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20.10.2014, 09:35 Uhr
Macht Selfie-Stress Jugendliche krank?
Nach der Pro Juventute setzen zu viele Selfie-Darstellungen vom perfekten Leben Jugendliche vermehrt unter Druck. Doch sind wirklich nur die neuen Medien Schuld?
Das perfekte Selfie in jeder Situation führt bei Jugendlichen zu Stress. Der ständige «Zwangsvergleich» mit aufregenden Partyfotos und Selfies von Gleichaltrigen hat laut einer Umfrage der Pro Juventute zugenommen. Das Sorgentelefon mit der Notrufnummer 147 klingle in letzter Zeit häufiger. Mehrmals am Tag würden sich Jugendliche mit Sorgen zu Selbstwertgefühl und Aussehen melden. Unter dem Slogan «Viele Ideale haben mit dem echten Leben nichts zu tun» will die Pro Juventute mit einer Kampagne Teenies in ihrem Selbstwertgefühl bestärken.
41 Prozent sind süchtig nach Likes
Laut Pro Juventute hat der Druck insbesondere durch den hohen Stellenwert der sozialen Medien zugenommen. Belegen soll das ihre repräsentative Umfrage: Von 1000 Schweizer Jugendlichen gaben 82 Prozent an, dass sie es als wichtig erachten, von anderen positiv wahrgenommen zu werden. 55 Prozent finden es wichtig, von anderen als attraktiv wahrgenommen zu werden und 48 Prozent möchten als erfolgreich gelten. 22 Prozent der Heranwachsenden behaupten, der Vergleich mit anderen führe bei ihnen zu grosser Verunsicherung oder Krisen. Die 41 Prozent derjenigen, die seit den letzten drei Monaten Bilder von sich im Internet gepostet haben, finden es wichtig, möglichst viele Likes für ihre Fotos zu erhalten.
Selbstfindung in sozialen Medien als Entwicklungsprozess?
Soziale Medien, so Pro Juventute, spielen bei der Entwicklung der Identität für Jugendliche eine wichtige Rolle, weil sie sich auf diesen Plattformen auf verschiedene Weise darstellen und mit dem Umfeld in Kontakt treten können. «Dieses Experimentieren, und in der Folge die Rückmeldungen der Community, helfen Jugendlichen dabei, ihr Selbstbild zu entwickeln», folgert die Stiftung mit ihrer Studie. Als Beispiel wird ein 13-jähriges Mädchen genannt, das sich seit Monaten aus Verzweiflung selber verletzt, weil sie sich im Vergleich zu den perfekten Facebook-Fotos ihrer Freunde hässlich findet.
Probleme fangen da an, wo schon Probleme waren
«Einen generellen Einfluss auf Jugendliche kann man wissenschaftlich nicht nachweisen», meint Philippe Wampfler, Lehrer, Autor und Ratgeber zum Bereich neue Medien im Schulbereich, gegenüber PCtipp. «Digitale Kommunikation ist da verheerend, wo psychische Probleme vorliegen», folgert der Wampfler. Bei Suchterkrankungen, bei narzistischen Störungen und selbstschädigendem Verhalten würden jene Prozesse verstärkt, welche die Schwierigkeiten verursachen und die Krankheiten verlockend machen. Social Media führt laut dem Pädagogen allenfalls zu einer schlechteren Stimmung, geändert habe sich letztlich die Art, wie Jugendliche miteinander kommunizieren. «Druck entsteht – wie die Probleme mit Cybermobbing oder Sexting – aus sozialen Situationen, nicht aus medialen Eigenschaften», findet Wampfler.
Autor(in)
Simon
Gröflin
30.10.2014
30.10.2014