News 04.07.2013, 09:28 Uhr

Drohnen-Boom gefährdet Datenschutz und Flugsicherheit

Eine neue Ära an Helikoptermodellen ist angebrochen. Quadrocopter-Bausätze mit Schutzgehäusen, GPS- und Ultraschallsensoren mit kleinen Kameras werden immer beliebter. Einem Nationalrat und dem EDÖB bereitet diese Entwicklung aber zusehends Magenschmerzen.
(im Bild:) «Parrot AR Drone»
Die Verkäufe von GPS-Quadrocoptern explodieren im Fach- und Onlinehandel. Sie erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit – die mobilen Wespen mit Kameraaugen. Den besonderen «Kick» verleihen Drohnen wie die Parrot-AR-Drohne mit schneller Beschleunigung, Gyroskop, Ultraschallsensoren: Steht ein Hindernis im Weg, weicht sie geschickt aus. Die Drohne hat zwei kleine VGA-Kameras an Bord, mit denen, vom iPhone gesteuert, Vogelperspektive sowie Geradeausblick möglich sind. Hersteller wie Parrot legen meist umfassendes Zubehör bei wie Ersatzakku und austauschbare Navigationsplatine, damit grenzenlosem Flugrausch wirklich nichts mehr im Wege steht. Die Kameras werden immer hochauflösender und kleiner, an den GPS-Controllern wird immer mehr gefeilt: Auf Knopfdruck stehen neuere Modelle schnell stabil in der Luft und stürzen kaum noch ab. An Hobbybasteleien dieser Art erfreuen sich RC-Fans schon ab 500 Franken, oder weniger. 
Natürlich kann man einfach zum Spass haarscharf an Ästen vorbeirasen und im Zickzack sehr agil an parkenden Autos die Kurve kratzen. Das mag vielen ambitionierten Anhängern der mobilen Grosswespen berauschende Erlebnisse bereiten, erst recht wenn alles live vom Smartphone oder Tablet verfolgt werden kann. Natürlich kann man auch mal – nur zum Spass – und ganz kurz einen Blick in Nachbars Garten werfen. Man kann auch einfach die Hauskatze beim Jagen beobachten. Aber der eigentliche Reiz, die wahre Verlockung des fliegenden Auges, ist natürlich der Blick über die Hecke, hinter die Mauer, dorthin, wo man sonst nicht schauen kann – oder darf. Was aber darf man und was nicht? 
Die allgemeinen Bestimmungen des BAZL lassen zusammenfassend nur folgenden Schluss zu: Privatdrohnen dürfen bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm ohne Bewilligung eingesetzt werden, Voraussetzung ist jedoch ganz klar, dass der «Pilot» jederzeit Sichtkontakt zu seiner Drohne hat. Will jemand technische Hilfsmittel wie Videobrillen einsetzen, um die «Sichtweite der natürlichen Augen zu erweitern», ist (eigentlich) eine Bewilligung des BAZL erforderlich. Verboten sind dem BAZL zufolge vor allem Minidrohnen ohne direkten Sichtkontakt. Luftaufnahmen seien überdies zulässig, sofern die Vorschriften zum Schutz militärischer Anlagen und zum Schutz der Privatsphäre respektive des Datenschutzes erfüllt sind.
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Die zunehmende Verbreitung der Drohnen bereitet Datenschützern Sorgen

