Tests 06.11.2014, 13:15 Uhr

Nexus 9 im Test: Das erste iPad mit Android?

iPad-Killer wurden schon oft heraufbeschworen. So nahe am Vorbild wie das Nexus 9 von HTC war aber wahrscheinlich noch kein Mitbewerber.
Auf den ersten Blick ist klar, auf wen HTC und Google beim Produkt ihrer jüngsten Zusammenarbeit abgezielt haben. Das Nexus 9 zitiert viele Elemente des iPad Air (2). Aus diesem Grund werden wir in diesem Test auch öfter mal zum Vergleich ausholen. Ausserdem werden wir etwas ausführlicher auf die Neuerungen von Android 5.0 Lollipop eingehen, denn das Nexus 9 ist neben dem Nexus 6 von Motorola das erste Gerät auf dem Markt mit der neusten Android-Version.

Inspirationsquelle iPad

Doch zuerst zur Hardware. Die offensichtlichste Parallele zum iPad Air stellt das Seitenverhältnis des Bildschirms dar. Statt wie die meisten Android-Tablets auf ein Verhältnis von 16:10 oder 16:9 zu setzen, hat HTC das breitere 4:3-Format gewählt, auf das Apple bei seinen iPads seit jeher vertraut. Das bedeutet, dass beim Abspielen von Videos fette schwarze Balken das Bild oben und unten säumen, dafür eignet sich das Format besser zur Anzeige von Webseiten oder zum Arbeiten.
Nein das ist kein iPad ohne Home-Button, sondern das Nexus 9
Quelle: HTC
Auch bei der Materialwahl hat sich HTC von Apple inspirieren lassen. Der Rahmen des Tablets besteht nämlich komplett aus Aluminium. Aber auch nur der – die (bei unserem Modell weisse, wahlweise auch schwarze) Rückseite ist beim Nexus 9 aus Plastik. Das ist unserer Meinung nach aber auch gut so, fühlt sich weicher Kunststoff doch einfach angenehmer an in der Hand als hartes, kaltes Metall. Die Verarbeitung des Gehäuses ist hervorragend, die Übergänge zwischen Metallrahmen und der verglasten Front respektive der Kunststoffrückseite sind nahtlos. Dass Plastik nicht so stabil ist wie Metall merkt man jedoch an der Rückseite, die sich an einigen Stellen leicht eindrücken lässt. Besonders trifft dies auf die Stelle zu, wo das Nexus-Logo prangt, also ganz in der Mitte. Hier wird die Plastikabdeckung schon bei einer leichten Berührung eingedrückt. Auch wenn es sich wahrscheinlich nur um Bruchteile eines Millimeters handelt, ist das etwas irritierend und wird dem offensichtlichen Premium-Anspruch des Geräts nicht gerecht.
Die Rückseite ist zu allen vier Kanten hin leicht abgerundet, wodurch das Gerät gut in der Hand liegt. Weil sich die rückseitige Kamera in der linken oberen Ecke befindet, steht die Kameralinse auf der abgerundeten Seite etwas hervor, was auf den ersten Blick etwas komisch ausschaut, aber in der Praxis nicht stört.
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Eine Frage des Formats

