Tests 09.12.2016, 09:56 Uhr

Gear S3 im Test: Samsungs beste Smartwatch

Auf dem Smartwatch-Terrain haben es die Hersteller zurzeit nicht leicht. Doch Samsungs neuste Smart-Uhr hat einiges zu bieten. Aber wo beginnt die Innovation?
Der Smartwatch-Markt ist im Moment angespannt. Glaubt man den Analysten, hat im dritten Quartal nur Apple mit knapp der Hälfte des Marktanteils seine Spitzenposition halten können. Auch Samsung hat es da mit Konkurrenten wie Garmin und Fitbit nicht leicht, während Pebble gerade von Fitbit aufgekauft wird. Das erklärt vielleicht auch, weshalb LG, Huawei & Co. im Moment eine Smartwatch-Pause einlegen und den Markt beobachten. Was kann da Samsung mit seiner neuen «Gear S3»-Smartwatch noch entgegenhalten? Etwa mehr Fitnessfunktionen? Mit der Gear S2 haben die Südkoreaner jedenfalls sehr vieles richtig gemacht. Wir erinnern uns gerne an den filigran verarbeiteten Drehring als zusätzliches Bedienelement, den genauen Pulsmesser und an das gut ausgeleuchtete Display, um nur einige der Top-Eigenschaften des Vorgängers zu nennen. Auf seinem hauseigenen Tizen-Betriebssystem baut der Hersteller weiter auf. Der Vorteil: Samsung kann beliebig neue Funktionen einführen und auf Bedienungselemente wie den präzisen Lünettendrehring setzen. Welche Funktionen sich damit ermöglichen, haben wir Ihnen in der Bilderstrecke (oben rechts) zusammengefasst.
Die Samsung Gear S3 besticht mit dem lichtdurchlässigen Super-Amoled-Display
Quelle: PCtipp

Mechanische Präzision

Die Gear S3, die es in zwei Versionen (Classic und Frontier) ab 450 Franken gibt, ist deutlich grösser als der Vorgänger. Die Outdoor-Version (Frontier), die wir ausprobieren durften, wirkt mit ihrem markigen Gehäuse fast so wuchtig wie eine Tag Heuer Connected. Im direkten Vergleich mit einer schlanken Huawei Watch Classic, empfinden wir das Frontier-Modell aber dann doch nicht so klobig. Beide Uhren sind ungefähr gleich schwer (ca. 63 Gramm) und gross. Für Frauen mit schmalen Handgelenken wohl ein wenig zu gross. Ob Samsung noch eine kleinere Version nachreicht, ist schwierig einzuschätzen, weil viele Verbesserungen durchaus mit dem Grössenvorsprung zusammenfallen. So wurde vor allem der Drehring mechanisch verfeinert. Der flinke Drehschalter ist jetzt noch besser im Edelstahlgehäuse verankert.
Das Standardmodell der neuen Samsung-Uhr lautet auf die Bezeichnung «Gear S3 Classic»

Schweizer Uhren-Ideen

Analoguhren-Fans werden bei diesem Sound zweimal hinhören: Das kaum hörbare Klicken beim Drehen vermittelt die Dezenz einer echten mechanischen Uhr. Da erstaunt es fast, wenn Samsung in der Medienmitteilung schreibt, man habe sich von Uhrenmachern «der ganzen Welt» inspirieren lassen. Das Schweizer «Watch Valley» dürfte einen genauso entscheidenden Einfluss auf die Konzeption gehabt haben. Bekannt ist etwa, dass der Schweizer Hublot-Uhrendesigner Yvan Arpa bei der Entwicklung der neuen Gear-S3-Modelle mitgeholfen hat. Das Standard-Silikon-Armband passt optisch zur Frontier-Fassung. Wer häufig nach Lust und Laune Armbänder wechselt, wird sich am etwas fummeligen Einfädeln der zwei Metallstiftchen stören. Bei der Apple Watch klappt das fast wie auf Knopfdruck.
Der Super-Amoled-Bildschirm der Gear S3 erwies sich als sehr blickwinkelstark
Quelle: PCtipp

