Tests 22.09.2009, 10:24 Uhr

Duell: alte gegen neue Macs

Apples Mac-Rechner gibt es bereits seit 25 Jahren. In einem Test treten zwei über 20 Jahre alte Macs gegen das aktuelle schnellste MacBook Pro an. Die Ergebnisse überraschen.
Ein aktueller Mac-Rechner müsste um ein Vielfaches schneller sein als der erste Apple-Rechner von 1984. Allein von der Taktfrequenz her sollte ein aktuelles MacBook Pro mit 2,8 Giganzertz etwa 350 Mal schneller arbeiten als der Macintosh Plus mit seinen acht Megahertz. Die Dual-Core-CPUs und weitere Optimierungen sind hier noch gar nicht eingerechnet.
Noch grösser ist der Unterschied beim Arbeitsspeicher: Das MacBook Pro hat so viel wie 32'000 Exemplare des Ur-Mac. Und es geht noch weiter: Die Entwicklung der Massenspeicherkapazität ist nicht mehr zu toppen. Die Festplatte des MacBook Pro speichert heute mit ihren 500 Gigabyte sage und schreibe 125'000 Mal so viel Daten, wie eine Diskette des ersten Mac. Dabei überträgt sie ihre Daten in etwa 3200 Mal schneller. Doch was bleibt von dieser enormen technischen Entwicklung in der Praxis übrig?
Geräte im Test
Unsere Kollegen von der deutschen «Macwelt» haben drei Macs von 1987 bis heute getestet. Die Teilnehmer waren ein Macintosh Plus von 1987, ein Macintosh IIci von 1989 und ein aktuelles MacBook Pro 15 Zoll.
Links sehen Sie einen Macintosh Plus mit integriertem Schwarz-Weiss-Monitor, 1 Megabyte RAM und einer Acht-Megahertz-CPU von Motorola. Die Tasten sind so stabil gebaut, dass man glaubt, vor einer Kugelkopf-Schreibmaschine zu sitzen. Die Geräusche, die sie beim Drücken von sich geben, klingen ähnlich.
Es ging auch ohne Festplatte: Booten ab Diskette
Eine Festplatte sucht man vergebens. Lediglich ein Diskettenlaufwerk mit einer Kapazität von 800 Kilobyte steht dem Apple-Urgestein zur Verfügung. Für den Test wurde das Gerät mit einem zweiten, externen Diskettenlaufwerk ausgestattet, um nicht ständig Disketten wechseln zu müssen. Das Betriebssystem, System Version 6.0.8, bootet dabei vom internen Laufwerk, die Software lädt der Mac Plus über eine weitere Diskette im externen Laufwerk. 1987 kostete dieser Mac in der Grundausstattung umgerechnet rund 3800 Franken.

Dem Mac Plus zur Seite steht ein ziemlich genau ...