Eine Frage des Formats

Mit knapp 8 Millimetern ist das Nexus 9 angenehm dünn, wenn auch fast 2 Millimeter dicker als das iPad Air 2. Beim Gewicht sind die beiden Edel-Tablets hingegen praktisch gleich auf, in der WLAN-Variante ist das Nexus 9 noch einen Tick leichter (425 Gramm). Dennoch fühlt sich das Gerät für unseren Geschmack etwas zu schwer an, andere vergleichbare Android-Tablets sind zum Teil deutlich leichter, etwa das Galaxy Tab S 8.4 mit knapp 300 Gramm. Aber das ist halt der Preis für den Metallrahmen, Karbon hat es bis jetzt nun mal noch nicht in die Fertigungshallen der Tablet-Hersteller geschafft.
Nexus 9 und iPad Air 2 im Vergleich
Quelle: hw/IDG
Freilich ist das HTC-Tablet auch ein gutes Stück kleiner als das iPad Air 2, schliesslich sprechen wir hier von einer Bildschirmdiagonale von 8,9 Zoll. Mit dieser eher ungewöhnlichen Diagonale reiht sich das Nexus 9 mittig zwischen dem iPad Mini (7,9 Zoll) und dem iPad Air (9,7 Zoll) ein. Ob das ein kluger Schachzug war, wird sich zeigen, unserer Meinung nach hat HTC hier aber ein angenehmes und praktisches Format gewählt, ein guter Kompromiss zwischen Handlichkeit (das Nexus 9 lässt sich auch noch gut mit einer Hand halten) und Anzeigefläche.
Die beiden Edel-Tablets von hinten
Quelle: hw/IDG
Der 8,9-Zoll-Bildschirm hat eine Auflösung von 2048 x 1536, die – wen wunderts – exakt der Auflösung der aktuellen iPads entspricht. Dank der Pixeldichte von 288 ppi ist das Bild scharf, aus der normalen Tablet-Betrachtungsdistanz sind keine einzelnen Pixel auszumachen. Der IPS-Bildschirm ist ordentlich hell. Insgesamt gefällt uns das Display sehr gut, die Qualität ist auf Augenhöhe mit dem iPad Air 2. An die Bildqualität eines OLED-Bildschirms wie im Galaxy Tab S kommt das LC-Display freilich nicht heran.
Und hier noch im Profil. Das Nexus 9 ist knapp 2 mm dicker als das iPad Air 2
Quelle: hw/IDG
Beim Betrachten von Videos stören zwar die erwähnten schwarzen Balken, dafür werden die Ohren verwöhnt: Die ganz oben und unten in die Front eingelassenen Stereolautsprecher überzeugen mit einem lauten, satten Klang.
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Prozessor, Leistung, Kamera

64-Bit-Power für Android

Technisch hat das Nexus 9 ebenfalls einiges zu bieten. Es ist das erste Android-Tablet überhaupt mit 64-Bit-Prozessor. Möglich macht dies nämlich erst die neue Android-Version 5.0, zuvor wurden 64-Bit-CPUs nicht unterstützt. Und ja, die 64-Bit-Architektur ist eine weitere Parallele zum iPad Air 2. Im Nexus 9 kommt ein SoC (System-on-Chip) von Nvidia zum Einsatz, das Tegra K1. Es verfügt in der 64-Bit-Variante über zwei Prozessorkerne, die mit bis zu 2,3 GHz takten. Der 64-Bit-Prozessor lässt in den Benchmarks seine Muskeln spielen, erreicht beispielsweise im AnTuTu starke 56'426 Punkte, deutlich mehr als jedes von uns getestete Android-Tablet bislang.  Das zeigt das Potenzial von 64-Bit-CPUs, schliesslich stellt das Nexus 9 auch Geräte mit Vier- oder sogar Achtkernprozessoren wie das Samsung Galaxy Tab S weit in den Schatten. Beeindruckend ist auch der Wert von 2313 im Browser-Benchmark Peacekeeper. Flotter surft man mit kaum einem anderen Tablet im Web.
In der Praxis lässt sich das Nexus 9 sehr flüssig bedienen. Beispielsweise lässt sich in Sekundenbruchteilen zwischen einem aktiven Spiel wie Asphalt 8 und anderen Apps wechseln. Wenn sich der Prozessor anstrengen muss, wird das Tablet allerdings an einer bestimmten Stelle links oben auf der Rückseite recht warm. Jedoch nicht in einem Ausmass, das stören oder gar Besorgnis erregen würde.
Die Ausstattung umfasst unter anderem 2 GB Arbeitsspeicher, WLAN-ac und NFC. Der interne Speicher beträgt wahlweise 16 oder 32 GB. Schade: HTC hat auf einen MicroSD-Slot verzichtet. Auch hier liess man sich (leider) vom iPad inspirieren. Optional ist das Nexus 9 auch mit LTE erhältlich, unser Testgerät musste jedoch ohne Mobilfunk auskommen.