Bezüglich Privatsphäre und Datenschutz gibt Eliane Schmid, die Pressesprecherin des EDÖB auf Anfrage bekannt:
«Uns bereitet die Entwicklung hin zu immer kleineren Kameras, die noch dazu über eine ständige Onlineverbindung verfügen, im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre grosse Sorgen. Wer gezielt und ohne Einwilligung Individuen filmt, und diese Aufnahmen auch noch online stellt, verstösst gegen das Datenschutzgesetz (DSG) und kann zivilgerichtlich belangt werden. Tut er das im Privatbereich einer Person, macht er sich unter Umständen sogar strafbar. Heimliche Videoaufnahmen durch Private sind nach DSG nicht erlaubt. Wer filmt, muss die Betroffenen informieren, sodass sie sich dagegen wehren können.» 
Wie 20min berichtete, kam es schon einmal zu einem Zwischenfall beim Flughafen Bern-Belp mit einer Hobbyflugobjekt: Man habe die Polizei von Skyguide aufgeboten, aber den «Piloten» nicht mehr ausfinding machen können.
Unmut regt sich bei FDP-Nationalrat Kurt Fluri. Seiner Ansicht nach müsse der Bundesrat nun klären, wer für solche Drohnen zuständig ist. Er werde als Mitglied der Verkehrskommission am Donnerstag über eine Anfrage abstimmen lassen.  
Angesichts der Tatsache, dass aktuellen «Kamerabrummern» meist nach einer halben Stunde in der Luft der Akku ausgeht und noch nicht allzu weit geflogen werden kann, mal ganz abgesehen vom rauschenden Lärm, ist das Spiel «Ich sehe was, was du nicht siehst» zumindest im Privatsphärebereich noch nicht so besorgniserregend. Letztendlich wird die Verantwortung den Herstellern obliegen, die Gerätekomponenten so zu konzipieren, dass sie den Datenschutzkonformitäten des jeweiligen Landes entsprechen.
In der Schweiz wird sich demnächst vor allem zeigen, wie unser Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, die von Google angeforderten Informationen zur Cyberbrille Google Glass auswerten wird. Auch da ist eine winzig kleine Kamera integriert, die sogar «Features» wie Gesichtserkennung ermöglichen könnte.
Eine Anfrage bei Brack.ch, einem Distributor, der auch sehr viel RC-Modellbau- und RC-Zubehör im Sortiment hat, hat ergeben, dass bisher noch keinerlei Abmahnungen bezüglich Sortiment erfolgten, weil man sich selbstverständlich an die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Inverkehrssetzung halte. «Wie, wo und zu welchem Zweck man die Drohne einsetzt, liegt unserer Ansicht nach komplett in der Verantwortung des Benutzers. Hier gibt es vor allem zwei Aspekte: Flugsicherheit und Datenschutz», meint PR-Manager Daniel Rei auf Anfrage. Punkto Datenschutz verhalte es sich bei den Drohnen analog zu Netzwerkkameras, Mobiltelefonen und Dash Cams.

Autor(in) Simon Gröflin



Kommentare
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groefi
04.07.2013
Danke für Ihre Anregung. Es ist immer wieder spannend zu beobachten, was unsere Leserschaft interessiert. Google Glass ist in den Fokus der Datenschützer mehrerer Länder geraten. Auch unser Datenschutzbeauftragter will nähere Informationen zu den datenschutzrelevanten Aspekten dieses Produkts. Ein Vergleich oder ein "Bashing" war eigentlich in keiner Weise beabsichtigt. Der Fall dürfte einige zentrale Aspekte und Fragen bzgl. datenschutzrelevanten Anforderungen an neue Kamera-Produkte aufwerfen. Herzlich, die Redaktion

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GustavBroennimann
05.07.2013
Da machen sich welche Sorgen wegen den Drohnen die hundert Meter weit fotografieren. Wenn der Schnüffelstaat weltweit ahnungslose Bürger ausspioniert, Mails überwacht und Telefone abhört, da schaut man getrost weg und meint es betreffe eh nur die anderen.

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coceira
05.07.2013
Google Glass ist in den Fokus der Datenschützer mehrerer Länder geraten. Auch unser Datenschutzbeauftragter will nähere Informationen zu den datenschutzrelevanten Aspekten dieses Produkts. Was ist das fuer ein qualitaetsmerkmal, wenn ein beamteter, der sehr wenig ahnung von sehr vielen dingen hat von irgendwelchen herstellern verschwommene informationen anfordert. Ganz klar kann ich mit einer ueberaus unauffaelligen guurgel-glas oder copyprodukt leute filme und optisch verfolgen, sieht doch kein depp - gar nicht zu gebrauchen sind dazu neben spezialcams zur ueberwachung die hochaufloesenden cam in uhren, kravattennadeln, sonnenbrillen, feuerzeugen und sonstigem die auch per bluetooth alles direkt an mein cell zur auswertung und speicherung senden koennen. (viel billiger als guurgel direkt aus shenzen) Liebe daten(be)schuetzer - gibts, speziell in der schweiz nicht genuegend spielraum um sich zu profilieren oder bringen einfach die real existierenden missbraeuche zu wenig schlagzeilen. ...uebrigens, nur noch mit grosser sonnenbrille in die oeffentlichkeit, gesichtserkennung funktioniert damit (noch) nicht ;-)