Dem Mac Plus zur Seite steht ein ziemlich genau 20 Jahre alter Macintosh IIci. Dieser Rechner war seinerzeit einer der meist verkauften Computer im grafischen Gewerbe. Vor allem wegen der schnellen internen Farbgrafik und Erweiterbarkeit mit Nubus- und PDS-Karten hat er sich viele Freunde unter Layoutern und Grafikern gemacht.
Der Macintosh IIci greift auf eine Motorola-68030-CPU und einen separaten mathematischen Co-Prozessor (FPU) vom Typ Motorola 68882 zurück. Beide takten mit 25 Megahertz. Im Jahre 1989 war das absolut High-End. Ab Werk kam der IIci damals mit einem Megabyte RAM, das Testgerät ist darüber hinaus mit weiteren 4 Megabyte Arbeitsspeicher ausgestattet. Ein wichtiges Detail: Der Macintosh IIci war – dank seines 32-Bit-cleanen ROMs – einer der ersten Macs, der mehr als 8 Megabyte RAM adressieren konnte. Die Obergrenze lag bei damals vollkommen utopischen 128 Megabyte. Die interne SCSI-Festplatte von Quantum fasst 40 Megabyte. Ein Grössenvergleich: Allein Safari 4 belegt heute knapp 100 Megabyte – es würde nicht einmal auf zwei der Festplatten des Mac IIci passen. Auf der Platte installiert findet sich das System 7.0.1. Der Preis dieses High-End-Mac-Systems aus dem Jahre 1989 lag in der Grundausstattung bei etwa 9100 Franken.
Auf der anderen Seite des Rings steht ein aktuelles MacBook Pro mit 15-Zoll-Bildschirm, Intel-Core-2-Duo-CPU mit 2,8 Gigahertz Taktfrequenz, 4 Gigabyte RAM und 500 Gigabyte Festplattenkapazität. Installiert ist die aktuelle Version 10.5.8 von Mac OS X Leopard. Den Mac bekommt man derzeit im Apple Store für 2799 Franken, also deutlich weniger als der Mac Plus damals bei seiner Vorstellung kostete.
Nostalgie-Macs reanimieren
Zunächst müssen die alten Rechner wieder zum Leben erweckt werden. Die Pufferbatterie des Macintosh Plus hat sich vermutlich schon vor mehr als 10 Jahren selbst pulverisiert und ist schlicht nicht mehr vorhanden. Doch der Computer startet auch ohne diese Batterie. Prompt ertönt der Einschaltton und es erscheint das bekannte Bild mit dem Diskettensymbol und dem blinkenden Fragezeichen auf dem Bildschirm. Das Laufwerk nimmt die Systemdiskette auch nach 23 Jahren noch problemlos an und der Zwerg bootet durch bis in den Finder, der übrigens noch kein Multi-Finder ist. Das bedeutet: Jedes Mal, wenn man ein Programm startet, wird der Finder beendet. Heute wäre so etwas unvorstellbar.
Das erste Einschalten des Macintosh IIci läuft problemlos. Die interne Grafikkarte setzt einen Monitor voraus, der das Synchronsignal auf dem Grün-Kanal verarbeitet (Sync-on-Green). So etwas wird schon seit Jahren nicht mehr hergestellt. Moderne LCD-Monitore stellen daher an diesem Anschluss zunächst kein Bild dar.
Der getestete Macintosh IIci wurde seinerzeit mit einer Nubus-Grafikkarte von Radius ausgerüstet, die sogar schon echtfarbfähig (24-Bit) ist und über eine Hardware-Beschleunigung verfügt. Via das dazugehörige Kontrollfeld lässt sich das Sync-on-Green abschalten. So zeigt der moderne LCD-Monitor aus dem Macwelt-Testcenter – per VGA angeschlossen – ein Bild an, sogar mit einer Auflösung von 1024 x 768 Punkten.

Tests im Labor Benchmarking-Software zu finden, ...

Tests im Labor
Benchmarking-Software zu finden, die unverändert auf allen drei Systemen läuft und vergleichbare Ergebnisse liefert, ist unmöglich. Zu unterschiedlich sind die Hardware und vor allem die Betriebssysteme. Hier hat sich in 20 Jahren so viel verändert, dass Inkompatibilitäten die Regel sind. Man darf nicht vergessen: Apple hat seither drei tiefgreifende Umstellungen durchgemacht. Zweimal wurde die CPU-Architektur ausgetauscht. 1994 wechselte Apple vom Motorola-Konzept zum Power-PC, 2006 kam der Umstieg auf Intel-Prozessoren. Obendrein gab es ab dem Jahr 2000 die sanfte Migration vom klassischen Mac OS hin zum Unix-basierten Mac OS X.
Ganz einfache Tests lassen sich dennoch auf allen drei Maschinen mit vergleichbaren Ergebnissen durchführen. Beispielsweise der Start des Systems oder von bestimmten Programmen. Oder der Stromverbrauch im Leerlauf und unter Volllast.
In den verstaubten Disketten-Kisten der letzten 20 Jahre haben unsere deutschen Macwelt-Kollegen noch alte Versionen der Textverarbeitung Word von Microsoft gefunden. Die Version 3.0.1 läuft anstandslos auf dem Mac Plus. Für den Macintosh IIci wurde die Version 5.1 verwendet. Auf dem MacBook Pro kommt Office 2008 zum Einsatz.
So schnell booten Macs – schon immer
Schon beim ersten Boot-Versuch gibt es eine Überraschung: Der Mac Plus ist 33 Sekunden nach dem Einschalten im Finder – wohlgemerkt: Er bootet ab Diskette! Damit unterbietet er das aktuelle MacBook Pro um knapp zwei Sekunden.
Der Mac IIci startet jedoch mit über 95 Sekunden zäh. Der Grund: 5 Megabyte RAM müssen durchgetestet werden. Der Speichertest war damals obligatorisch und wurde noch vom ROM aus initiiert, bevor das System von der Festplatte geladen wird. Allein der Speichertest dauert länger als eine Minute. Beim Warmstart fällt er jedoch weg.
Der Mac Plus bootet schneller als ein modernes MacBook Pro
Beim Warmstart im Finder – gemessen ab Einschaltton –, ist der Abstand «Alt gegen Neu» knapper. Hier landet das MacBook Pro mit 26 Sekunden vor dem Mac Plus mit 29 Sekunden. Der Macintosh IIci unterbietet beide: In 19 Sekunden ist er wieder einsatzbereit. Eine beeindruckende Zeit!