Mässige Kamera

Das Nexus 9 ist mit zwei Kameras ausgerüstet. Die rückseitige Kamera hat eine Auflösung von 8 Megapixeln und wird erfreulicherweise von einem LED-Blitz begleitet – ein Feature, auf das man beim iPad Air 2 beispielsweise verzichten muss. Leider weiss die Kamera qualitativ nicht ganz zu überzeugen. Fotos wirken stets etwas verwaschen und unscharf. Hier liefert das iPad klar die besseren Resultate.
Fotos vom Nexus 9 wirken etwas verwaschen und unscharf
Quelle: hw/IDG
Wie alle in Kooperation mit Google entstandenen Nexus-Geräte läuft auch das Nexus 9 auf einer originalen, unveränderten Android-Version. Obwohl das Gerät von HTC produziert wurde, finden sich darauf also keinerlei HTC-spezifische Software-Features wie etwa der Blinkfeed oder die Videoverarbeitungs-App Zoe. Die einzigen Apps die vorinstalliert sind, sind die Standard-Android-Apps wie E-Mail-Client, Kalender oder Rechner (einige davon übrigens in neuen, überarbeiteten Versionen, die in den kommenden Wochen für alle Android-Geräte verteilt werden) und natürlich eine ganze Handvoll Google-Apps. Diese umfassen unter anderem den Browser Chrome, Googles Office-Anwendungen Docs, Tabellen und Präsentationen, Gmail, YouTube, Google Maps, Play Music und den Cloud-Speicherdienst Drive. Alles in allem also dennoch eine reichhaltige Grundausstattung.
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Android 5.0 Lollipop im Detail

Android 5.0 Lollipop im Detail

Die neue Android-Version 5.0 alias Lollipop stellt einen der grössten Versionssprünge in der Geschichte von Android dar. Die Nutzeroberfläche wurde komplett überarbeitet und den neuen Design-Richtlinien namens «Material Design» angepasst. Dialoge oder Schaltflächen sollen sich wie physische Materialien anfühlen, was Google unter anderem mit feinen Schattierungen und Animationen erreichen will. Die Oberfläche reagiert zudem sichtbar auf Interaktionen. Trotzdem bleibt das Android-UI auch in Lollipop sehr schlicht, die Farbe Weiss dominiert viele Bereiche.
Schlicht: Das App-Menü unter Android 5.0
Quelle: hw/IDG
Optisch neu gestaltet wurden unter anderem auch die drei virtuellen Haupttasten, die nun einfache geometrische Formen darstellen (Dreieck, Kreis und Viereck), die Funktion bleibt aber die gleiche. Die Anzeige der zuletzt geöffneten Anwendungen wurde optisch aufgewertet und erlaubt jetzt ein schnelleres (und vor allem cooleres) Wechseln zwischen Apps.
Die Anzeige der geöffneten Apps wurde optisch aufgemotzt
Quelle: hw/IDG
Überarbeitet wurden auch die Benachrichtigungen, die neu zentral auf dem Sperrbildschirm angezeigt werden. Praktisch: Man kann gezielt steuern, von welchen Apps man Benachrichtigungen anzeigen lassen will oder eben nicht. Zudem kann man neu jederzeit in einen der drei Modi «Alle», «Keine» oder «Wichtige» umschalten, um entsprechend mit Benachrichtigungen versorgt zu werden. Durch Wischen vom oberen Bildrand mit zwei Fingern erreicht man ausserdem jetzt ein Schnellzugriffsmenü, über das z.B. Funkverbindungen gesteuert oder die Taschenlampe aktiviert werden können.
Das neue Benachrichtigungscenter mit Schnellzugriffen
Quelle: hw/IDG
Zu den interessanten Neuerungen zählt ein Energiesparmodus, der auf Wunsch bei niedrigem Akkustand automatisch einspringt. Dieser drosselt die Leistung des Prozessors und minimiert Hintergrundprozesse. So soll die Laufzeit um bis zu 90 Minuten verlängert werden können. Ist der Akkustand tief, schlägt Android automatisch vor, den Energiesparmodus zu aktivieren. Ist dieser aktiv, merkt man dem Gerät die gedrosselte Leistung sofort an. Apps brauchen deutlich länger zum starten, das Wechseln zwischen Anwendungen gelingt weit weniger flüssig.
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Akkulaufzeit, Preise und Versionen, Fazit