Drehen, reden und wischen

Der Drehring dient weiterhin zur Aufnahme beliebter Widgets wie des Pulsmessers oder Kalenders. Gleichzeitig fungiert die Lünette wieder als Rotationsschalter für die zirkular angeordneten App-Symbole aller Anwendungen, die man rechts unten über die Haupttaste aufruft. Ebenso möglich ist damit das schnelle Aufrufen eingetrudelter Benachrichtigungen. Ein Alleinstellungsmerkmal: Die beiden robusten Tasten an der rechten Seite sind sehr präzise ins Gehäuse eingearbeitet und lottern an keiner Stelle. Bleibt höchstens noch die Frage, ob es wirklich zwei seitliche Bedientasten braucht. Während die untere Taste bei längerem Gedrückthalten die Ausschaltoption oder bei Doppelklick die Samsung-Assistentin S Voice hervorbringt, fungiert der obere Knopf nur als Zurücktaste.
Altbekanntes: Mit einem Knopf gelangt man immer zur Hauptauswahl der wichtigsten Apps
Quelle: PCtipp

Zu viele Tasten?

Aber wozu die Zurücktaste? Man gelangt auch mit einer simplen Wischgeste von oben nach unten zum Hauptbildschirm zurück. Zwar ist diese Kritik auf hohem Niveau, hat doch beispielsweise LG die zwei Knöpfe seiner LTE-Uhr Urbane 2nd Edition mit nur zwei Anwendungen belegt und mangels Android-Wear-Optionen gar nichts aus den erweiterten Bedienfunktionen herausholen können. Was wir an den seitlichen Tasten dennoch sehr lobenswert finden: Sie sind so angeordnet, dass man mit der oberen Handfläche wirklich nie damit in Berührung kommt. Die Samsung-Gehilfin, die Sprachbefehle entgegennimmt, kann man übrigens auch mit den Worten «Hey Gear» jederzeit herbeikommandieren, statt zweimal den Knopf zu drücken. Sie macht Fortschritte, plaudert aber nach wie vor nur in Englisch. Wir waren problemlos in der Lage, kurz jemanden aus dem Adressbuch per Sprachbefehl anzurufen.
Auch die seitlichen Bedienknöpfe der Gear S3 sind sehr robust verarbeitet
Quelle: PCtipp
Ein Manko gibt es bei der soliden Verarbeitung trotzdem: Die Gear S3 ist nicht zum Schwimmen geeignet. Zwar erfüllt das Gehäuse den IP68-Schutz für eine Tauchtiefe von 1,5 Metern während 30 Minuten. Bei Seifen- und Salzwasser ist aber zu besonderer Vorsicht geraten.
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Akkulaufzeit, Bedienung im Alltag, Fazit

Das beste Smartwatch-Display?

Der scharfe und blickwinkelstarke Super-Amoled-Bildschirm mit seiner Auflösung von 360 x 360 Pixeln überzeugte uns im Alltag. Er ist einiges lichtdurchlässiger und reflektiert zu keiner Zeit. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Ziffernblätter sind kaum Pixel zu erkennen. Die Farben sind deutlich besser ausbalanciert und wirken genauer. Kratzschutz verspricht das neue Corning Gorilla Glass SR+, welches das Wearable gut vor Stürzen schützt. Dass dabei noch eine so hohe Helligkeit möglich ist, verblüfft. Vier Tage Batterielaufzeit hat das Samsung-Marketing mit dem nun 380 mAh starken Akku versprochen. Wir finden: Es hängt sehr davon ab, welches Szenario man bei den Anzeigeoptionen wählt.
Die höchste Helligkeitsstufe ist dann selbst im Dunkeln etwas zu grell
Quelle: PCtipp

Mittelmässige Akkulaufzeit

Bei mittlerer Leuchtkraft muss auch die Gear S3 bei ständig aktivem Uhren-Display nach knapp anderthalb Tagen an die Ladeschale. Immerhin: Musste der Vorgänger noch mit einem 250-mAh-Akku klarkommen, ging der Gear S2 jeweils schon gegen Abend die Puste aus. Wählt man beim Neuanwärter die vierte Stufe der zehn Helligkeits-Levels und stellt man die Uhr so ein, dass das Display nur bei Drehen des Armgelenks aufleuchtet, hält die Gear S3 gut drei Tage durch. Angesichts des sehr genau reagierenden Bewegungssensors ist das doch ein herausstechendes Merkmal, für das man den Daumen hochhalten kann. Noch ein Wort zur Bedienung: Mit dem Arbeitsspeicher von 768 MB und der Dual-Core-CPU mit 1 GHz empfanden wir die App-Bedienung und Touch-Sensibilität als sehr flüssig, aber das war schon beim Vorgänger der Fall: Das Tizen-Betriebssystem ist sehr schlank gehalten.
Auch die Standardziffernblätter beinhalten mehr Fitnessfunktionen wie hier die Stoppuhr
Quelle: PCtipp