Ähnlich sieht die Situation beim Starten von Word aus. Word 3.0.1 lädt auf dem Mac Plus in 15 Sekunden von der externen Diskette. Die Version 5.1 braucht von Festplatte auf dem IIci nur 12 Sekunden. Mit knapp 21 Sekunden landet hier das MacBook Pro mit Word 2008 abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Sind also 23 Jahre technische Computer-Entwicklung bei Apple vollkommen überflüssig gewesen? Zumindest, was das Booten und Starten von Programmen angeht, lautet die Antwort: ja. Hier hat der Anwender bis heute nicht profitiert. Die Vorteile liegen aber woanders, das ist klar, als ein CPU-Test durchgeführt wird.

CPU-Test Die Textverarbeitung Word soll im Test ...

CPU-Takt und Arbeitsspeicherausstattung der Macs folgen seit 1984 einem exponentiell ansteigenden Verlauf. Dennoch sind aktuelle Macs in einigen Bereichen nicht schneller als vor 20 Jahren
CPU-Test
Die Textverarbeitung Word soll im Test in einem 32 Kilobyte grossen Dokument alle vorkommenden Buchstaben «o» gegen «u» ersetzen. Diese Aufgabe erfordert eine schnelle CPU, aber auch cleveres Speicher-Management.
Der Mac Plus erreicht hier seine Leistungsgrenze. Die knapp 1100 Fundstellen bearbeitet er in zähen 94 Sekunden. Ab etwa 1500 Fundstellen steigt der Mac Plus ganz aus und bringt nach minutenlangem Arbeiten nur die lapidare Fehlermeldung «Zu geringe Speicherkapazität».
Word 5.1 erledigt die Aufgabe auf dem IIci hingegen anstandslos in etwa 18 Sekunden. Unschlagbar arbeitet jedoch Word 2008 auf dem MacBook Pro mit gemessenen 0,7 Sekunden. Hier steckt also die Entwicklerleistung der letzten 20 Jahre, zumindest teilweise.
Stromverbrauch
Ende der 1980er-Jahre kümmerte man sich noch herzlich wenig um den Stromverbrauch von Computern. Leistung war wichtig, koste es, was es wolle. Ein Power-Management, das nicht benutzte Komponenten im Computer deaktiviert, gab es nicht. So verbraucht der Mac Plus im eingeschalteten Zustand 46 Watt, egal, ob er nun etwas tut oder nicht. Der Bildschirm lässt sich auch nicht separat abschalten. Noch schlimmer wird es beim Macintosh IIci. Hier wurde ein steter Verbrauch von 56 Watt gemessen. Nicht einmal die Festplatte fährt nach einer gewissen Zeit in den Ruhemodus, sie bleibt stets eingeschaltet.

In den 80ern war Leistung wichtig – koste es, was ...

In den 80ern war Leistung wichtig – koste es, was es wolle
Da ist das moderne MacBook Pro deutlich weiter. Im Leerlauf braucht es nur 18 Watt, und hierbei sind Bildschirm und Festplatte eingeschaltet. Wenn diese sich nach einer gewissen Zeit abschalten, braucht das MacBook pro kaum noch Strom. Unter Volllast der CPU sieht das jedoch anders aus. Mit 46 Watt zieht das MacBook Pro mit dem 23 Jahre alten Mac Plus gleich.
Software
Die Macwelt-Tests zeigen: Was die Hardware angeht, waren die Urzeit-Macs aus den Anfängen der Desktop-Computer wahrhaftig keine lahmen Enten. In einigen Bereichen sind sie den modernen Systemen von heute immer noch ebenbürtig, manchmal sogar überlegen. Allerdings darf man dabei die Software-Komponente nicht vergessen. Sowohl das Betriebssystem als auch die Anwendungen sind heutzutage wesentlich leistungsfähiger und in vielen Fällen auch einfacher zu bedienen. Heute alltägliche Programme, beispielsweise Internetanwendungen wie iTunes, Chat-Clients oder gar Echtzeit-Videoschnitt braucht man auf den klassischen Macs gar nicht erst zu suchen. Sie wurden mit der Entwicklung leistungsfähiger Hardware überhaupt erst möglich. Insofern waren die vergangenen 20 Jahre sicher keine verschwendete Zeit.
Dieser Artikel stammt von Christian Möller. Er ist Redaktor bei unserer deutschen Schwesterpublikation «Macwelt»



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