Enttäuschende Akkulaufzeit

Auch ohne Energiesparmodus soll Android 5.0 schonender mit den Ressourcen umgehen und damit längere Akkulaufzeiten ermöglichen. Überprüfen lässt sich das freilich nur auf Geräten, auf denen vorher Android 4.4 installiert war. Was die Ausdauer des Nexus 9 betrifft, haben wir allerdings Enttäuschendes zu vermelden. Nach sechs Stunden und zwanzig Minuten Webbrowsing am Stück ging unserem Testgerät die Puste aus. Die Helligkeit des Displays haben wir dabei wie immer auf rund 66 Prozent eingestellt. Mit diesem Wert fällt das Nexus 9 weit hinter die Konkurrenz zurück, das iPad Air 2 schaffte beispielsweise neuneinhalb Stunden im selben Test.
Mit aktiviertem Energiesparmodus ist deutlich mehr möglich, in einer Stunde hat das Nexus 9 dann nur 12 Prozent Akku verzehrt, was hochgerechnet eine Laufzeit von gut acht Stunden ergibt. Allerdings wird angesichts der massiv gedrosselten Leistung kaum jemand permanent den Energiesparmodus aktiviert lassen wollen. Etwas mühsam zudem: Der Akku nimmts bei Aufladen recht gemütlich. Für eine volle Ladung muss man vier bis fünf Stunden einkalkulieren.
Für Technik-Fans: Mit Android 5.0 hat Google auch eine neue Laufzeitumgebung namens ART eingeführt, die im Vergleich zum Vorgänger deutlich leistungsfähiger sein soll. Dazu kommt die bereits erwähnte neue Unterstützung für 64-Bit-CPUs – der Leistungshorizont ist also nach oben hin offen. Hinter den Kulissen serviert Google mit Lollipop zudem mehr als 5000 neue APIs (Programmierschnittstellen), reichlich neues Futter für Entwickler ist also auch dabei.

Preise und Versionen

Das Nexus 9 ist in der 16-GB-Version ohne LTE bereits ab gut 400 Franken erhältlich – und damit rund 100 Franken günstiger als sein direkter Rivale iPad Air 2. Die 32-GB-Version kostet um die 500 Franken, für die LTE-Variante (nur mit 32 GB) werden rund 600 Franken fällig. Zum Vergleich: Die 16-GB-Version des iPad Air 2 mit LTE kostet bereits rund 700 Franken.
Die optionale Tastatur-Hülle ist erst zum Weihnachtsgeschäft erhältlich
Quelle: HTC
Wer mit dem Nexus 9 auch mal produktiv sein will, dürfte sich für die optional erhältliche Tastatur-Hülle interessieren. Allerdings wird er sich gedulden müssen, denn diese ist in der Schweiz laut HTC erst zum Weihnachtsgeschäft erhältlich – und wird recht happige 150 Franken kosten.

Fazit

Das Nexus 9 macht keinen Hehl daraus, von wem es sich inspirieren liess. Die Anleihen an das iPad sind offensichtlich: Seitenverhältnis, Bildschirmauflösung, Metallrahmen, 64-Bit-Prozessor, um nur einige zu nennen. Leider hat HTC auch einige Schwächen wie das Fehlen eines MicroSD-Slots vom Apple-Tablet übernommen.
Insgesamt gelingt die Imitation recht gut, die Verarbeitung ist sehr gut, wenn auch aufgrund der leicht eindrückbaren Plastikrückseite nicht ganz auf iPad-Niveau. Allerdings schwächelt das Nexus 9 bei der Akkulaufzeit und auch die Kamera ist enttäuschend. Dafür bietet der 64-Bit-Prozessor reichlich Power und die neue Android-Version Lollipop ist definitiv eine Bereicherung.
Das Nexus 9 ist zweifellos eine gute Wahl für iPad-Umsteiger oder solche, die von Apples Design fasziniert sind, jedoch lieber ein Android-Gerät möchten. Und für alle, die jetzt sofort ein Tablet mit Android 5.0 haben möchten, denn die Mitbewerber kommen erst im Laufe der nächsten Monate in den Genuss von Lollipop. Alle anderen finden jedoch gleichwertige oder gar bessere Alternativen im Android-Kosmos – was nicht heisst, dass das Nexus 9 schlecht wäre. Das ultimative Android-Tablet ist es aber definitiv nicht.
Alternativen gesucht? Hier gehts zu den Tablet Top 5. Dort nimmt das Nexus 9 neu Rang 4 ein.

Testergebnis

Display, Verarbeitung, Tempo, Lautsprecher, Android 5.0
Kein MicroSD-Slot, Kamera, Akkulaufzeit

Details:  8,9"-Display (IPS), Auflösung: 2048 x 1536, Nvidia Tegra K1 (Zweikern, 64 Bit, 2,3 GHz), 2 GB RAM, 16/32 GB Speicher, WLAN-ac, NFC, 8-/1,6-Mpx-Kamera, Android 5.0, 22,8 x 15,4 x 8 cm, 425 g

Preis:  Fr. 401.60

Infos: 
www.htc.com

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