen wie Google oder Meta (Facebook/Instagram) werden so kostenlos, ohne Gegenleistung und Datenschutzvorgaben noch mehr Daten geschenkt. Hinzu kommt, dass man bei Plattformen, die im Ausland sind, das Gesetz nicht durchdrücken kann – sie müssen also freiwillig mitmachen. Während man dies bei YouTube und Co. noch erwarten kann, sind bei anderen Seiten mit Inhalten, die man als potenziell jugendschutzgefährdend einstufen könnte, die Besitzverhältnisse völlig unklar und auch durch die juristische Situation in den Ländern, in welchen diese Seiten gehostet werden, kann eine Zusammenarbeit schwierig werden. Dies zeigt beispielsweise auch eine Dokumentation des ARD-Netzwerks Strg+F über die Erwachsenenplattform XHamster. Datenschutzexperte und Rechtsanwalt Martin Steiger positioniert sich im Beobachter-Interview klar gegen das neue Jugendschutzgesetz.



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