Mehr autonome Apps

Zum Betrieb der Uhr reicht ein Android-Smartphone, das mindestens Android 4.4 mitbringt. Bei der Samsung-eigenen App-Palette haben wir bis jetzt, abgesehen von den zahlreichen neuen Ziffernblättern, noch nicht viele spannende neue Apps entdeckt. Mit wichtigen Apps wie Google Maps und Spotify hat Android Wear mit zusätzlichen Bedienfunktionen (wie Musik stoppen und Playlists verwalten) nach wie vor die Nase vorn. Eine gute Alternative zur Navigation liefert jedoch der Here Navigator, den wir schon bei der Gear S2 entdeckt haben (siehe Bildergalerie).
Ein paar Überraschungen gibt es aber. Zum einen interagiert Tizen jetzt mit noch mehr Android-Apps wie WhatsApp und Twitter. Zum anderen kann man WhatsApp-Nachrichten nun mit Emojis, Handschriftengesten oder vorher festgelegten Kurzantworten erwidern (siehe Video unten). Sogar antworten mit Samsungs Sprachassistentin ist möglich. Das hat interessanterweise auch auf Deutsch funktioniert.
Sehr überzeugend finden wir die GPS-gesteuerte App «Samsung S Health». Für Workouts startet die Anwendung automatisch im Hintergrund und ermuntert auch Sportmuffel im Büro, zwischendurch aufzustehen, um ein paar Schritte zu gehen. Das motiviert und macht Spass. Man kann auch die einzelnen Tagesziele und die erklommenen Treppen in verschiedenen Verlaufsansichten durchblättern. Im Notfall ist es sogar möglich, eine SMS mit GPS-Koordinaten abzusetzen.

Sensorvielfalt

Darüber hinaus greift die Wetter-App auf das Barometer zurück, um Live-Informationen einzublenden. Überhaupt sind es vor allem die vielen Sensoren, die den Samsung-eigenen Apps zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. Der rückseitige Infrarotpulsmesser hat in der App-Ansicht ähnliche Verlaufsanzeigen zu bieten und verhielt sich während eines echten Trainings im Fitnesscenter sehr genau. Erwähnenswert ist auch das grosse Mikrofon, das hier noch Platz fand. Beim Telefonieren über die Smartwatch versteht man sich sehr deutlich. Weniger umständlich ist zudem das Installieren neuer Apps wie Uhrenanzeigen: Der Tizen-Store befindet sich jetzt direkt auf der Uhr! Jetzt sind wir nur noch gespannt, wann Samsung die Mobilfunkvariante der Gear S3 (mit eSIM) einführt. Wahrscheinlich wird Swisscom diese Version wieder anbieten.

Fazit

Samsungs Gear S3 ist die ausgereifteste Smartwatch für Android-Smartphones, die wir bis jetzt vor uns hatten. Das Gesamtpaket der 450-Franken-Uhr stimmt: Alleinstellungsmerkmale sind das lichtdurchlässige und farbreiche Display, die genauen Sensoren, die präzise Bedienung und vor allem eines: die vielseitigen Fitnessfunktionen!

Testergebnis

Bedienung, Display, Verarbeitung, Fitnessfunktionen
App-Angebot (Tizen)

Details:  1,3-Zoll-Super-Amoled-Touchscreen, Auflösung: 360 x 360, 1,1-GHz-Dual-Prozessor, 768 MB RAM, Bluetooth 4.3, NFC, IP68, 4 GB Speicher, Tizen OS 2.31

Preis:  Fr. 449.–

Infos: 
samsung.com/ch

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Autor(in) Simon Gröflin



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